Magazin News, 43|2018
Ehre, wem Ehre gebührt
Freund und Feind jubelt gemeinsam, das rote Wien und der schwarze Bund helfen mit gleichen Mitteln aus, und Banken verzichten auf einen Teil ihres Geldes. Keine Wadelbeißerei zwischen Kulturminister und Wien-Kultur, man freut sich und gratuliert sich selbst, aber vor allem einem Mann – Matthias Naske. Er hat das - seit der Generalsanierung vor 18 Jahren - verschuldete Konzerthaus mit Jahresende schuldenfrei gemacht. Veronica Kaup-Hasler, die im Vergleich zu ihrem Vorgänger aktive und mutige Kulturstadträtin, ist genauso zu loben wie Minister Gernot Blümel als kunstverständiger, überparteilich agierender Beamter.
Matthias Naske ist es gelungen, das Publikum neugierig und interessiert zu machen. Ich erwähne nur die Fridays@7-Serie, bei der zuerst ein einstündiges pausenloses Konzert gespielt wird. Die zweite Hälfte besteht aus einem musikalischen Ausklang im Garderobenfoyer. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, Weltstars in einer intimeren und ungewöhnlichen Umgebung zu erleben.
Naske war in Wien viele Jahre ein einsamer, von der zuständigen Stadtpolitik unbedankter Kämpfer zum Wohl und zur Rettung der Musik im breitesten Sinn.
Wie schön, dass er nicht vergeblich gekämpft hat.
Magazin News, 41|2018
Die Verharmlosung
Wir Österreicher haben das singuläre Talent, aus den wichtigsten Themen, die die Menschen berühren und betreffen und die ernsthaft besprochen gehören, eine lustige Unterhaltung zu machen. Und was kann schon lustiger und spannender sein, als ein öffentlich ausgetragenes Match zwischen zwei bekannten Persönlichkeiten? Der Austragungsplatz des jüngsten Kampfes war das beliebte und gut besuchte „Zeit im Bild 2“- Studio. Jeder Zuschauer hatte Gelegenheit, sich den „Sieger“ auszusuchen – der Streitgegenstand blieb dabei auf der Strecke.
Österreichs Ablehnung des UN-Migrationspakts, eines Papieres, das von 191 Mitgliedsländern der Vereinten Nationen verhandelt wurde und Ziele oder Lösungen für das ungelöste Problem von Flüchtlingen und Migranten behandelt, wurde in einem unterhaltsamen Zwiegespräch zwischen Wolf und Strache erledigt. Dabei gelangen den beiden immer wieder kleine Uppercuts, manchmal auch mit völlig anderen Themen, was aber sowieso egal ist, da das Ganze ja nicht wichtig scheint. Hauptsache, man hat dem Gegenüber ein bisschen schaden können. Denn was die anderen, die zuschauenden und dafür zahlenden Deppen meinen, ist schon vollkommen egal.
Magazin News, 39|2018
Die Rechnung muss bezahlt werden
Jeder weiß, dass es so ist und doch liest man es selten. Wir, also die reichen Länder wie England, Deutschland, Frankreich, Belgien, Holland, Spanien oder das frühere Habsburg-Österreich zogen aus den unterentwickelten, meist von Stammesfürsten regierten und oftmals korrupten Staaten alles heraus, was gut und teuer war und verwendeten alles Verwendbare unter und über dem Boden.
England wäre genauso nicht, was es ist ohne Indien, Brüssel nicht ohne den Kongo, Deutschland nicht ohne Deutsch-Südwestafrika usw. Der Raub geht weiter vom Irak über Libyen, Syrien bis nach Jemen. Und wenn die Mächtigen nicht bekommen, was sie begehren, wird es den Saudis und den Iranern auch nicht mehr lange gut gehen.
Jetzt plötzlich – in der Geschichte geschieht etwas immer abrupt nach einer langen Entwicklung – wollen die Menschen in diesen ausgeraubten und verarmten Ländern nicht mehr weiter mittellos bleiben und sie versuchen dorthin zu gelangen, wo jene leben, welche sie arm gemacht haben. Dies geht aber natürlich nicht, und warum sollen die Länder, die sich am Raub gar nicht beteiligt hatten wie Polen, Rumänien oder Ungarn u.a. dafür bezahlen?
Mit viel, mit sehr viel Geld und sicher nicht schnell kann man das Leben in den betreffenden Ländern lebenswert machen. So könnten wir unsere offene Rechnung wenigstens teilweise begleichen.
Magazin News, 37|2018
Immer wieder der Goldene Westen
Man fragt sich in Europa und nicht nur dort, was noch Schlechtes passieren muss, damit wir uns endlich vom mächtigsten – weil reichsten – Staat der Welt distanzieren.
Ja, ohne den Vereinigten Staaten als Gegner hätte Nazideutschland vielleicht den 2. Weltkrieg nicht verloren. Doch die USA wären nicht in den Krieg eingetreten, wenn sie nicht von den Japanern in Pearl Harbour angegriffen worden wären. „Europe is NOT our deal“ stand überall geschrieben.
In Jalta 1945 hat der schon kranke Roosevelt Stalin alles gegeben, was dieser begehrte. Wegen Rumänien, Polen u.a. machten sich die Amerikaner keine Schwierigkeiten. Und wenn es ihnen etwas bringt, vernichten sie den Irak und nichts lernend aus dieser Katastrophe danach auch Libyen. Gegen Russland erließen sie Wirtschaftssanktionen, denn die Amerikaner wissen am besten, was Recht ist in der weit entfernten Krim. Jetzt vernichten sie den Iran und schaden auch all jenen, die dabei nicht mitmachen.
Europäische Gerichtshöfe erkennen die Amis sowieso nur nach Gutdünken an und im großen Salzamt in der UNO herrscht ja das Vetorecht.
Wenn sich Europa nicht bald gemeinsam wehrt und vor allem im monetären Bereich selbständig wird, kann und wird es für uns immer schlechter werden.
Magazin News, 35|2018
Über mediale Vorverurteilung
Der humane Begriff der Unschuldsvermutung hat zwar noch immer seine strikt juristische Gültigkeit, doch die mediale Verurteilung hat sie de facto zunehmend ersetzt. Die schon siebenjährigen gerichtlichen Bemühungen gegen Karl-Heinz Grasser samt den begleitenden Berichten in Fernsehen und Zeitungen, bevor es endlich gerichtsanhängig wurde, haben de facto sein Berufsleben vernichtet, obwohl er bis heute nicht schuldig gesprochen ist.
Die beruflichen Konsequenzen für bekannte Personen – derzeit vor allem Dirigenten – enden mit praktischem Berufsverbot, noch bevor eine Gerichtsverhandlung stattgefunden hat. Die Projektionen und Fantasien des Publikums sind so monumental geworden, dass es praktisch kein Entrinnen mehr gibt.
Das persönliche Ausnutzen von autoritären Stellungen in jeglicher Form ist zu verurteilen. Das An- patzen, Verleumden und öffentliche Verbreiten von gerichtlich nicht oder noch nicht bewiesenen Tatsachen ist genauso zu verurteilen.
So sollte es sein, doch so ist es leider nicht. Ein Urteil zu fällen, erfordert keinen Mut, sondern Kenntnis und Erwägung von Tatsachen. Alles andere, warum auch immer es sei, bedeutet Missachtung, Rechtsbruch und Inhumanität.
Magazin News, 33|2018
Spielzeitbeginn
Noch vor gut zwei Monaten waren Chor und Solisten, Orchestermitglieder, Tänzer, Bühnenarbeiter und technisches Personal froh und glücklich, die Spielzeit beendet zu haben. Das dankbare Publikum sollte auch in nicht weniger dankbare Ferien gehen, möglichst Natur und Familien verbunden, jedenfalls weg vom Alltag, zu dem auch Opern-, Theater- und Konzertdarbietungen während der Saison gehören.
Doch Künstler nützen den ihnen vom Sozialstaat bezahlten Erholungsurlaub generell nicht. Im Gegenteil – Chor- und Orchestermusiker, Tänzer und technische Mitarbeiter sind im intensiven Einsatz bei den immer mehr werdenden Festspielen von Salzburg bis Güssing, wobei das Arbeitspensum im Sommer oft anstrengender ist als während der normalen Spielzeit im Haus. Natürlich ist der pekuniäre Teil entsprechend lohnend. Dann, Anfang September, kehren Sänger mit müden Stimmbändern, lustlose Instrumentalisten und erholungsbedürftige technische Mitarbeiter an ihren Stammplatz zurück.
Und das mit Kunst und Unterhaltung (wobei ersteres meist auch Letzteres ist) in den Ferien - vom Bodensee bis Kitzbühel - überfütterte Publikum ist wie die Künstler zurück am Arbeitsplatz. Es erwartet aber trotz Saturation erstklassige Aufführungen zum Saisonbeginn. Doch ein Künstler ist auch nur ein Mensch.
Magazin News, 31|2018
Schauen wir, dann sehen wir
„Schauen wir mal, dann sehen wir schon“: dieser Spruch stammt bekanntlich vom früheren „Fußballkönig“ Franz Beckenbauer. So ähnlich wird die Nichtentscheidung über die Abschaffung der Zeitumstellung gehandhabt. Die in Österreich 1977 vom damaligen Bundeskanzler Kreisky erfundene Energieverwertungsagentur sollte dazu beitragen, den Energiekonsum mit allen Mitteln zu reduzieren. Die Folgen waren die geteilten autofreien Wochentage und nicht zuletzt die neu eingeführte Sommerzeit, damit es abends länger hell ist und man Strom spart. Die teure Umstellung sowie die schädlichen Auswirkungen für Mensch und Tier wurden nicht beachtet.
Die staatlich subventionierte Energieverwertungsagentur wurde längst abgeschafft. Dass in Österreich eine Änderung von Relikten der Vergangenheit immer besonders mühsam ist, ist bekannt. Was würde geschehen, wenn Österreich einmal für sich etwas entscheiden würde, das nur besser und vorteilhafter ist? Wie schade, dass unsere Außenministerin mit ihrem mächtigen Hochzeitsgast darüber nicht auch konversiert hat. Sie hätte für dieses Anliegen sicher Verständnis und somit den Mut für eine Gleichschaltung und damit eine Annäherung ans große Land ihres Hochzeitsgastes gefunden.
Rumänien gefangen im aggressiven politischen Patt
Gastkommentar: Ioan Holender | Kronen Zeitung, 17. August 2018
Rumänien gefangen im aggressiven politischen Patt Rumänien wurde diese Woche von massiven Massendemonstrationen in Bukarest erschüttert. Sie endeten wie schon in den Jahren vorher in einer politischen Pattsituation. Dass in den Ländern auf dem Balkan korrupte Regierungsmafias nur schwer von der Macht wegzubringen sind, ist nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist, dass sich das in Rumänien eine große Minderheit nicht länger gefallen lassen will. Ex-Staatsoperndirektor Ioan Holender, geboren 1935 im rumänischen Timisoara und nach wie vor Herzens-Rumäne, erläutert die Hintergründe: Die Nachfolgepartei der kommunistischen Diktatur des Nicolae Ceausescu, die sozialistische PSD mit ihrem Vorsitzenden Liviu Dragnea (57), hat die letzten Wahlen zwar mit großer Mehrheit gewonnen, doch wird sie schon im zweiten Regierungsjahr von den Intellektuellen, den Bürgerlichen und auch von den jungen Bevölkerungsschichten zu Recht gehasst und verspottet. Dragnea ist zwar der mit absoluter Macht leitende Parteivorsitzende, doch kann er (noch) keinen Staatsposten bekleiden aufgrund seiner Verurteilung wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch. Er unterhält eine völlig unfähige inkompetente Ministerhorde, die er nach Lust und Laune bestimmt und austauscht. Die Regierung unterlässt jede dringend notwendige Investition, ob in der Erziehung, Bildung oder bei Bauten jeglicher Art. Rumänien hat praktisch keine Autobahnen, dafür konnte die Regierung Gehälter und Pensionen verbessern. Was die Menschen zu Straßen-Demonstrationen veranlasste, ist der Versuch der Regierung, bei der Justiz die Gerichtsbarkeit zu ändern, damit politische Mandatare der PSD – inklusive ihres Vorsitzenden Dragnea – einer endgültigen Verurteilung entgehen. Auf der anderen Seite der Macht steht der frühere Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt), Klaus Johannis, als Staatspräsident. In Rumänien ist dieser mit mehr Machtbefugnissen versehen als bei uns. Johannis verdankt seine Wahl mehrheitlich den im Ausland weilenden rumänischen Staatsbürgern und wird von der sehr schwachen Oppositionspartei der bürgerlichen Liberalen unterstützt. Doch sein nicht zuletzt durch Spracharmut und Mutlosigkeit geprägtes Ansehen wird noch dadurch geschwächt, dass nächstes Jahr sein Mandat ausläuft und er gerne wiedergewählt werden möchte und sich daher bemüht, auch Stimmen aus den andern Lagern zu bekommen. Somit zeichnet sich seine Amtsführung durch vorsichtige Inaktivität aus. Rumänien, das westliche Land des Ostens, ist gefangen in einer politischen Pattsituation, in der jeder versucht, seinen Posten zu behalten, um daraus den größtmöglichen persönlichen Nutzen zu ziehen. Darunter leidet Rumänien.
Die selbst gemachte Hitzewelle
Auf meiner Bahnkarte steht, dass ich ein Klimaheld bin, weil ich 43,2 Kilogramm vom tödlichen CO₂ - Ausstoß erspart habe. Beim Kauf eines Flugtickets erbittet man einen kleinen Obolus von sieben Euro, damit man quasi als Wiedergutmachung meines Fluges einen Baum pflanzen kann, vor allem aber, um mein Gewissen zu beruhigen. Anderseits fällte man gestern neben meiner Unterkunft drei gesunde alte Tannen, weil die Gefahr bestand, dass sie durch die – in letzter Zeit immer häufigeren und heftigeren - Sommerstürme brechen könnten.
Die Klimaanlagen werden überall auf Maximal gestellt, wir fahren und fliegen immer häufiger, weltweit entstehen immer größere Industrieanlagen, statt Stiegen gibt es nur noch elektrisch betriebene Rolltreppen und es gibt viel anderes, auf das wir nicht verzichten wollen.
Unsere nächste, spätestens unsere übernächste Generation wird in dem von uns verursachten Weltklima-Kollaps auf unserer Erde in gewohnter Art nicht mehr leben können.
Dies alles wollen wir aber nicht zur Kenntnis nehmen, sicher auf nichts verzichten oder ändern, was den tödlichen Absturz verhindern oder wenigstens verlangsamen könnte. Die Züge werden immer leerer und die Straßen und der Himmel immer voller.
Stefan Weinberger, Kronen Zeitung
Ioan Holender: „Das ist ein neues Leben!“
Ex-Staatsoperndirektor & ServusTV-Kulturmann Ioan Holender über Tennis, Stress und Kreisky!
„Krone“: Sie haben mich zum Tennis eingeladen! Bei der größten Hitze!
Ioan Holender: Ja, es ist eine Droge geworden. Vor allem, wenn man etwas seit 65 Jahren macht so intensiv wie ich: Ich hab ja auch eine Weile davon gelebt - und mir durch meine Doppel-Partien gute Kontakte geschaffen, von Kreisky bis Häupl!
War Kreisky gut am Platz?
(lacht) Nein! Er war unglaublich unbegabt!
Sie haben gerade gewonnen! Können Sie verlieren?
(lacht) Schwer! Verlieren ist im Leben in jeder Beziehung schwierig! Und es gibt kaum größere körperliche Freuden als ein gewonnenes Tennismatch!
Wie oft spielen Sie?
3- bis 4-mal in der Woche.
Dann sind Sie topfit!
Um topfit zu sein, egal, was Sie tun, müssen Sie es regelmäßig tun! Ich mache zwei Sachen regelmäßig: Früher waren‘s drei (lacht). Jetzt ist es Schwimmen und Tennis spielen.
Das heißt, Sie fühlen sich wie ein junger Hund!
(lacht) Sagen wir: Ich fühle mich sehr gut, obwohl ich drei Bypässe und Aneurysma habe! Aber ich gehöre nicht zu denjenigen, die die Krankheit suchen. Das hilft!
Die stressigen Zeiten als Staatsoperndirektor sind vorbei! Sind Sie froh darüber?
Ich habe Arbeit nie als Stress empfunden. Stress entsteht ja nur, wenn man Dinge macht, die man nicht machen soll oder die man nicht gerne tut. Dazu gehört für mich in Wien die Society, Einladungen, all dieser Schnickschnack. Das habe ich 19 Jahre lang nicht gemacht, und das mache ich jetzt auch nicht. Aber gefordert bin ich sehr, denn die Sendungen, die ich bei ServusTV mache, sind sehr aufwändig und interessant, da muss ich immer viel dazulernen. Das ist ein neues Leben! Auch beim „Salzburger Festspieltalk“ ist das eine Herausforderung, da muss vieles schnell gehen.
Warum schnell?
Der Kopf muss schnell funktionieren! (lacht) Und das geht im Moment noch gut! Zumindest solange ich noch nicht deppert werde, was ja auch nur eine Sache der Zeit ist bei mir. Aber ich hoffe, ich bin einer der Ersten, die das merken werden!
Ruhe geben können Sie nicht, oder?
Doch, doch! Ich genieße ja auch die Momente wie jetzt am Tennisplatz, und dann (lacht) kommen Sie mir wieder dazwischen!
Tut mir leid! Letzte Frage! Wie bleibt man fit?
Indem man einfach oft Dinge tut, die man nicht gerne macht. Sich überwindet, z. B. nach der Arbeit doch noch Sport zu machen!
Massenansturm auf Europas Perlen
Erstmals besuchte ich das schöne mittelalterliche Städtchen Cesky Krumlov in Tschechien. Wie in Salzburgs Altstadt drängen sich die vorwiegend asiatischen Reisegruppen durch die engen Gassen, sich selbst vor jedem hübschen Hintergrund fotografierend. Das mährische Krumau mit seinen 14.000 Einwohnern beherbergt jährlich an die zwei Millionen Touristen. Im Zentrum befinden sich fast nur noch Hotels und Restaurants. Will man sich ein Wasser kaufen, muss man in die Außenbezirke gehen. Noch ist man nicht soweit, dass man Überlegungen zu einem Numerus clausus der Tagestouristen anstellt wie in Salzburg, Venedig oder Barcelona.
Damit es nicht soweit kommt, könnte man – wie in Hallstadt bereits praktiziert, wo der Ortskern in China ident nachmodelliert wurde – weitere europäische Sehenswürdigkeiten in Asien kopieren. Um Zeit und Weg zu sparen ließe sich die Burg Krumaus neben der Getreidegasse Salzburgs und dem Eiffelturm oder der Rialtobrücke erbauen, damit der Tourist nicht mehr drei Tage für einen Europabesuch benötigt, sondern nur noch einen Vormittag in seiner Nähe. Am Nachmittag böte sich dann eine Pistenfahrt in der gebauten Schneehalle an, wie sie in der Wüste Dubais schon existiert.
Internationale Klassik- Fest gehört zu den Höhepunkten der Veranstaltungen im südböhmischen Krumau ( heute: Český Krumlov). Ex- Staatsoperndirektor Ioan Holender besuchte das Musikfest im Egon- Schiele- Ort, sah einen „ Trovatore“und staunte über die berühmte drehbare Arena.
Die gepflasterten engen Gassen sind verstopft durch vorwiegend asiatische Besucher, wobei die immer eilig drängenden und überall sich selbst fotografierenden Chinesen in der absoluten Mehrheit sind.
Das große Galakonzert in dem 3000 Menschen fassenden Brewery Garden war der Höhepunkt der von einer Wiener Versicherung als Hauptsponsor unterstützten Veranstaltungen: Verdis „Trovatore“ im Freilichttheater des Schlossparks wurde für mich zur Weltsensation.
Nicht so sehr durch die dankenswerterweise ohne Mikrofone singenden Sänger – besonders interessant Yukiko Kinjo als Leonore –, und wegen des im histori- schen Lustschloss Bellaria verfrachteten Budweiser Opernorchesters, dessen Klang akustisch übertragen wird, sondern wegen der weltweit einmaligen, sich samt rund 600 Zuschauern drehenden Tribüne.
Während die Sänger, Choristen, Tänzer und Statisten um die Tribüne herum – mit in den Park gestellten Dekorationselementen – die komplizierte Handlung begreiflich zu machen versuchen, sitzt das Publikum zwei Stunden (diesmal leider zeitweise bei Regen) fest im Sessel, den sie auch nicht verlassen, denn sonst wären sie quasi im Bühnenbild.
Achtmal findet das Spektakel mit wechselnder Besetzung statt. Daneben werden zwischen Anfang Juni und Mitte September auch Dvořáks „Rusalka“, Schauspiele, Ballett und KinderVorstellungen gespielt. Alles wird vom ambitionierten Budweiser Stadttheater- Ensemble unter der gekonnten Leitung von Lukas Prudek bestritten.
Die beiden auch bei uns geschätzten Sänger Sondra Radvanovsky und Piotr Beczała – drei Tage vor seinem „Lohengrin“- Debüt in Bayreuth! – gestalteten den aus Verdi, Puccini und „Rusalka“ zusammengestellten Abend, der sehr gut gesungen wurde. Zum Finale: das Duett aus Léhars „Land des Lächelns“.
Um 20.30 Uhr begann der vornehme Arienabend, begleitet von den Prager Philharmonikern, eine Stunde später „Il Trovatore“ im nahen Schlosspark. Übrigens, daran, dass es wieder regnete, scheint man sich im prachtvollen mittelalterlichen Český Krumlov gewöhnt zu haben.
Westen des Ostens?
Rumänien ist der Westen des Ostens: Dieser schöne Satz stammt vom früheren Außenminister Andrei Pleşu, jenem Historiker und Philosophen, der vor einigen Jahren die Eröffnungsrede bei den Salzburger Festspielen hielt. Doch stimmt er wirklich? Das zweitgrößte EU-Land des Ostens scheint Brüssel nicht besonders zu interessieren, denn es ist still, EU-treu, und man hat mit Polen und Ungarn schon genug Probleme.
Der Machtkampf zwischen dem bürgerlichen deutschstämmigen Staatspräsidenten und dem regierenden sozialdemokratischen Parteivorsitzenden Liviu Dragnea, der wegen einer (noch?) nicht getilgten Verurteilung wegen Korruption verbissen gegen die Richter kämpft, wird als Internum betrachtet, was es ja auch ist. Und NATO-Mitgliedsland ist Rumänien auch. Westliche Banken und Investoren verdienen auch noch ganz gut im Land.
Die jahrhundertelang andauernde osmanische Herrschaft scheint, was Bestechung, Korruption und Bakschisch betrifft, ihre Spuren hinterlassen zu haben. Zusammen mit dem Einfluss der immer noch mächtigen Adoranten der Ceausescu-Diktatur prägen sie auch heute noch großteils die Moral. Und das Schlimmste von allem ist, dass die jungen Menschen Politik nicht interessiert und sie massenweise den Westen des Ostens in Richtung Westen verlassen.
Der deutsche Untergang
Dieses für das Land, den Lebensstandard und das Wohlergehen seiner 82 Millionen Einwohner völlig irrelevante Ereignis wird von sämtlichen Medien nicht nur im besiegten Fußballland als der beginnende Untergang der gesamten Nation beschrieben und kommentiert.
Der Sieg der Deutschen Fußballmannschaft bei der ersten offiziellen Fußballweltmeisterschaft nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 1954 in der Schweiz galt für viele Deutsche – bezeichnet als das „Wunder von Bern“ – als ein Zeichen des Aufbruchs nach dem verlorenen Krieg und der damalige Fußballtrainer Sepp Herberger wurde als Nationalheld gefeiert.
Das frühe Ausscheiden in Russland 64 Jahre später samt der verlorenen Partie gegen Südkorea (!) kann schwerlich als der Untergang des reichsten europäischen Landes Deutschland gewertet werden. Die wahrlich Kabarett-ähnliche Lächerlichkeit von manchen deutschen Medienkommentatoren hilft zusammen mit der Migrationskrise lediglich den Anhängern der AfD.
Zweifelsohne war die Begegnung in Singapur für die zwei Protagonisten Donald Trump und Kim Jong-un ein persönlicher Erfolg, der beiden Staatsführern allergrößte Publizität und weltweite Aufmerksamkeit gebracht hat und – einstweilen – ihre Machtposition gestärkt hat.
Ungewollt erinnern wir uns an die Begegnung zwischen Neville Chamberlain und Adolf Hitler, deren Treffen damals weltweit den bleibenden Frieden suggerierte, oder an die Vergabe des Friedensnobelpreises an Rabin und Arafat. Wir können jetzt nur hoffen, dass das Treffen in Singapur keine ähnlichen Folgen haben wird, denn mehr, als dass die Begegnung stattgefunden hat, wissen wir (noch) nicht.
Ich will die viel strapazierte Geschichte nicht noch mehr bemühen, doch die Hoffnung Österreichs vor dem Besuch Schuschniggs in Berchtesgaden war durchaus euphorisch, allerdings nur bis zu seiner Rückkehr.
Wir wollen auch nicht Personen vergleichen, sie sind ja weder menschlich noch historisch gesehen vergleichbar noch von heutiger Sicht aus betrachtet. Trotzdem lernen wir aus der Geschichte, und diese gibt uns wenig Anlass zur Zuversicht. Es ist wichtig, was in Singapur geschehen ist, entscheidend sind aber die Folgen davon.
Das Gehirn und die Zunge
Das „Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien“ behauptete - um enteignete Güter restituiert zu bekommen -, Rechtsnachfolger der nach Kriegsende aufgelösten Naziorganisation „Deutsche Volksgruppe in Rumänien“ zu sein.
In der Zeit in der, welche in der Rumäniens Präsident Klaus Werner Johannis Bürgermeister von Sibiu war, ist es gelungen, den Rechtsnachfolger des früheren Vereines unter seinem Vorsitz wieder anzuerkennen und zu entschädigen.
Der Präsident des Abgeordnetenhauses und Parteiführer der regierenden Sozialdemokratischen Partei, Liviu Dragnea, und die amtierende Premierministerin, Viroica Dăncilă, haben auf Regierungsebene vorgeschlagen, Rumäniens Botschaft in Israel, so wie die Vereinigten Staaten ihre, nach Jerusalem zu verlegen. Herr Johannis deklarierte darauf mehrmals öffentlich, dass er dagegen sei. Das Treffen der rumänischen Regierungsmitglieder mit den höchsten Würdenträgern Israels kommentierte Johannis im rumänischen Fernsehen als „Geheimniskrämerei mit Juden“.
Nach einer Welle der Kritik und Empörung entschuldigte sich der Präsident für seine Wortwahl. Doch ein rumänisches Sprichwort sagt: „ce-i în gușă și-n căpușă“ – nur was im Gehirn sitzt, fällt auf die Zunge.
Foto oder Selfie
Ein schöner Fotoapparat war ein sehnsüchtig erwartetes Geschenk des heranwachsenden Sohnes. Unerklärlicherweise eher für den Buben als für das Mädel, und das blieb meistens bei den immer weniger werdenden Berufsfotographen bis heute so.
Leider hat das Selfie – ein digitaler Schnappschuss von sich selbst - die Fotographen verdrängt. Während dieser stets versucht, die von ihm im Bild Porträtierten möglichst vorteilhaft mit der Kamera festzuhalten, ist der oder die mit dem eigenen tragbaren Telefon bemüht, sich selber mit dem Objekt seiner Begierde gut sichtbar aufzunehmen und eine – in der Realität nicht existierende – Nähe zum wehrlosen Opfer vorzutäuschen. Das so erzwungene Ergebnis wird dann medial und gesellschaftlich herumgezeigt und täuscht etwas vor, das zwar vorgefallen ist, doch nicht den wirklichen Tatsachen entspricht.
Alles ist schnell vollbracht und nicht für die Dauer gedacht. Die digitale Droge soll das eigene mehr oder weniger spannende Leben dokumentieren und das Image steuern. Papierfotos, die man später anschaut, sind oft eine kostbare Erinnerung für Vergangenes. Die Selfies aber sind ein Zeichen unserer Zeit, schnelllebig und schnell verschwindend, oberflächlich, kühl und obwohl mit menschlichem Objekt eher unmenschlich.
Schade und traurig.
Das Zwangs-Trinkgeld
In der Welt der freien Marktwirtschaft ist das „Trinkgeld“, das als Dank für die besondere Aufmerksamkeit gewährt wird, schon lange keine freiwillige Leistung mehr. Heutzutage - in Amerika ausnahmslos - ist das Trinkgeld ein gewerkschaftliches Muss und keineswegs mehr ein diskretes Mehr, das von einer zahlenden Lady oder einem Gentleman erwartet wird. Wenn noch vor 20 Jahren eine freiwillige Zusatzzahlung von 10-15 Prozent üblich war, sind heute 10 Prozent eine Beleidigung, die böse Blicke oder gar die Rückgabe des Trinkgeldes zur Folge hat. In amerikanischen Restaurants wird der liebe Gast sogar konkret instruiert und in der Rechnung wird es ausgewiesen, ob er dem armen arbeitenden Menschen 18,25 oder 30 Prozent gewähren will.
Das Trinkgeld, der alte Bakschisch, ist keine freiwillige Zahlung des besonderen Dankes für die besondere Arbeit, sondern ein aufgezwungenes Recht des Arbeitenden gegenüber dem Konsumenten geworden.
Wenn Leben oder Sterben vom Trinkgeld abhängt und nicht vom Marktwert der verkauften Ware oder der erbrachten Dienstleistung, ist etwas faul in unserer Businesswelt, oder?
Aufrecht stehen, selber denken
Man kann zu Recht verschiedener Meinung über die Finanzierung des staatseigenen Fernsehens sein. Ob direkt von den Nutzern bezahlte Zwangsgebühren oder indirekt durch vom Staat einbehaltene Steuergelder, sei dahingestellt. Sinn und Zweck sollte einzig und allein die Qualität der Programme und vor allem die Ausschaltung des Einflusses von politischen Parteien sein.
Das sollte selbstverständlich in Österreich und zum Wohle der Fernsehzuschauer entschieden werden.
Doch man schielt zur Schweiz hin, nach Norwegen und demnächst nach Schweden, wie dort in Bezug auf die Beibehaltung oder Abschaffung der Gebühren entschieden wird, obwohl die Situation teilweise nicht vergleichbar ist. Warum senken wir unseren Kopf wie die Schneeglöckchen, statt aufrecht zu stehen, zu denken und selber zu entscheiden?
So wie wir die halbjährlich wechselnde - für Mensch und Tier schädliche - Zeitänderung nicht eigenständig unverändert lassen, wie es andere Länder bereits tun, machen wir weiter so, wie es andere „wichtigere“ Staaten handhaben. Schade, dass man stets schön brav in der Reihe stehen bleibt und sich nicht traut, zum eigenen Wohl eigenständig zu entscheiden.
Über die Herrenmode
Die Herrenmode ändert sich zwar nicht so häufig wie die Damenmode, dafür aber radikaler und immer zum Hässlicheren. Seit einiger Zeit hat die Mode sogar die Umgestaltung der Gesichter der modebewussten Herren errichtet. Wer sich heutzutage noch rasiert, gilt als altmodisch, konservativ, gestrig und politisch rechts, aber auch als ältlich, unerotisch, jedenfalls als uninteressant.
Dass junge Menschen aus Bequemlichkeit und der Tendenz nach Gleichgesinnung Stoppelbärte tragen, beleidigt diejenigen, die sie anschauen, nicht. Aber die reiferen bis älteren Herren wollen ja auch jugendlich, potent und heutig, was immer dies auch ist, sein.
Wenn schon die ORF-Redakteure am Fernsehschirm schön rasiert auftreten, so wie dies in der Zeit von Gerd Bachers Intendanz Vorschrift war, so zeigt sich der Gebühren hütende Generaldirektor mit einem wilden Stoppelbart verunstaltet.
Und die Sakkos sollen modisch möglichst kurz und etwas zu eng sein und weit über der wohlhabenden Wölbung geschlossen werden, so wie es uns Herr Vizekanzler vormacht. Macht nichts – hässlicher kann es kaum mehr werden, nur abwarten, bis sich auch diese Mode wieder ändert.
"Weltstars" in den Medien
Die Werbung früher Reklame genannt ist heute ein wichtiger Wirtschaftszweig. Ziel und Sinn der gesamten Operation ist einzig und allein, dass das beworbene Produkt gekauft wird. Ob es sich dabei um Parfüm, Anziehbares, Essbares oder eine künstlerische Darbietung handelt, ist irrelevant; Hauptsache, das Produkt ob Mensch oder Ware wird konsumiert. Früher meinte man, was Reklame brauche, sei minderwertig. Spätestens seit Coca Cola wurde bewiesen, dass Minderes als gut empfunden wird. Heutzutage werden sogar Schauspieler und Opernsänger, die durch mediale Propaganda bekannt gemacht werden, kurzzeitig berühmt. Die tatsächliche Leistung auf der Bühne ist sekundär geworden, jede Fernsehpräsenz, ob als Stargast bei Bällen, als singende Visualisierungen oder gar Selbstvermarktung als Werbeträger, erhöhen deren Verkaufswert. Das Schlimme und auf längere Zeit hin Tragische daran ist, dass angehende Ausführende einer künstlerischen Tätigkeit glauben, dass dies der Weg zu einer Existenz sei. Sie täuschen nicht nur uns, die gewünschten potentiellen Käufer oder Abnehmer, sondern auch sich selbst.
Kronen Zeitung | Kultur - Mittwoch, 21. Februar 2018
Da spielt das Orchester maskiert
Das schönste und akustisch beste Opernhaus der Welt, das legendäre Teatro la Fenice – nach achtjährigem Wiederaufbau als Folge des katastrophalen Brandes im Jahr 2003 wieder auferstanden – feiert die Karnevalsaison mit fünf Aufführungen von Franz Lehars „Lustiger Witve“ in Originalsprache.
Ex-Staatsoperndirektor Ioan Holender, der für ServusTV internationale Opernhäuser besucht, schreibt für „Krone“ – diesmal aus Venedig.
Das Fenice und die „Lustige Witwe“: Zuletzt hatte der Komponist hier im Jahr 1905 sein Meisterwerk selbst – in italienischer Sprache dirigiert – mitgesungen. Das von Stefano Montanari geleitete, durchwegs in originaler Karnevalsverkleidung spielende Orchester wurde vom – maskierten! – Publikum in Feierstimmung herzlich akklamiert.
Einer der bedeutendsten Regisseure Italiens steuerte die kluge, modern elegante, auch bunte Inszenierung bei: Sie stammt von Damiano Michieletto, dem auch bei den Salzburger Festspielen und im Theater an der Wien hoch geschätzten Regisseur. Banken, Börsen, und Geld bestimmen intelligent die Welt der „Lustigen Witwe“, die ins Heute umgesetzt wurde. Die Dialoge wurden selbstverständlich gekürzt.
Christoph Pohl, hier schon als „Tannhäuser“ – Wolfram erfolgreich, war der kultivierte singende Danilo, allerdings ohne Charme und darstellerische Präsenz. Nadja Mchantaf war die in der Stimme etwas scharfe, überzeugend spielende Witwe Glawari. Überragend Franz Hawlata – in der Wiener Staats- und Volksoper bekannt – als Baron Zeta. Ebenfalls als Karnevalshit wurde im „Fenice“ Rossinis „Barbier von Sevilla“ gezeigt. Mittelmäßig besetzt! Wobei das von Fortunato Ortombina als Intendant und künstlerischer Direktor gut geführte traditionsreiche „Fenice“ heute mit 21 Werken und etwa 140 Vorstellungen pro Saison neben der Mailänder Scala Italiens erfolgreiches Opernhaus ist.
Die Sängerhonorare sind da längst nicht einmal annähernd so hoch wie zur Zeit von Maria Callas: Aber sie werden sogar pünktlich ausgezahlt!
Ioan Holender
"Sunt alaturi de intelectualii orasului meu, personalitati precum Tolcea, Ungureanu, Jecza, Vighi, Lupu Hausvater, Babeti, Armanca, Garboni, Murgu, s.a., care din cate am inteles, nu sunt implicati si nici macar consultati in privinta TM 2021.
Pe de alta parte, ca Director Artistic al Asociatiei Timisoara - Capitală Europeană a Culturii a fost angajat un cetatean din Suedia, care nu are nicio tangenta cu Timisoara si care nici macar nu cunoaste limba romana.
Bineinteles ca nici despre alcatuirea boardului asociatiei nu am fost informat, afland doar deunazi ca si sotul doamnei Neumann este unul dintre membrii cestuia."
IOAN HOLENDER
Eine Insel der Seligen
Wenn der nordkoreanische absolute Diktator Kim Jong-un seine im Staatsapparat allmächtige Schwester Kim Yo-jong zusammen mit ein paar Wintersportlern in den noch immer im Kriegszustand befindlichen anderen Landesteil des einst gemeinsamen Landes schickt, ist plötzlich alles eitel Wonne.
Der anwesende US-Vizepräsident Mike Pence reicht ihr zwar nicht die Hand, doch bei der Eröffnungszeremonie marschieren nord- und südkoreanische Sportler gemeinsam in das um 70 Mio. Euro gebaute Stadion ein. Dass in diesem nur vier Veranstaltungen stattfinden und es dann wieder abgebaut wird, interessiert niemanden.
Dr. Thomas Bach, der viel redende und nichts sagende Präsident des IOC, verkündete im Voraus, dass die Olympiade in Pyeongchang ein Geschenk sein werde, an das wir uns ein Leben lang erinnern würden. Und unser pensionierter Bundespräsident applaudierte begeistert neben anderen Honoratioren.
Kim schickte Eishockey-Spielerinnen, 230 Pom-Pom-Girls und Orchester in den verfeindeten Süden. Vergessen sind die Raketen samt atomarer Rüstung, mit denen er seit Jahren die Welt terrorisiert. Vielleicht schlägt man ihn noch für den Friedensnobelpreis vor, auch das sollte heutzutage keinen mehr wundern.
Tu felix Austria - habemus Opernball
Die seit Kurzem zur Parlamentsabgeordneten gekürte Frau Großbauer ist derzeit zum bekanntesten Gesicht der Republik geworden. Darüber, wer nicht oder vielleicht doch zum Ball kommt, wird mehr berichtet als darüber, wer kommt, und der bezahlte Gast eines jeden bekannten Geschäftsmannes erhält mehrfach Titelseiten. Der definitiv grotesk zum Staatsball gewordene ehemalige Künstlerball führt durch die Abwesenheit prominenter Politiker nahezu einer Staatskrise.
Das pekuniär Positive an der Tanzveranstaltung ist, dass diese durch die unverhältnismäßig hohen Eintrittspreise dem Haus, in dem sie stattfindet, Geld bringt. Zwar viel weniger, als verkündet wird, denn man müsste auch die Arbeitsstunden alles Mitarbeiter, vom Direktor bis zu den technischen Arbeitern, dazurechnen und den Verlust der Einnahmen an den Tagen der verschlossenen Vorstellungen und des lange eingeschränkten Spielbetriebes abziehen. Die Staatsoper wird durch den Steuerzahler erhalten, um Opern- und Ballettvorstellungen zu spielen, und nicht als Vergnügungsort für Ballbesucher.
Der ORF bekommt ein dreistündiges Programm, in dem alljährlich die gleichen Moderatoren denselben Adabeis die gleichen Fragen stellen und dieselben Antworten erhalten.
Dass der Bundespräsident und jene Mitglieder der Bundesregierung, die den Ball durch ihre Anwesenheit „beehren“, samt Begleitung in der Mittelloge einquartiert werden, ist selbstverständlich. Dass jedoch der Bundespräsident und der Bundeskanzler samt Anhang nach der Eröffnung auch je eine der größten Ballvergnügen erhalten, konnte schon ich seinerzeit – trotz des Versuches – nicht ändern. Der damals amtierende Kanzler, Alfred Gusenbauer, schrieb mir, dass er nicht komme, falls er zahlen müsse. Das hätte zwar nicht meinen Rücktritt ausgelöst, auch nicht die Absenz des Bundespräsidenten, aber als weisungsuntergeordneter Beamter blieb mein Versuch erfolglos.
Aber dass jetzt der Schokoladen- und Rüstungsoligarch, besser bekannt als ukrainischer Staatspräsident und jegliche Opposition ausschaltender Machtpolitiker, der edle Staatsgast unseres alles überschattenden Medienereignisses ist, wirft in der Wahrnehmung unseres derzeit wahrlich nicht felix Austria kein gutes Licht.
Ist der Ruf erst ruiniert...
Ob der Missetäter ein Burschenschafter ist, so wie viele, die jetzt wichtige Positionen innerhalb des Regierungsapparates haben, oder nicht, ist nicht der Stein des Anstoßes. Der Herr war jedoch Spitzenkandidat in der niederösterreichischen F.P.Ö., und diese beharrt weiter auf ihm. Der Koalitionspartner in der Bundesregierung mischt sich nicht ein, der Bundespräsident versucht es erfolglos, denn es liegt nicht in seiner Kompetenz.
Unser kleines, außenpolitisch irrelevantes Österreich ist jedoch in aller Munde. Ich war gerade in Mailand. Sogar die italienischen Zeitungen sind auffallend voll mit negativen Kommentaren über die antisemitischen Äußerungen eines führenden Politikers der regierenden Koalitionspartei.
Es ist längst nicht mehr eine niederösterreichische Lokalangelegenheit, sondern eine, die ganz Österreich betrifft.
Der Gesamtschaden ist vollbracht, der Ruf ist hin, und auch wenn sich keiner geniert, bleibt der Ruf, auch ungeniert, beschädigt.
Jetzt ist der Opernball definitiv ein Staatsball
Das Werk oder der Interpret
Das Salzburger Festspielpublikum besucht zwar interessiert auch die drei weniger populären Opern aus dem 20. Jahrhundert, aber alle wollen vor allem – und koste, was es kostet – zu Netrebko gehen. Wohlgemerkt zu Netrebko und zwangsmäßig zur Vorstellung der Verdi-Oper „Aida“. Das Werk, die Produktion und die restliche Besetzung sind sekundär und entfachen weder Neugierde noch Interesse, hauptsächlich man sieht und hört „sie“.
Die Wiener Staatsoper eröffnet diese Spielzeit auch mit einer Verdi-Oper, dem Troubadour, ebenfalls mit Netrebko. Doch sie sagt krankheitshalber zwei Tage davor ab und wird durch eine andere Sängerin ersetzt. Blankes Entsetzen bei den Karteninhabern, manche bezahlten am Schwarzmarkt erhöhte Kartenpreise, viele wollen ihre Karte verkaufen, und alle schimpfen verärgert. Das Werk interessiert kaum, man kaufte den Eintritt ja nicht, um das Werk zu sehen und zu hören, sondern wegen „ihr“.
Ich erlebte ähnliches vor etwa 13 Jahren, als Luciano Pavarotti am Nachmittag des Vorstellungstages „Andrea Chénier“ absagte. Der Druck war so groß, dass ich die Aufführung absagte, und den Kartenbesitzern das Geld zurückzahlte. Es gibt und es gab nie viele Netrebkos und Pavarottis, und natürlich sind sie auch Menschen aus Fleisch und Blut und anfällig wie jeder andere.
Aber! Oper und Sprechtheater sind nicht Unterhaltung. Sie sollen dies auch sein, aber entscheidend ist das Werk. Große Sänger dienen immer dem Werk resp. der Rolle, die sie interpretieren. Der herrschende Wahn der Medien und die kommerzielle Werbung haben dies heute in den Hintergrund gedrängt und der Kunstgattung Herz, Seele und Bedeutung genommen.
Das ist die wahrhafte Enttäuschung mancher Absage, und das ist eine gefährliche Bedrohung der darstellenden Kunst.
In Salzburg ist der Messias angekommen
Sport und Kapitalismus
Der Zukunftsjob
Kunstkritik versus laute Vorankündigung
Der Wähler ist leider machtlos
Thiem gibt uns wieder Hoffnung
Nein, nicht nur die Hoffnung, dass nach langer Zeit wieder ein Österreicher ein Weltspitzensportler wird, sondern entscheidend viel mehr.
Dominic Thiem ist allein durch seine Leistung ein weltbekannter junger Mann geworden. Ohne aus sich mehr machen zu wollen, als er ist, bleibt er bescheiden, treu zu sich und gegenüber seiner unmittelbaren Umgebung. Sein Vater und sein langjähriger Trainer, Betreuer und Förderer Günter Bresnik sind ihm die wichtigsten Ansprechpersonen. Thiem ist zurückhaltend und höflich distanziert gegenüber jeglichen unnötigen medialen Begleiterscheinungen. Er beschränkt sich in seinen vom Zeitgeist erzwungenen medialen Äußerungen auf das strikt Notwendige. Seine Antworten auf die, auch in seiner Branche meistens dummen und sensationslüsternen Fragen beschränken sich auf das Tennisspiel. Er sucht nicht, durch ein aufgesetztes Lächeln und populistische Sprüche mehr zu scheinen als er ist. Er trägt weder einen modischen Vollbart noch ist er sichtbar tätowiert.
Der junge Dominic Thiem gibt uns wieder die Hoffnung, dass es allein durch Leistung, selbst in unserer korrumpierten Welt, möglich ist, weltberühmt zu werden und sich doch treu zu bleiben.
Weltstadt Perm
Sie ist die Pforte nach Asien, oder wenn man aus dem Uralgebiet kommt, die erste europäische Stadt: In unseren Breitengraden weiß man kaum etwas von der Existenz Perms. Vielleicht, dass Boris Pasternak dort seinen, durch die Verfilmung zu Weltruhm gelangten, Roman „Doktor Schiwago“ geschrieben hat, oder dass Sergej Diaghilev – der wohl berühmteste Ballettchoreograph aller Zeiten – hier bis zu seinem 18. Lebensjahr im prachtvoll erhaltenen Haus seiner Familie lebte.
Doch seit der junge, charismatische, alle Grenzen und Gewohnheiten sprengende Teodor Currentzis die musikalischen Geschicke des 1.020 Plätze umfassenden Theaters und das von ihm geformte Orchester MusicAeterna leitet, ist sein Ruf bis zu den noblen und teuren Salzburger Festspielen gelangt. Denn Teodor Currentzis und seine Musiker aus Perm bestreiten heuer die Eröffnungspremiere der Festspiele mit Mozarts Oper „La clemenza di Tito“.
Es ist erstaunlich und sehr erfreulich, dass ein einzelner Mensch dank seines Talentes, seiner Persönlichkeit, seiner Beharrlichkeit und seines absoluten Willens durch Musik aus einer verschlafenen Stadt am Rande Europas eine Weltstadt der Musik gemacht hat.
Die Uralstadt umfasst heute vom aristokratischen Djagilew –Haus, den Gedenkmonumenten des Revolutionsführers Lenin und dem Militärmuseum der Roten Armee bis zum Status einer weltbedeutenden Musikmetropole alles!
Holts Domingo. Egal was es kost'!
New York: Gala mit Weltstars zu 50 Jahren Metropolitan Opera im Lincoln Center
Der dafür engagierte Julian Crouch – er gestaltete den Salzburger „Jedermann“ – bestätigte seinen Ruf als Regisseur von Großveranstaltungen. 22 Sänger und drei Dirigenten bestritten das Fünf-Stunden-Programm, gefolgt von einer Galaparty im prächtig ausgestatteten Zeltsalon für etwa tausend zahlende Gäste. Mit Verkauf und Sponsoren nahm die Met da acht Millionen Dollar ein.
Höhepunkt war das Gespräch mit der 90-jährigen Operndiva Leontyne Price, einer Legende – sie war u.a. Karajans Lieblings-Leonore. Und sie sang sogar ein Stück aus Samuel Barbers „Anthony und Kleopatra“, mit der sie Met im Lincoln Center eröffnet hat.
Während der Abriss der alten Met samt Bau des Lincoln Centers filmisch exzellent dokumentiert wurde, annoncierte Met-Generalmanager Peter Gelb den überraschenden Auftritt des – schwer kranken – Dmitri Hvorostovsky mit der Arie Rigoletto. James Levine wurde mit einem speziellen Rollstuhl ans Pult gebracht und sorgte für einen weiteren sehr bewegenden Moment. Anna Netrebkos „Lady Macbeth“-Arie, Sonya Yonchevas Mimi. Joyce DiDonato als Semiramide und Javier Camarenas Tonio aus der „Regimentstochter“ waren Höhepunkte, während James Levine, Yannick Nezet-Seguin und Marco Armiliato die kundigen Dirigenten des Abends waren, der das hoch elegante Publikum begeisterte.
An den Tagen davor zeigte man im Lincoln Center das Beste aus Vergangenheit und Gegenwart, wie August Everdings klassische Inzenierung des „Fliegenden Holländers“, sichtbar gut erhalten, und Robert Carsens hervorragenden neuen „Rosenkavalier“. Nezet-Seguin, der endlich definitive ernannte Musikdirektor, dirigierte mit viel Verve Wagners Werk. Auditorium und Orchester feierten ihn demonstrativ – jedes Orchestermitglied brachte ihm eine Rose ans Pult! Michael Volle war ein starker Holländer und Amber Wagner die stimmlich hervorragende Senta. Robert Carsen ist eine exzellente, sehr freie Lesart des „Rosenkavaliers“ gelungen. Die stringente Personenführung wurde durch den jugendlichen, absolut glaubhaften Ochs des Österreichers Günther Groisböck und die stimmlich sowie darstellerisch überragende Elina Garanca eindrucksvoll vermittelt. Renee Flemings Adieu von Rolle der Marschallin wurde laut akklamiert. Sebastian Weigle dirigierte statt James Levine zuverlässig. Und dass Placido Domingo hier sogar die Oper aller Opern, den „Don Giovanni“, dirigieren darf, spricht für sich selbst.
Die Marke Plácido Domingo
Über Änderung und Zerstörung
Feiertage
Arbeit und Leistung
Das Gleiche ist nicht dasselbe
Shakespeares Hamlet ist immer ein großartiges Theaterstück, auch wenn nicht Laurence Oliver oder Oskar Werner die Titelrolle spielen, und Ödön von Horvaths Kasimir und Karoline bleibt ein berührendes, zutiefst menschliches und in der Aussage leider immer noch wahrhaftiges und aktuelles Werk.
Ist dies noch so? Leider fast nie!
Theater lebt von der Stimme des Schauspielers, durch sie wird die Geschichte erzählt und vernommen. Theaterhäuser waren und sind so gebaut, dass sie eine Akustik haben, die die Stimme hörbar macht. In den Ausbildungsstätten wird das Sprechen entsprechend unterrichtet. Doch ist dies obsolet, ja nahezu sinnlos geworden, denn die Schauspieler werden heute mikrofoniert. Je nach technischer Möglichkeit wird das Gesprochene dadurch schlecht vernommen und verstanden. Lautes degeneriert zum unverständlichen Gebrüll und leise Gesprochenes wird meistens unhörbar gemacht. Geschriebene Texte, die die zwingende Vorlage sein sollten, werden verändert und allein durch Phonstärke als Ausdrucksmittel verwendet. Es zählt nicht mehr, wie ein Schauspieler spricht; die technisch gesteuerte Akustik bestimmt im Sinne der Regie das Geschehen.
Damit widerspricht Theater seinem Ursprung, und die Theatersäle verlieren ihren Sinn. Wir bewundern die antiken griechischen Freilufttheater für deren natürliche Akustik desavouieren alle durch verstärkte Anlagen und mikrofonierte Darsteller.
Warum tut man das dem Publikum, den Schauspielern und letztendlich auch den wehrlosen Autoren an? Die stupide Antwort ist, weil Regisseure es wollen und Theaterleiter es zulassen.
Das Theater wird auch das überleben, und das Publikum hat leiden im Theater gelernt.
Nicht unsere Sache
Kulturauftrag im Übermaß
Druckpapier ist teuer
Man hört es allgemein in journalistischen Kreisen, und man liest es in den immer rarer werdenden Papierzeitungen: Es gibt immer weniger Leser, die eine Zeitung kaufen, aber ständig mehr, die sie im Internet durchgesehen. Folglich ist die Zukunft der Zeitung als Printmedium fraglich und ungewiss. Ursache ist einerseits die neue Technik, andererseits die oberflächliche Bequemlichkeit der Leser allgemein.
Doch wenn man sich anschaut, mit welchen Nebensächlichkeiten die Seiten gefüllt werden, sei die Frage erlaubt, ob nicht auch dies zum Zeitungstod führt. Wer zum Opernball nicht kommen wird und warum nicht, oder was die neue Leiterin tragen wird, ins blatt- und platzdominant, gleichwohl der gute alte Lugner samt teurem Anhang und, als Sensation, diesmal ohne Ehefrau. Und wenn trotz der berichteten Vorhysterie beim Akademikerball der kleine wienerische Bürgerkrieg, den man vermutet hatte, nicht stattfindet, füllt man das Papier mit den Vermutungen, wie es denn gewesen wäre, wenn …
Momentan ist ja Hochkonjunktur in allen Medien jeglicher Art durch die amerikanischen Wahlen und deren trumpische Folgen. Doch im Unterscheid zum Opernball, der dankenswerterweise vorübergeht, bleiben uns der Trumpismus und dessen tägliche Auswünsche erhalten. Der Unterhaltungswert beider ist grenzwertig, doch leider bleibend.
Der Lockruf des Geldes
Die berühmten, traditionellen Opernhäuser von Neapel, Parma, Palermo, Turin und so weiter leiden unter immer geringerer finanzieller Dotierung, spielen seltener und können sich bekannte Sänger nicht mehr leisten. Diese haben jedoch üppigst dotierte Ersatzauftritte gefunden, wo sie noch dazu vor einem völlig kritiklosen Auditorium singen dürfen. Ich meine einerseits Oman, Dubai, Katar sowie Peking und Shanghai in aufblühenden China. Es geht den Machthabern dieser Staaten, Scheichtümer und Emirate vor allem um eigenen Repräsentationsglamour. Darum, der restlichen Welt zu zeigen, was man sich selbst leisten kann; und darum, damit die ideologische Vorherrschaft zu dokumentieren. Von Netrebko, Kaufmann, Flórez, Fleming bis zu Domingo trifft man Stars allmählich öfter dort als in den alten, traditionellen Opernhäusern Europas oder der New Yorker Met. Die Honorare der Künstler sind im Nahen und Fernen Osten grenzenlos höher als in den Opernhäusern, in denen sie sich ihren Namen gemacht haben.
Aber auch gastierende Opernhäuser wandern sehr gut bezahlt in den Fernen Osten. Hauptsache, die Produktionen werden von weltbekannten Veranstaltern hergestellt und gespielt. So wie Wagners „Walküre“, die heuer von den Salzburger Osterfestspielen unter dem Verkaufszeichen „Regie Karajan (†)“ nach Peking verscherbelt wird.
Über Antipathien und Tatsachen
Der Fisch stinkt vom Kopf her
In Rumänien ticken die politischen Uhren eben anders
Gastkommentar. Der jüngste Wahlsieg der Sozialdemokraten kommt nicht überraschend.
(von Ioan Holender)
In Rumänien ist alles anders: Während in nahezu allen europäischen Ländern und ausnahmslos in allen Staaten der EU bei Parlamentswahlen eine klare Tendenz zu Konservativen und Rechtenparteien geht, haben die Sozialdemokraten (PSD) in Rumänien einen überwältigen Sieg von über 45 Prozent der Stimmen erlangt.
Die Wahlbeteiligung war zwar mit unter 40 Prozent äußerst niedrig, und von den fast 800.000 im Ausland lebenden Rumänen haben nur etwa zehn Prozent gewählt. Doch der eindeutige, klare Sieg des Parteiführers Liviu Dragnea steht außer Debatte. Ebenso eindeutig wird Dragnea der nächste Premierminister sein, trotz der Tatsache, dass er bereits rechtsgültig wegen unerlaubter Parteifinanzierung - auf Bewährung - verurteilt wurde.
Wahlen kümmerten Rumäniens Parteien und Parlamentarier schon immer sehr wenig. Und für die Wähler sind die vielen Parteien (meist nur auf wenige Buchstaben verkürzt wie PNL, USR, UDMR, usw.) nur schwer identifizierbar. Wichtig für die mehrheitliche Landbevölkerung ist vor allem, wer ihr Bürgermeister ist. Denn von diesem hängen ihre unmittelbaren Lebensinteressen ab.
Weit verbreitete Korruption
Auch die Person des Staatspräsidenten ist von Interesse, in der breiten Volksmeinung stehen die Staatschefs irgendwie immer noch in der Nachfolgen des früheren allmächtigen Nicolae Ceausescu. Der amtierende Präsident, Klaus Johannis, unterstützte
die von ihm installierte sogenannte Technokratenregierung und hoffte, dass Dacian Ciolos als parteiloser Regierungschef zusammen mit der Nationalen Liberalen Partei (PNL) weiter an den Macht bleibt.
Rumänien ist in der bevorzugten Situationen keine Migranten zu haben. Die Medien berichten auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, dass ein paar Syrer an der serbischen Grenze in Rumänien gelandet seien, und als sie sich dessen bewusst wurden, geweinten hätten.
Aber Rumänien erfreut sich der höchsten wirtschaftlichen Wachstumssteigerung von allen EU-staaten. Der große natürliche Reichtum des Landes und die Tatsache, dass Rumänien nach dem Fall Ceaușescus schuldenfrei war, ermöglicht dies - trotz der verbreiteten Korruption, Bestechlichkeit und der Diebstähle.
„PSD wird und nicht wehtun“
Freilich ist das Land 26 Jahre nach der Revolution noch immer unterentwickelt. Riesige Summen aus der EU konnten entweder nicht verbraucht werden oder wurden in hohem Maß gestohlen, wie z.B. für den Bau von kaum existierenden Autobahnen im Land.
Die Sozialdemokratische Partei gibt den nicht wissenden und auch nicht wissen wollenden Wählern wenigstens die Sicherheit, dass sie ihnen nichts wegnimmt. Die PSD äußert sich lautstark und vernehmbar gegen die Auslandsinvestoren - in Rumänien immer noch ein verdächtigter Begriff. Dass der künftige Regierungschef wegen Korruption verurteilt wurde, interessiert genauso wenig wie die oft vorkommende Wiederwahl von verurteilten oder angeklagten Bürgermeistern. Denn korrupt oder bestechlich zu sein ist ja nichts Schlimmes, so eine in der rumänischen Bevölkerung weit verbreitete Meinung – das sind ja sowieso alle, die die Möglichkeit dazu haben.
Kaum jemand im Land glaubt, dass die Lebensbedingungen besser werden und dass die politischen Machthaber korrekt sind. Die Begabten und die Fleißigen gehen ins Ausland, die anderen haben Angst, dass es durch politische Kräfte und Parteien, die sie nicht kennen, noch schlechter wird: „Die PSD gab es immer schon seit 1990. Sie wird uns auch künftig nicht wehtun, also wählen wir sie.“
Magazin News, 48|2016
Geht Ökonomie vor Demokratie?
Die Uhren sind in Kuba im Jänner 1959 stehen geblieben – im selben Monat, als ich nach Österreich gelangte. So ähnlich wie in Ostdeutschland 1947, wo sie 1989 durch den Fall der Mauer wieder ins Laufen kamen. In Kuba ticken die Uhren noch immer nicht frei, aber hoffnungsvoller. Doch der Tod der neunzigjährigen Revolutionsführers Fidel Castro, welcher Angst und Schrecken, Armut und Missachtung der Menschenrechte in sein Land brachte, macht den lang herrschenden und blutigen kommunistischen Diktator derzeit nahezu zu einem Heiligen. Der bis dato letzte österreichische Bundespräsident sagt, er sei von Castros Persönlichkeit und Ausstrahlungskraft (!) beeindruckt gewesen, und Doris Bures, die gelegentlich auch Bundespräsidentenersatz spielt, meint, der von uns Gegangene wäre für viele Menschen die Hoffnung auf eine auf eine gerechtere Welt gewesen. Ich verstehe zwar, dass die wesentlichen Staaten sich im wirtschaftlichen Wettbewerb darum befinden, im unterentwickelten, doch wirtschaftlich offenen kommunistischen Kuba durch Auslandsinvestitionen rasch viel Geld zu verdienen. Doch muss man deshalb jede moralische Ethik und unsere demokratischen Grundsätze derart außer Acht lassen?
Magazin News, 46|2016
Unnötiges vermehrt sich
Magazin News, 44|2016
Nachgedanken zum 26. Oktober
Es haben in der Vergangenheit schon Bedeutendere ihre kritische Meinung über die fragwürdige Entscheidung geäußert, den 26. Oktober zum österreichischen Nationalfeiertag zu erheben. Unberücksichtigt blieb der 27. April 1945, an dem Österreich von den Alliierten befreit wurde. Am 26. Oktober 1955 trat die Neutralität in Kraft, und die letzten Truppen jener vier Länder, die unserem Staat die Wiedergeburt als Österreich ermöglichten, hatten das Land verlassen. Dank der Geschicklichkeit und Trinkfestigkeit von Außenminister Leopold Figl in den Verhandlungen verließ der letzte Kämpfer der Roten Armee unser Land, und der Auftritt auf dem Belvedere-Balkon wurde Geschichte. Die Absenz eines Oberbefehlshabers, sprich: Bundespräsidenten, hätte heuer die singuläre Gelegenheit geboten, diesen Feiertag einmal nicht mit dem Aufmarsch der Reste unseres glorreichen Bundesheers zu feiern. Aber man behielt auch dies so bei, wie es immer war. Wie wohltuend wäre es gewesen, statt einer Leistungsschau von Bewaffneten und Waffen am selben Platz eine Leistungsschau von Kultur und Kulturtragenden zu veranstalten. Das Kulturland Österreich wäre dadurch gewiss repräsentativer und auch sympathischer abgebildet worden.
Magazin News, 42|2016
Der Nobelpreis für Musik
Magazin News, 40|2016
Ein würdiger Abschluss
Nicht ohne Skepsis versuchte ich an der Menschenmenge beim Eingang des Raimundtheaters vorbei in den Zuschauerraum zu gelangen. Fernsehkameras und der rote Teppich für verblasste Starlets versperrten den Weg für „einfache“ Besucher, aber solche waren ja kaum da. Im Musical „Schikaneder“ wird der gefährliche, weil falsche Satz „Wenn man das Geld beim Fenster hinauswirft, kommt es bei der Türe vermehrt herein“ zwar oft gesagt und gesungen, doch die Produktion ist keineswegs opulent. Der mitinszenierte Zwischenapplaus samt Bravorufen begann schon nach der Ansage, doch ebbte diese störende Maßnahme im Lauf der Vorstellung ab. Denn die Geschichte ist gut erzählt. Es war wirklich nicht alles Gold, was die Vereinigten Bühnen Wien auf dem Musicalgebiet so alles herausbrachten, aber diesmal gelang Erstaunliches: Oper, Tanz, Kunst und Schauspiel durchdringen einander, es wird gut gesungen und gesprochen. Das ist doch schon was, dazu hätte man nach der Premiere das große Buffet im Festsaal des Rathauses (!) für alle Rathausnahen vor und hinter dem Vorhang gar nicht gebraucht, auch die Eigenlobreden nicht. Das Produkt „Schikaneder“ hätte genügt für Thomas Drozdas würdigen Abschied von den VBW.
Magazin News, 38|2016
Nur so ist man richtig wichtig
Ein wichtiger Mann trägt einen Bart, mindestens einen Dreitagebart. Je älter der Mann, desto wildwüchsiger der Bart, um männliche Potenz vorzutäuschen. Die Kopfhaare sind vorne ganz kurz oder kahl, hinten lang und zu einem Rossschwanz gebunden. Der Mann von Welt trägt einen engen, zu kurzen dunkeln Anzug, wobei der Sakkoknopf den Anschein erweckt, dass er gleich platzen wird; dazu möglichst auffallende Sportschuhe oder wenigstens knallbunte Socken. Natürlich hat man(n) zu jeder Tages- und Nachtzeit eine viel zu große Sonnenbrille auf und würdigt seine Umgebung keines Blickes. Doch das Entscheidende – ohne das gehört man einfach nicht zu den wichtigsten Menschen – ist, dass man Stöpsel in den Ohren hat immer und überall mittels Handy – oder, noch besser, Laptop – Gespräche führt. Am besten in öffentlichen Verkehrsmitteln beim ein- und Ausstieg, um effizienter zu stören. Bevorzugte Gesprächsorte sind auch die Ticketschalter am Flughafen und der Durchgang des Fliegers, wobei die Nachkommenden natürlich warten sollen. Der Nachteil ist nur, dass es von solchen Typen immer mehr gibt. So entsteht das Problem, dass wir nicht mehr wissen, wer unter all den Wichtigen der Wichtigere ist.
Magazin News, 36|2016
Die Königin, die keine war
Magazin News, 34|2016
Ein Ruf, der Tradition hat
Über eine Verurteilung des damaligen Präsidenten des Olympischen Komitees, Graf Henri de Baillet-Latour, der mit Hitlers sympathisierte und die NS-Propaganda-Spiele 1936 in Berlin gegen den Protest der freien Welt durchsetzte, haben wir genauso wenig gelesen wie etwas gegen einen seiner Nachfolger, Avery Brundage, der öffentlich bedauerte, dass Hitler die 1940 Deutschland zugeschanzten Winterspiele kriegsbedingt ansagte. Der heutige IOC-Chef Thomas Bach scheint die politisch korrumpierende Tradition weiterzuführen. Vom eher unbedeutender Österreichischen Olympischen Comité haben wir auch noch nie ein bedauerndes oder erinnerndes Wort über die im Jahr 1936 verhinderte Teilnahme der jüdischstämmigen österreichischen Sportler gelesen. Dass Judith Deutschs Schwimmrekord später wieder anerkannt wurde, war nur ein Feigenblatt. Und im Zeichen der politisch korrupten, anpassenden, mutlosen und geldgierigen Weise des IOC wurden die Spiele in Rio, trotz der evidenten und weltweit kritisierten Begleitumstände, unter denen diese stattfanden, genauso kritiklos hingekommen, wir bleiben der Verlogenheit und sem Wegschauen treu, nicht nur, was die mächtige und reiche Olympria-Führung betrifft.
Magazin News, 32|2016
Eine Robe, die alles überstrahlt
Magazin News, 30|2016
Viele Festivals, wenig Publikum
Magazin News, 28|2016
Die leere Hofburg
Mindestens ein Vierteljahr lang wird die Hofburg leer stehen. Die zahlreichen Protokollbeamten, Sekretärinnen, Berater und das Wachpersonal sind de facto bereits arbeitslos, ob weiter bezahlt oder nicht, zu tun werden sie nichts mehr haben. Das Gehalt des zu Wählenden erspart sich die präsidentenlose Republik jedenfalls für mindestens drei Monate. Der ungültig gewählte VdB kriegt ja nichts, und die drei Nationalratspräsidenten, die jetzt auch Bundespräsidenten sind, bekommen nichts dazu. Im Not sind nur manche Festspiele geraten, die der Abgetretene Bundespräsident gern eröffnete. Salzburg hat sich als Ersatz die Erste Nationalratspräsidentin geschnappt; wir können jedoch zuversichtlich sein, dass in Bregenz, Ossiach und anderswo auch uneröffnet gespielt wird. Nur die Militärgarde verliert Auftritte. Und sind die bundespräsidentenlosen drei Monate dann glimpflich vergangen – woran niemand zweifelt -, könne man auf die Idee kommen, dass wir den Posten gar nicht brauchen. Wir würden uns sehr viel Geld ersparen, aus der schönen Hofburg könnte man ein unsere „große Vergangenheit“ illustrierendes Museum machen, das sogar Geld bringt. Und das Ausland würde uns zweifellos ernster nehmen als derzeit.
Magazin News, 26|2016
Jetzt beginnt das ORF-Duell
Der schon lange, viel zu lange amtierende ORF-Chef hat endlich einen Mitbewerber bekommen. Sehr harmonisch war das enge zusammenleben der beiden wohl eher nicht, aber der zweite Mann im Haus sieht und weiß so manches. Würde man evaluieren, was im ORF unter Wrabetz‘ Führung qualitativ geschehen ist, bedürfte es keiner Diskussion mehr um seine weitere Kandidatur. Das bis jetzt Geschehene sagt alles, warum soll es zukünftig anders werden? Aber leider zählt nicht das Ergebnis, sondern die parteipolitischen Sympathien. Christian Kern erklärte Wrabetz bereits zu seinem Kandidaten, und die SPÖ-Stiftungsräte werden ihm wie Schafe bedingungs- und meinungslos folgen. Bei Wrabetz‘ Bestellung war die FPÖ entscheidend, später schwenkte er nach links aus und schluckte brav auch einen roten Pelikan, den er allerdings bald ausspucken musste. Der ORF-Konsument, der seine Gebühren zahlt, versteht nicht, wofür, und schon gar nicht, warum Vorhandenes nicht besser werden kann. Auch ohne Gerd Bachers Bonmot, dass der amtierende stets der schlechteste Chef sei, den der ORF je hatte, wissen wie ORF-Zuschauer, was wir zu sehen bekommen, und hoffen auf Besseres. Interessiert das die Politfunktionäre gar nicht?
Magazin News, 22|2016
Nach seinem Übereifer in Sachen Grenzzaun-Bauen baut der Verteidigungsminister von der SPÖ jetzt auch seine künstlerisch-musikalischen Ambitionen teuer aus. Die zum Teil leer stehenden Kasernen sollen „auf unbefristete Zeit“ erhalten bleiben, und die Zusammenlegung der Militärmusik ist ebenfalls vom Tisch, denn bis zu 47 Musikanten soll jedes Bundesland weiter besitzen. Darüber hinaus soll dieser essenzielle Teil der österreichischen Mentalität – ein Wahrzeichen unseres Musiklandes und unserer Republik – durch die Wiener Philharmoniker geadelt werden, indem der pensionierte Vorstand des Vereins ein inhaltliches Konzept zum Weiterbestand der Militärmusik zwar „kein primäres militärisches Ziel“ sei, sie aber eine „hohe traditionelle Bedeutung“ habe. Na, das wenigstens hören viele freudig. Somit wird versucht, die verlorenen Sympathiewerte des noch schwächeren Koalitionspartners zu Verstärkern, indem man die momentan mit eigenen Sorgen beschäftigten Verbündeten – unter dem Vorwand, zum Wohl des Musiklandes Österreich zu agieren – ausnützt. Wenn wir schon Flüchtlinge dulden müssen, dann doch wenigstens auch staatseigene Militärmusikanten.
Magazin News, 20|2016
Im August 1944 fand bei den Salzburger Festspielen, die nach Goebbels‘ Dekretierung des „Totalen Krieges“ nicht mehr abgehalten wurden, die Generalprobe von Richard Strauss‘ letzter Oper „Die Liebe der Danae“ statt. Der Komponist verdankte diese Ausnahme dem Überredungsgeschick seines Lieblingsdirigenten Clemens Krauss, der dies bei seinen Berliner Parteigenossen durchsetzte. Wilhelm Sinkowicz schreibt in der „Presse“ heute (!) mit offenbar tränenerstickter Feder darüber, dass der achtzigjährige Strauss mit tränenerstickter Stimme dankte und glücklich war, auch diese Oper zumindest einmal noch gehört zu haben. Wie gesagt im August 1944. Und die Salzburger Festspielpräsidentin schreibt heute (!), die Geschichte rund um die abgesagte Uraufführung im Jahr 1944 zeige die Rolle der Festspiele, bei denen Opfer und Täter zusammengekommen seien. „Da saßen die, die gegen Hitler gekämpft haben, und jene, die sich blenden ließen, nebeneinander“. Die Generalprobe fand natürlich als geschlossene Veranstaltung, nur für geladene Gäste, statt. Und jene Menschen, welche gegen Hitler gekämpft hatten, waren damals in den Konzentrationslagern oder meistens bereits tot. Und das sollte doch die Frau Festspielpräsidentin heute wissen.
Magazin News, 18|2016
Gar nichts kann und wird der am 22. Mai neu gewählte Bundespräsident ändern können. Er wird genauso irrelevant bleiben, wie alle seine Vorgänger es waren. Aber diese Wahl war wichtiger als je zuvor, indem die wählenden Menschen sehr deutlich den Wunsch geäußert haben, dass sie nicht mehr von den „Großparteien“ regiert werden wollen. Die Unzufriedenheit mit der Verteilung der Prüfende an ihre Sympathisanten im öffentlichen Bereich wurde klar bewiesen. Ob Flüchtlinge, Gesundheit, Bildung, Kultur, Bundesheer, ORF oder EU – wie es ist, will man es nicht weiter haben. Wie die führenden Personen der Regierenden heißen, ist wahrlich nicht das Anliegen jener, die gewählt haben. Weder ein anderer Faymann noch ein anderer Mitterlehner kann etwas verändern, genauso wie diese selbst es auch nicht können. (Auch mit anderen Kandidaten als dem mit der rot-weiß-roten Krawatte oder jenem mit dem traurig-resignierenden Blick wäre das Wahlergebnis nicht anders ausgegangen.) Ob das angenehm ist oder nicht, nur sofortige Neuwahlen wären eine ernsthafte Reaktion und würden Verständnis zeigen für das, was die Menschen in diesem Land ausgedrückt haben. Wer von den beiden Herren dabei der neue Bundespräsident sein wird, ist sekundär.
Magazin News, 16|2016
Wir werden in den Flugzeugen zwar – ähnlich wie überall – mit Musik berieselt, doch wehe, ein Musiker will mit seinem Instrument reisen. Kontrabässe und Celli kann man nicht als normales Gepäck aufgeben, denn die Versicherungen stufen dies als grob fahrlässig ein und zahlen bei einer Beschädigung nichts. Nimmt der Cellist sein Instrument mit, muss er einen zweiten Sitz kaufen, zuzüglich Flughafensteuer und Gebühren, obwohl Mrs. Cello weder isst, trinkt noch aufs Klo geht. Bucht der Musiker ein Business-Ticket, muss sein Instrument neben ihm sitzen und voll zahlen. Ehepartner könnten in verschiedenen Klassen buchen, das – Cello nicht. Jetzt darf man bei vielen Fluglinien auch keine Geigen mehr mitnehmen – obwohl der Geigenkasten samt Instrument kleiner und viel leichter ist als ein Koffer und selbstverständlich im Gepäckfach Platz findet. Sogar auf Geigenbögen wird Jagd gemacht, denn in manche ist ein drei Zentimeter langes Stück Elfenbein eingearbeitet, dessen Transport den Artenschutz verletzt. Internationale Petitionen der Musiker sind im Laufen, die EU interessiert sich nicht dafür, denn es geschieht in der Luft und nicht am Boden, wie die Krümmung der Gurken. Und was sagt unsere „friendly Airline“ im Musikland Austria dazu? Nichts.
Magazin News, 14|2016
Niemand will die sinnlose Uhrenherumdreherei zweimal im Jahr machen, aber wir müssen. Warum eigentlich? Weil es seit 36 Jahren so ist. Damals wurde die Sommerzeit von Kreisky, Androsch und der Energieagentur zum Sparen von Heizung und Licht erfunden, obwohl dies schon damals nicht bewirkt hat – außer Ärger für Mensch und Tier. Ärzte sagen, dass Schlafstörungen oder Stimmungsschwankungen auftreten. Herz-Kreislauf-Patienten sind besonders gefährdet, und Kühe geben mehr oder weniger Milch durch die Störung ihres gewohnten Rhythmus. Eingeführt wurde die Zeitumstellung 1916, im Zuge der energieintensiven „Materialschlacht“. 1919 schaffte Deutschland die ungeliebte Maßnahme ab, um sie 1940, wiederum zu Kriegswecken, auch in den besetzten Gebieten wieder einzuführen. Zwischen der Ölkrise 1973 und 1996 wurde die Sommerzeit hin und her an- und abgeschafft, bis die EU sie überall verordnete. Medizinische Studien zeigen, dass durch die Vorverlegung der Zeit der Hormonspiegel bis zu viereinhalb Monate braucht, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Fazit: Die Zeitumstellung ist schlecht für Mensch und Tier. Wenigstens diesen Unsinn könnte die EU leicht wiedergutmachen.
Magazin News, 12|2016
Weine nicht, Steuerzahler, denn es hilft leider nicht. Die Subventionsmillionen für mäßige Unterhaltung mit riesigem Aufwand für immer weniger Menschen werden mit Ihrem Steuerbeitrag trotzdem bezahlt. Das geschieht zwar weltweit nirgends, doch Österreich ist eben anders. Schon bei der extrem teuren Renovation des Etablissements Ronacher warnten Kundige, dass die Gattung Musical nichts Neues mehr bringe. Aus Angst, mit neuen Musicals wieder keinen Erfolg zu haben, spielt man Bekanntes mit inferioren Darstellern, teurer, doch nichtssagender Ausstattung und ohrenbetäubender akustischer Verstärkung der Darsteller und des üppig besetzten Orchesters. Erfolg heißt hier lediglich, wie viele Menschen ins teuer renovierte Ronacher kommen, und nicht, wie viele Eintrittskarten die Besucher zum vollen Preis kaufen. Die Premiere ist ein "Seitenblicke"-Ereignis, bei dem man sogar ein verblasstes Musicalsternchen mit neuer jugendlicher Begleitung bestaunen kann. Doch für die feierliche Zusammenkunft von ehemaligen Berühmtheiten - besser gesagt, solchen, die sich dafür halten - und pensionierten Bühnenleitern, die samt den Musicals gealtert sind, muss man nicht versuchen, eine ganze Gattung künstlich am Leben zu erhalten.
Magazin News, 10|2016
Musiker (Akkordeon, Violine, Kontrabass) die gesamte Partitur von Georges Bizets „Carmen“. Mit bloß vier Sängern und einem phänomenalen Tänzer-Darsteller wird die blutige Liebesgeschichte in hoher Qualität dargeboten, wobei die Sängerin der Titelrolle, Natalia Kawalek, gesanglich und darstellerisch eine echte Entdeckung ist. Nach jahrzehntelangem Dornröschenschlaf ist im Theaterkeller am Fleischmarkt durch die künstlerische Leitung des Duos Geyer-Schwarz in kurzer Zeit ein konkurrenzfähiges Kleinod großer Opernkunst entstanden, welches von alten und sehr vielen neuen, jungen Opernbesuchern überrannt wird. Die drei lauten, in Mark und Bein gehenden Zupfer mit dem Eifersuchtsakkord am Bass machten mehr Wirkung als so manches groß besetztes Orchester. Wodurch wieder mit äußerst geringen Mitteln hohe Kunst ermöglicht werden kann. Sogar in der Oper. Sogar in Wien.
Magazin News, 8|2016
In der Auseinandersetzung für oder gegen das Bundesheer war die Pflege der Militärmusik ein Hauptargument der Befürworter. Andere objektive Argumente gab es ja kaum. Die Gardemusik sei eine Bereicherung der Kulturlandschaft, erklären deren Leiter stolz, sie ermögliche jungen Künstlern den Start in Gesangs- und Musikerkarrieren. Viele ehemalige Gardemusiker spielen heute in Berufsorchestren. So gesehen ist es schade, dass Frauen nicht zum Bundesheer müssen, sonst hätten die Philharmoniker vielleicht mehr weibliche Mitglieder. Das Orchester der Gardemusik spielt nicht nur in Festsälen diverser Amtshäuser, sondern auch außerhalb der Residenzstadt, etwa in Stainach-Irdning, und bei den festlichen Anlässen des Bundespräsidenten. Für jeden Präsidenten wird eine Hymne komponiert; die Musikwelt wartet schon gespannt auf die Komposition für den nächsten Amtsträger. Das Aufspielen bei namhaften Bällen – Ball der Pharmazie, Ball des Grünen Kreuzes, Ball der Offiziere natürlich – ist aber die Hauptbeschäftigung der braven musikalischen Rekruten. Nach der Ballsaison stehen sie ohne Aufritte da. Zum Glück nicht allzu lang, denn bald wird die Gardemusik zur BP-Wahl aufspielen, Präsenzdiener werden statieren. Wie gut, dass Österreich noch ein Bundesheer hat.
Magazin News, 6|2016
Magazin News, 2|2016
Bei der bevorstehenden Bundespräsidentenwahl kann theoretisch jeder Antretende gewinnen. Ob es erstmals in der nicht langen Geschichte, seit wir einen BP haben, eine Frau wird, die sich immerhin schon in der Neujahrsansprache geübt hat, oder ein Tiroler Politveteran, der Österreich "mag", wissen wir genauso wenig wie, ob ein angesehener Herr Professor der Auserwählte wird, der bereits verkünden ließ, dass "euer Präsident" spreche, wenn er spreche. Mit Sicherheit aber wissen wir, dass sich bei einer Volksbefragung über die Notwendigkeit dieses Amtes die Mehrheit dagegen aussprechen würde. Statt sehr viel Geld dafür auszugeben, dass jemand Auszeichnungen vergibt, diverse mehr oder weniger wichtige Veranstaltungen eröffnet und am Operball und andernorts den Ehrenschutz übernimmt, könnte man die Obliegenheiten des Bundespräsidenten in jährlicher Rotation einem der amtierenden Landeshauptmänner übergeben und den Titel des Oberbefehlshabers des schwindenden Heeres dem sowieso unterbeschäftigten Verteidigungsminister übertragen. Dann würde man auch skurrile Kandidaten a la Rosekranz, Lugner u.a. vermeiden. Damit man auch einem Teil des schwarzen Volkswillens entspricht, könnte der Darling von NÖ nebenbei auch Bundespräsident sein, falls er sich nochmals zum Vater der Niederösterreicher küren lässt.
Die Presse, 07.01.2015
Ioan Holender im Interview
DIE KRAFT DES SINGULÄREN EREIGNISSES
Der ehemalige Staatsoperndirektor spricht mit der Kulturzeitung 80 über Intendanten, die wichtiger sind als ihre Festivals; eine Überdichte an Kulturangeboten vor allem in den Sommermonaten, wer dieses wirklich zahlt und warum es keinem Auftrag bedarf, um Dinge umzusetzen.
Wenn man dem Kulturprotagonisten Ioan Holender gegenübersitzt, dann ist von seinem stolzen 80-Jahres-Jubiläum 2015 kaum etwas zu spüren. Der ehemalige und längst amtierende Direktor der Wiener Staatsoper ist nach wie vor voller Tatendrang und wartet gefasst auf die Interviewfragen zur Lage der Kulturnation Österreich. Er bemerkt gleich vorab, dass er den Medien gegenüber immer schon zurückhaltend war, Kulturberichterstattung sehe er kritisch. Im Gespräch ist von dieser Zurückhaltung wenig zu spüren, denn seine Meinung vertritt er unverblümt.
Wie würden Sie als Protagonist der Kulturszene die Lage der Kulturnation Österreich bestimmen?
Wir gehören zu einer der vielen Kulturnationen der Welt bzw. Europas. Bezeichnungen wie DIE Kulturnation oder DIE Musikhauptstadt sind Sebstdeklarationen. In Österreich ist in Bezug auf seine Größe aber von einer besonderen kulturellen Dichte zu sprechen. Vor allem im Sommer, da ist es übermäßig dicht: Festspiele gibt es überall dort, wo ein Wässerchen fließt und Bäume wachsen und alle wollen sie monetäre Unterstützung.
Wie stehen Sie zur aktuellen Förderpolitik? Welche Strategie brachte Ihnen den Ruf „Sparmeister“ ein?
Jeder der ein Kulturprodukt herstellt, braucht dazu Geld und dieses Geld – das darf man nicht vergessen – kommt von den Steuerzahlern. Sponsoren... – lassen wir diese kapitalistische Erfindung. Die Kunsteinrichtungen in Österreich leben größtenteils von Subventionen, die der Steuerzahler zahlt. Wenn zu viel produziert wird, wird es keine Abnehmer geben. Dann wird es sinnlos Geld in etwas zu investieren, das niemand konsumiert. Deswegen gibt es auch hier Grenzen, denn es gibt unverhältnismäßig viel von allem, das produziert und unterstützt werden will. Es ist nicht der Politiker, der unterstützt, nicht der Staat, es sind die Steuerzahler. Es muss also wohl überlegt sein, wofür wir dieses Geld ausgeben. Ich bin nicht dafür jede Initiative mit Fremdgeldern zu fördern. Das klingt sehr hart, nicht „in“, aber man muss dreimal überlegen, wofür das Geld ausgegeben wird. Zu meinem Ruf als Sparmeister: Ich habe nie gespart, ich war nur nie bereit Geld auszugeben für Dinge, die ich moralisch nicht verantworten konnte.
Was könnten Sie zum Beispiel nicht verantworten?
Nehmen wir ein Festival aus der Steiermark als Beispiel: Die Styriarte hat eine überlokale Bedeutung erlangt über nur eine Person, den Dirigenten Nikolaus Harnoncourt. Er wird das aber auch nicht ewig machen. Wenn sich die Styriarte nur durch die Einwirkung eines Künstlers diesen Ruf erworben hat und daraus seine Daseinsberechtigung bezieht, dann ist die Politik des Festivals in Frage zu stellen, dann war sie falsch. Was macht man dort, wenn er nicht mehr dirigiert? Schließt man es? Das ist beispielhaft für die österreichische Kunstszene. Der Interpret wird wichtiger als das Werk. Das ist sehr gefährlich. Und bei der Styriarte habe ich Dinge erlebt, die unverhältnismäßig waren, wie, zum Beispiel, eine Carmen-Produktion in der Helmut-List-Halle, die dann schnell wieder von der Bildfläche verschwunden ist.
In welcher Form können sich Festivals wie die Styiarte auszeichnen?
Festspiele haben den Anspruch auf Singularität, während man in der Oper 20 Jahre lang den gleichen Titel spielen kann. Der Gedanke der Kooperationen ist „in“, aber der Anspruch sollte in Richtung Eigenproduktion gehen. Künstlerische Arbeit ist eine kreative Arbeit und eine eigenständige Inszenierung, die nicht überall herumgeschickt werden soll. Man sollte ja auch nicht Werke des steirischen herbstes an vier anderen Orten sehen. Es ist aber so wie in der Wirtschaft: Immer weniger gehört immer mehr. Immer weniger wird produziert und ökonomisch verteilt. Das ist schlecht.
Welche Rolle spielt das Fernsehen für die mediale Präsenz?
In öffentlichen Leben Rumäniens bin ich sehr präsent, weil es ja einen eigenen Kulturkanal gibt, in dem ich öfters auftrete. Auch in Russland spielt das Fernsehen als Kulturmedium eine wesentliche Rolle. Im Hauptabendprogramm wird aktuell ein Opernwettbewerb von Sängern ausgetragen. Der ORF hat vielleicht auch einen Bildungsauftrag, aber der wird nicht eingehalten. Als ich noch die Oper geleitet habe, habe ich mich furchtbar aufgeregt. Am Ende von Zeit im Bild sollte immer ein kurzer Kulturbeitrag kommen, aber der blieb oft aus. Und es gab Opernübertragungen zu Zeiten, wo kein normaler Mensch zuschaut. Und ich sagte, ich will das nicht, lassen wir das. Ich kann zwar nicht über die Sendezeit bestimmen, aber meine Ware lass’ ich nicht in Zeitungspapier einpacken und irgendwo in das hintere Eck der Vitrine stellen. Die schlechte Quote fällt mir auf den Kopf. Bei ServusTV gibt es diese Form der Aufträge nicht, da investiert man wirklich. Wenn sie anfangen nur für Einschaltquoten zu arbeiten, wird es nur schlecht. Wenn es gut ist, spricht es sich schon herum.
ÖMZ, Österreichische Musikzeitschrift 05/2014
„Zusammengewachsen – 25 Jahre nach der Wende widmen“
Profil, September 2014
Salzburg sollte die Gelegenheit nutzen
Salzburger Nachrichten, 02.05.2014
Ioan Holender gebietet Einhalt
Die Salzburger Festspiele wollen einen „Millionenbetrag“ an zusätzlicher Subvention von den staatlichen Geldgebern. Der einstige Direktor der Wiener Staatsoper erwidert energisch.
Hedwig Kainberger Das jüngste Ersuchen der Präsidentin der Salzburger Festspiele hält Ioan Holender für „unmäßig“. Helga Rabl-Stadler hat die Geldnot ausführlich argumentiert: So seien steigende Preis- und Gehaltsniveaus mit Subventionen in der gleichen Höhe wie 1998 nicht zu finanzieren.
Daher drängt sie für 2015 auf Erhöhung der Zuwendungen um einen „Millionenbetrag“. Ioan Holender, früher Direktor der Wiener Staatsoper, ermahnt hingegen zu „Verzichtbereitschaft für das Unwesentliche“. Was meint er damit?
Halten Sie diese Forderung für richtig? Holender: Ich hielte es für richtig, wenn in allen Kulturinstitutionen – auch in Salzburg – die obligatorischen Bezugserhöhungen über Subventionen ausgeglichen würden. Allerdings sind viele Mitarbeiter auf Bühnen und in Werkstätten der Salzburger Festspiele woanders angestellt und haben nur für den Sommer in Salzburg befristete Zusatzverträge. Die sind frei verhandelbar. Auch Künstlergagen sind an keine Kollektivverträge gebunden.
Daher betrifft die Salzburger Festspiele der unausweichliche Kostenzuwachs für Festangestellte nur in geringem Ausmaß.
Ein „Millionenbetrag“ als Erhöhung wäre zu viel? Ich will mich nicht auf Zahlenspiele einlassen, aber ich fordere Verständnis für die allgemeine Lage im Land. Und ich frage: Wie groß ist die moralische Rechtfertigung von mehr Geld für Opern, Konzerte und Theater im Sommer, wenn Schulklassen vergrößert und Lehrer schlechter bezahlt werden, wenn Ärzte in Spitälern zu viel arbeiten und die Zahl der Polizeistationen reduziert wird?
Aber problematisch ist auch die Inflation. Die Festspielsubvention hat deswegen seit 1998 ein Drittel an Kaufkraft verloren. Aber wenn es stimmt, dass eine Opernproduktion der Salzburger Festspiele eine Million Euro kostet (wie dies Intendant Alexander Pereira im Zuge der Verkäufe nach Mailand erläutert hat, Anm.), dann ist das ungeheuerlich.
Wie viel kostet Ihrer Erfahrung nach eine Opernproduktion? In der Wiener Staatsoper oder anderen großen Häusern liegt das bei 400.000 bis 500.000 Euro. Wenn ein Intendant den Regisseuren und Bühnenbildnern alles gibt, was sie fordern, wird es halt teuer. Diese Kosten sind steuerbar. Außerdem: Nicht alles Neue und Teure ist gut.
Was macht eine Oper gut? Vor allem die Besetzung (Sänger, Anm.) sowie der künstlerische Ertrag der Vorstellung, der nicht unbedingt größer wird, wenn alles immer neu inszeniert wird.
Wenn man nicht Anna Netrebko engagierte, könnte man einen Polizisten retten? Ach was! Zu meiner Zeit betrug die Höchstgage pro Sänger und Auftritt 13.200 Euro, die war viele Jahre unverändert und wurde an der Wiener Staatsoper nie überschritten. Ich weiß nicht, ob das noch hält. Aber ob einer der vier oder fünf Weltstars 14.000 oder 15.000 Euro bekommt, ist nicht entscheidend, weil es künstlerisch enorm viel bringt.
Das heißt: Die Salzburger Festspiele sollten weniger neu produzieren und mehr wiederaufnehmen? Genau. Zudem ist bei neuen Inszenierungen mehr als bisher auf Qualität zu achten. Denken Sie zurück an die „Zauberflöte“ in der Felsenreitschule, die wurde über 100 Mal gespielt, oder den „Figaro“ von Ponnelle, der war von 1972 bis 1988 immer gut verkauft. Ich sehe keinen Grund, warum das heute anders sein sollte. Allerdings: In Salzburg muss man auch Modernes machen. Man muss hier das Ungewohnte wagen, was nicht von vornherein und mit Sicherheit gut verkäuflich ist. Denn das gehört zum Wesentlichen der Salzburger Festspiele. Was gehört noch zum Wesentlichen? Dass sie künstlerisch hochwertig in Darbietung und Leitung sind. Allerdings fordere ich mehr Verzichtbereitschaft für das Unwesentliche. Was meinen Sie damit? Zum Beispiel Spielorte, die nicht den Salzburger Festspielen gehören. Wenn das Geld knapp wird, kann man sich halt ein paar Jahre den Residenzhof nicht leisten. Und wenn die Pernerinsel nicht bespielt wird, geht die Welt auch nicht unter. Ich erkenne kein Unglück für die Salzburger Festspiele, wenn sie sich auf ihre Festspielhäuser konzentrieren. Wenn man sich’s leisten kann, solche besonderen Orte zu bespielen – bitte sehr! Aber heutzutage dafür mehr Geld vom Staat zu fordern, das ist unmäßig.
Aus Sicht der Staatsoper reden Sie sich leicht. Diese hat etwa 55 Prozent Subventionsanteil, die Salzburger Festspiele haben 20 Prozent. Die Ausgangssituation zwischen einem Ganzjahresbetrieb und einem Sommerfestival ist radikal anders. Und was die Salzburger Preise betrifft, ist das auch fraglich. Die sind mit 420 Euro für eine Opernkarte zutiefst asozial.
Sie nennen nur die teuerste Kategorie. Zudem: In der Wiener Staatsoper wird eine Karte mit rund 90 Euro subventioniert, bei den Salzburger Festspielen mit etwas über 50 Euro. Genau Ihr „zutiefst asozial“ spricht doch für mehr Subvention! Mein Aufruf lautet: Schauen wir in diesem Land auf das, was alles nicht finanziert werden kann. Wir sind nicht eine Insel der Kunst, die sich erlauben darf, alles zu fordern. Ich verlange mehr Konzentration auf Qualität und auf das Vorhandene.
Bisher haben Alexander Pereira und Helga Rabl-Stadler die Geldnot mit immer mehr Geld von Sponsoren und Mäzenen wettzumachen versucht. Ich halte das für keine gute Entwicklung. Denn für wen sollen wir den Zugang zu Kunst ermöglichen? Vor allem für jene, die Neugierde und Interesse haben, und nicht für Kunden von Sponsorfirmen.
Seit 2012 ist der Anteil von Sponsoren und Mäzenen höher als jener der staatlichen Subvention. Erachten Sie diesen Privatanteil als zu hoch? Ja – und gefährlich, weil unsicher.Auch dies spricht für mehr Subvention. Damit wäre das Sponsoring zu verringern. Jede Institution soll nur ausgeben, was sie hat. Und für die Festspiele sehe ich da die Misere nicht in dem Maß, wie sie dargestellt wird. Sie sollen Wichtiges und neugierig Machendes bieten, sich aber auf die eigenen Spielstätten konzentrieren. Man soll Kosten pro Neuproduktion drosseln, weniger neu inszenieren und mehr wiederaufnehmen.
Folgte man Ihrem Rat, gäbe es weniger Vorstellungen, weniger Beschäftigte, weniger Besucher. Dann würde der Staat weniger an Steuern und Abgaben einnehmen, als eine zusätzliche Subvention kostet. Diese total kapitalistische Denkweise! Dass wir nur Kunst produzieren, damit andere Geld scheffeln, ist so etwas von gegen den Urgedanken Hugo von Hofmannsthals und Max Reinhardts! Mit diesen Überlegungen, womit wir Geld machen, entfernen wir uns immer mehr von der Kunst. Immer nur Geld, Geld, Geld.
Salzburger Nachrichten, 13.01.2014:
Immer neue Details über etwaige Malversationen im Burgtheater seien "schlecht für alle", warnt Ioan Holender, einstiger Direktor der Staatsoper.
Ioan Holender, der einstige Direktor der Wiener Staatsoper, drängt auf rasche und umfassende Aufklärung von etwaigen Malversationen im Burgtheater. Was bisher in Medien kursiere, sei "sehr verwirrend". Und wenn jeden Tag in einem anderen Medium neue angebliche Fakten, Vermutungen oder Gerüchte auftauchten, sei das "schlecht für alle", sagte Ioan Holender auf Anfrage der "Salzburger Nachrichten". Vor allem Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) sei aufgerufen, "dass man den Bürgern möglichst bald Klarheit gibt" über Vorgänge in Österreichs größtem und am höchsten subventionierten Sprechtheater.
Öffentliche Aufklärung sollte es möglichst rasch insbesondere darüber geben, welche Fehler in der Geschäftsführung des Burgtheaters passiert seien, welche Folgen dies habe und wie viel Geld davon betroffen sei, sagte Ioan Holender. Aufklärungsbedürftig seien auch die Gründe der Entlassung von Silvia Stantejsky. Diese war nur bis März 2013 kaufmännische Direktorin, ab dann allerdings nur noch als Vizedirektorin die Stellvertreterin von Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann und somit nicht mehr unmittelbar in der Geschäftsführung.
"Warum ist sie jetzt (im Dezember, Anm.) entlassen worden?" Zum Zeitpunkt der Entlassung sei Silvia Stantejsky ja längst nicht mehr kaufmännische Leiterin gewesen. "Wurde sie für etwas entlassen, was sie gar nicht mehr war? Warum?"
Erachtet er für diese Aufklärung eine mehrwöchige Analyse durch externe Wirtschaftsprüfer als erforderlich? Nach dem, was bisher bekannt geworden sei, gehe er davon aus, "dass die Involvierten wissen, was passiert ist", erwidert Ioan Holender. Und "die Involvierten" müssten nun deutlich, ausführlich und stichhaltig über die Ursachen und Folgen der Entlassung aufklären.
Wer sind "die Involvierten"? Er wolle niemandem in den Rücken fallen und nicht den Richter spielen, versichert Ioan Holender. Aber primär sei dies die Aufgabe der Burgtheater-Direktion, insbesondere also von Direktor Matthias Hartmann. Wenn dieser allerdings sage, sein Anwalt habe ihm geraten, nichts zu sagen, "müssen wir halt warten". Allerdings: Wenn ein Anwalt Derartiges rate, "schaut es eher nach Gericht aus".
Müssten nun publik gewordene Unregelmäßigkeiten oder Schlampereien in der kaufmännischen Geschäftsführung nicht längst einem betriebsinternen Controlling, der Revision, der Bundestheater-Holding als Eigentümerin sowie dem Aufsichtsrat aufgefallen sein? "Als Direktor brauche ich keinen Aufsichtsrat, um zu wissen, wie es läuft", kontert Ioan Holender. "Ich halte nicht viel von diesen außen stehenden Kontrollen. Im eigenen Betrieb müssen die beiden, die das leiten, am besten wissen, was geschieht."
Jedenfalls: Wenn da ein Angestellter dem Theater Geld borge oder vorstrecke, "ist das sehr bizarr". Wäre dies in der Staatsoper unter seiner Direktion möglich gewesen? "Nein. Das schließe ich aus", versichert Ioan Holender. "Dass mein kaufmännischer Leiter, Thomas Platzer, derartige Kontobewegungen gemacht hätte ohne mein Wissen, das schließe ich aus - egal in welcher Größe."
Erstens hätten er und Thomas Platzer "immer volles Vertrauen" zueinander gehabt. Zweites erinnert Ioan Holender daran, dass Burgtheater wie Staatsoper ausgegliederte Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) seien, und für jeden Geschäftsführer einer GmbH gälten strenge Haftungen - "egal ob das eine Fabrik ist, die ÖBB oder eine Oper oder ein Theater; da gibt es keine Unterschiede". Daher trage jedes Mitglied einer Geschäftsführung Gesamtverantwortung. "Man weiß, was man hat und was man ausgibt. Ich hätte nie mehr ausgegeben als das, was ich hatte."
Was Holender als "sehr bizarr" bezeichnet, basiert auf einer Meldung von "profil". Demnach soll Silvia Stantejsky, die über dreißig Jahre im Burgtheater gearbeitet hat, aus ihrem Privatvermögen dem Staatstheater eine fünfstellige Summe vorgestreckt haben, die dann auf ihr Privatkonto rücküberwiesen worden sei. Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann versicherte am Montag im ORF-"Mittagsjournal", er habe das nicht gewusst und auch nicht unterschrieben. Er verlasse sich auf die Kaufleute in seinem Büro. "Ich hab mit Buchungen nichts zu tun."
Der Standard, 19.12.2013:
Neujahrskonzert: Steuergelder unterstützen Turbokapitalismus
Auf der Online-Ticketbörse „viagogo“ kann man also noch Karten für das ausverkaufte Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker in nahezu allen Preislagen kaufen. Eine Stehplatzkarte, welche im normalen Verkauf 30 Euro kostet, wird um 999 Euro angeboten und ein Sitz im Parterre um 30.000 Euro (mehrere Hundert Prozent Aufschlag). Die Preise werden laut der Online-Ticketbörse „vom Verkäufer bestimmt“.
Das gewinnbringende Geschäft wird aber auf dem Rücken der Wiener Philharmoniker getätigt. Diese treten zwar als Privatverein auf, deren sämtliche Mitglieder sind jedoch vom Steuerzahler erhaltene Mitglieder des Staatsopernorchesters. Als solche werden deren Lebenserhaltungskosten gesichert und als solches beruht das als Folge des Turbokapitalismus entstandene fragwürdige Geschäft auf Steuergeldern.
Das ist der saure Beigeschmack des populären Neujahrskonzerts, welchen man durch Identitätskontrollen der Kartenbesitzer – so wie es bei den Bayreuther Festspielen gehandhabt wird – verhindern könnte, wenn man wollte. Die Frage ist nur, ob man es auch will.
Die Welt, 24.4.2013:
Lock-Arie des Geldes
Vor knapp zwei Wochen schrieb "Welt"-Redakteur Kai Luehrs-Kaiser an dieser Stelle über sich mehrende Vorwürfe von Intendanten und Dirigenten, die gegenwärtige Generation von Opernsängern und -sängerinnen sei zu schwach. Ein derartige Häufung von Absagen, wie man sie derzeit erlebe, sei früher undenkbar gewesen. "Domingo hätte auf dem Totenbett liegen müssen, bevor er eine Vorstellung abgesagt hätte!", wurde etwa Antonio Pappano zitiert, Chefdirigent des Royal Opera House in London. Nun antwortet einer, der es eigentlich auch wissen muss, Ioan Holender, der erst selbst lange sang und anschließend, von 1991 bis 2010, die Wiener Staatsoper leitete.
Während der Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts begannen die wichtigsten Opernhäuser des deutschsprachigen Raumes, bedeutende Hauptrollen immer häufiger mit Gastsängern zu besetzen und ihre eigenen Ensembles entsprechend zu verkleinern.
Die Ursachen der Entscheidungen, welche allmählich zum heute üblichen, allgemeinen "freien Sängerleben" führten, sind zweierlei: einerseits die ebenfalls nur noch gastierenden Regisseure und deren immer wichtiger gewordene Tätigkeit sowie die ebenfalls als Gäste engagierten, sogenannten Stardirigenten – und andererseits die Sänger selbst. Dass diese sich allerdings jetzt öffentlich über den von ihnen selbst hervorgerufenen Zustand beklagen, ist neu und unbegründet.
Das berufliche Leben eines Sängers ist bekanntlich kurz und die notwendige Vorbereitung dafür lang. Statistisch gesehen dauert ein Sängerleben rund zwanzig Jahre. Ab dem vierzigsten Lebensjahr baut die physische Leistung des menschlichen Körpers allmählich ab, um die fünfzig auf jeden Fall – und zwar in sehr hör- und sichtbarer Weise. Die wenigen und bekannten Ausnahmen bestätigen nur diese anatomisch bedingte Tatsache.
Die Anzahl der subventionierten Opernhäuser und der sich jeden Sommer vermehrenden "Festspiel" genannten Veranstaltungen hat stark zugenommen und steigt weiter. Die Spieldauer der traditionellen, etablierten Festspiele wie Verona, Bregenz oder Salzburg hat sich beträchtlich verlängert. Freiluftkonzerte auf großen Plätzen in Städten und in touristischen Orten mit allerlei Starsängern und sogenannten Freunden – hoch bezahlt und viel beworben durch Bankinstitute und Firmen – werden auch immer mehr.
Festengagierte Ensemblemitglieder werden immer schlechter, gastierende Sänger immer besser bezahlt. Jeder Sänger versucht folglich, so schnell wie möglich aus einem Festvertrag wegzukommen und als Freischaffender zu wirken, um keine der sich bietenden Auftrittsmöglichkeiten zu versäumen. An einem organischen, langfristigen, gefestigten Aufbau seiner Existenz und am Erlernen eines für seine Stimme vorteilhaften Repertoires ist weder der Sänger noch dessen Arbeitgeber – sprich der Intendant – interessiert.
Die einen haben es eilig, rasch möglichst viel Geld zu verdienen und berühmt zu werden, die anderen, also die Theaterleiter, wollen stets neue Attraktionen, um ihre Positionen zu festigen beziehungsweise zu Höherem aufzusteigen. Und die Medien benützen beide Seiten, um möglichst mit stets neuen Sensationen ihre Blätter zu füllen.
Äquidistante, sachliche und kundige Musikkritiker gibt es kaum mehr, die meisten – in der Musikstadt Wien mehr als irgendwo anders – lassen sich durch diverse Vorberichte, Interviews, Reiseempfehlungen und sogar Bücherschreiben über die Protagonisten von diesen selbst bezahlen. Wie kann ein Musikkritiker Negatives über ein Opernhaus schreiben, wenn er ein bezahltes Buch über dessen Direktor schreibt?
Die Sänger sind nicht unzuverlässiger als früher, sie haben nur viel mehr Möglichkeiten, sich auszusuchen, wo sie auftreten, und trotz der allgemein langfristiger gewordenen Planung ergeben sich auch öfter kurzfristige Gelegenheiten, rasch sehr viel Geld zu verdienen. So erhalten auch schnell plötzlich ein bisschen bekannt gewordene Sänger und Sängerinnen für Freiluftveranstaltungen zum Beispiel in der Berliner Waldbühne oder dem Linzer Domplatz oder gar auf einer der viele Seebühnen bis zu zehn Mal höhere Honorare als für die Interpretation einer Rolle auf der Bühne eines Opernhauses. Darüber hinaus singen sie bei solchen Gelegenheiten, was sie wollen, also was ihnen leicht fällt und bequem ist.
Proben für Neuinszenierungen sind heutzutage naturgemäß wichtiger und länger geworden. Dadurch, dass meist überall die gleichen Werke gespielt werden, versucht man, diese durch andersartige Visualisierung attraktiv zu machen. Regisseure sind entscheidende Faktoren für die Wahl der Besetzungen geworden, und sie wünschen sich naturgemäß immer die Sänger, die sie kennen. Theaterleiter machen, was die Regisseure von ihnen verlangen, weil diese ihnen am wichtigsten sind – und so entsteht der langweilige Teufelskreis des immer Gleichen, in letzter Zeit auch durch Koproduktionen zur totalen Gleichmachung degradiert.
Dass dabei manche keine Probenvergütung zahlen, dafür aber entsprechend höhere Abendgagen, ist auch nicht gut und richtig, aber in Anbetracht all der Möglichkeiten und Vorteile, welche Sänger heute weltweit haben, ist dies bei Weitem nicht so arg wie die Gesamtentwicklung des ganzen Systems, verursacht von beiden Seiten.
Replik auf Harald Walser. Aggression über die verschwiegene NS-Vergangenheit der Philharmoniker sollte sich gegen die Richtigen richten.
Zum wiederholten Mal wird derzeit nicht nur in den österreichischen Medien über die bei Weitem nicht gebührend bewältigte beziehungsweise bekannt gemachte Tätigkeit der Wiener Philharmoniker während und nach der NS-Herrschaft diskutiert.
Dass die feierliche Übergabe des Philharmoniker-Ringes an den Kriegsverbrecher Baldur von Schirach im Jahr 1967(!) erst jetzt allgemein bekannt wurde, obwohl der Verantwortliche des Historischen Archivs der Philharmoniker (Clemens Hellsberg, Anm.) –gleichzeitig auch Vorstand des Orchesters – dieses genauso wie manch anderes Relevante in dem 1993 erschienenen Buch „Die Demokratie der Könige“ nicht vermerkt hat, ist doch berichtenswert.
Zudem behauptet er bis heute, es sei alles gesagt und nichts mehr zu forschen.
Wobei dies für jedermann schwierig bis unmöglich ist, weil der Zugang zu besagtem Archiv erschwert oder gar verwehrt wird, was auch medial seit Langem bekannt ist und immer wieder kritisiert wird.
Unbegründet aggressives Verhalten gegenüber Personen, die mehr Licht in die Vergangenheit bringen wollen – sei es seitens der Informationsintendantin unseres öffentlichen Fernsehsenders, sei es von Journalisten –, sollte sich, wenn überhaupt in dieser Form, gegen den Zudecker und nicht gegen den Aufdecker richten, von wo auch immer dieser kommt.
Die Israelitische Kultusgemeinde wäre gut beraten gewesen zu überlegen, wofür sie eine an Friedrich Torberg erinnernde Medaille vergibt, selbst wenn dies zu den dortigen Wahlzeiten geschehen ist.
Obstruktion und Intransparenz verursachen immer Verdacht – und möglicherweise auch Unterstellungen. Diesem die Mitglieder des besten Opernorchesters der Welt und des Philharmonischen Vereins auszusetzen schadet unberechtigterweise nicht nur diesen, sondern auch unserem Land, das zu Recht stolz auf die Qualität dieses Klangkörpers ist.
Auch wenn ich mich bei vielen damit unbeliebt mache, meine ich, dass wir noch mehr Grund für das Stolz-Sein hätten, würde man den unseligen kriegerischen Radetzky-Marsch, der noch heute für sehr viele Menschen mit tragischen Erinnerungen an die kriegslustigen Habsburgerzeiten verbunden ist und dessen musikalischer Wert bekanntlich gering ist, endlich aus Programm des Neujahrskonzerts eliminieren.
Doch damit übt sich wohl der Vorstand im gewohnten Bewahren von genauso fragwürdigen wie beliebten Traditionen.
Rund 550.000 Euro wurden bezahlt, damit man erfährt, was alle Involvierten immer schon wussten. Durch die Geheimniskrämerei über die von einer Wirtschaftskanzlei gestaltete Durchleuchtung in den drei Bundestheatern haben die involvierten Personen nichts Neues erfahren. Die nicht involvierte und naturgemäß unwissende Öffentlichkeit hingegen wurde nicht zuletzt durch die populistischen Kommentare der Boulevardzeitungen gegen Burg und Oper aufgehetzt. Stupid Die Zeiten von "Wollen Sie wirklich Peymann, Bernhard, Scholten" scheinen sich zu wiederholen. Durch stupide, unnötige und nichtssagende arithmetisch-buchhalterische Rechnungen von Durchschnittsbezahlungen - wobei jeder Volksschüler weiß, dass extrem hohe Werte die Durchschnittssumme subjektiv beeinflussen - entstehen als Folge reißerische Zeitungstitel: Dass ein Gastdirigent in der Oper 50 Euro pro Minute erhält und jeder "singende Gast" 10.000 Euro. Sowohl die drei Direktionen in der evaluierten Zeit 2006-2009 als auch die Holding wussten selbstverständlich, was, wie und wem bezahlt wird. Nichts Neues haben wir erfahren. Dem Burgtheater ist es dankenswerterweise gelungen, viel Geld zu sparen: durch höhere Festbezüge für die technischen Mitarbeiter, welche eine strukturell und künstlerisch höhere Effizienz erreichende Arbeit ermöglichen. Die gehaltsmäßigen Vergleiche zwischen Ensemblemitgliedern eines Sprechtheaters und eines Musiktheaters sind irrelevant, nichtssagend und irreführend. Schon die Kosten pro Auftritt zwischen der Volksoper und der Staatsoper zu vergleichen, führt zu lächerlichen Ergebnissen ohne jede Berücksichtigung der künstlerischen Zielsetzung. Dass ein Gastsolist in der Staatsoper sich mit 9840 Euro pro Vorstellung zu Buche schlage und ein Ensemblemitglied mit 1755 Euro, ist arithmetisch vielleicht richtig, sachlich total falsch - nicht nur, weil Probenzeiten und Coververpflichtungen naturgemäß unbeachtet bleiben. So kostet in der Volksoper laut Evaluierung ein Auftritt eines Ensemblesängers um über 200 Euro mehr (1755 zu 1998,60 Euro) als in der Staatsoper. Jedoch bestreitet die Volksoper ihren Spielplan vornehmlich durch das Ensemble. Folglich ein vollkommen irreführender Vergleich. Die Schlussfolgerung, dass das Augenmerk auf die Steigerung der Erlöse gelegt werden soll, da die Einnahmen pro Karte geringer seien als die "theoretisch erzielbaren", zeigt uns, dass die Evaluierung das Grundprinzip, auf welchem der Erhalt und die Funktionalität eines Theaters oder eines Opernhauses ruht, nicht berücksichtigt oder sich nicht für dieses interessiert. Der Steuerzahler erhält durch die Subvention die Bundestheater. Diesen noch einmal zu schröpfen, indem man die Kartenpreise, die der Steuerzahler auch zu zahlen hat, maximiert, beweist eine Verachtung dessen, für den man das Gebotene möglichst zugänglich macht und dem man versucht, durch höchste Effizienz künstlerische Qualität zu bieten. Das Fragwürdige, Unnötige, Entbehrliche und nur Neid und Verwirrung Stiftende der Evaluierung entstand nur durch diese selbst. Sie schadet jedem und nützt niemandem.
Mit 550.000 Euro sei etwas bezahlt worden, „was alle Involvierten immer schon wussten“. Und durch die „Geheimniskrämerei“ sei nur „die naturgemäß unwissende Öffentlichkeit“ gegen „Burg und Oper aufgehetzt worden“. Derart scharf kritisiert der ehemalige Staatsoperndirektor Ioan Holender die über die SN publik gewordenen (bis dahin geheim gehaltenen) Ergebnisse der Evaluierung der Bundestheater. Dafür hatte die Beraterfirma Ernst & Young im Auftrag von Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) die Bundestheater von Mitte 2006 bis Mitte 2009 durchleuchtet; damals war Ioan Holender noch Direktor der Wiener Staatsoper. Zu den Bundestheatern gehören Holding, Staatsoper, Burgtheater, Volksoper und die Werkstättenfirma „Art for Art“.
„Durch stupide, unnötige und nichtssagende arithmetisch-buchhalterische Rechnungen von Durchschnittsbezahlungen“ entstünden nur reißerische Zeitungstitel, etwa dass ein Gastdirigent in der Oper 50 Euro pro Minute erhalte, stellt Ioan Holender in einem Schreiben an die SN fest. Ebenso „irrelevant und irreführend“ seien die gehaltsmäßigen Vergleiche zwischen Ensemblemitgliedern eines Sprechtheaters und eines Musiktheaters. „Schon die Kosten pro Auftritt zwischen der Volksoper und der Staatsoper zu vergleichen, führt zu lächerlichen Ergebnissen ohne jede Berücksichtigung der künstlerischen Zielsetzung.“
Dass in der Wiener Staatsoper ein Gastsolist mit 9840 Euro pro Vorstellung zu Buche schlage und ein Ensemblemitglied mit 1755 Euro, sei „arithmetisch vielleicht richtig, doch sachlich total falsch“. Denn in diesem Vergleich blieben Probenzeiten und Coververpflichtungen von Ensemblemitgliedern unbeachtet.
Die Schlussfolgerung im Evaluierungsbericht, dass das Augenmerk auf die Steigerung der Erlöse gelegt werden solle, da die Einnahmen pro Karte geringer seien als die „theoretisch erzielbaren“, zeige, dass die Evaluierung ein Grundprinzip missachte, kritisiert Ioan Holender. Auf diesem Grundprinzip beruhten Erhalt und Funktionalität eines Theaters oder eines Opernhauses. Neid und Verwirrung stiftend „Der Steuerzahler erhält durch die gewährte Subvention die drei Bundestheater. Diesen noch einmal maximal zu schröpfen, indem man die Kartenpreise, die der Steuerzahler auch mitzufinanzieren hat, kommerziell maximiert, beweist eine Verachtung dessen, für den man das Gebotene möglichst zugänglich macht, und versucht durch höchste Effizienz künstlerische Qualität zu bieten.“
Holender resümiert: „Das Fragwürdige, Unnötige, Entbehrliche und nur Neid und Verwirrung Stiftende der über eine halbe Million Euro teuren Evaluierung entstand nur durch diese selbst. Sie schadet jedem und nützt niemandem.“
Kurier, 29. Dezember 2011
Keiner liebte die Oper mehr als Prawy
Als ich 1959 vierundzwanzigjährig nach Wien gelangte, ermöglichte mir die Flüchtlingsorganisation American Rescue Committee (A.R.C.) den Kontakt zu Ernst Haeusserman und Marcel Prawy . Prawy war damals schon an der Volksoper tätig, und durch ihn gelangte ich zum Volksoperndirektor Franz Salmhofer, welcher mir die Regieassistenz bei "Gianni Schicchi" in der Inszenierung seines Vizedirektors Otto Fritz ermöglichte. Musical Prawy versuchte das in Wien vollkommen unbekannte Genre Musical im Spielplan zu integrieren, was ihm trotz heftigstem und aggressivem Widerstand seitens der Belegschaft und vor allem des Betriebsrates schlussendlich auch gelang. "Kiss me, Kate", von Prawy übersetzt als "Küss mich, Kätchen", mit Fred Liewehr als Petruchio war ein echter Erfolg, und viele andere, auch weniger erfolgreiche Musicals folgten. Seine Gestaltung der Programmhefte, bis dahin in dieser Form genauso unbekannt wie Einführungsvorträge, veranlasste den 1970 designierten Staatsoperndirektor Rudolf Gamsjäger, Prawy das Angebot zu machen, an die Staatsoper zu wechseln. Ich erinnere mich gut an mein Gespräch mit Marcello im Volksoperncafé gegenüber dem Bühneneingang und seine Frage: "Holenderchen, du bist ja so gut mit dem Gamsjäger, glaubst du, dass er ein Antisemit war, er war doch bei der Luftwaffe?" Ich antwortete Prawy , dass dies doch vollkommen irrelevant sei - ich wusste es auch wirklich nicht. Einzig relevant sei doch, dass er jetzt die Chance habe, endlich an die von ihm geliebte Staatsoper zu gelangen. Doch lange dauerte sein Glück dort nicht. Prawy schlug Gamsjäger den großen Erfolg der Staatsoper vor dem Krieg, Meyerbeers "Prophet", mit Christa Ludwig als Fides vor. Doch der Tenor dazu wurde leider nicht gefunden und aus dem "Prophet" wurde "Luisa Miller" mit der Ludwig in einer Nebenrolle. Das Verhältnis zwischen dem Staatsoperndirektor Gamsjäger und dem nun auch offiziell Dramaturg genannten Marcel Prawy verschlechterte sich dadurch drastisch. Schlussendlich konnte Prawy außerdem seinen Freund und Mentor Leonard Bernstein nicht dazu bewegen, an das Pult des Hauses zurückzukehren. Prawy wurde wegen überhöhter und im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit beim Österreichischen Fernsehen als "Opernführer" zu häufiger privater Telefonnutzung gekündigt. Eine gemeinsame Bekannte von Bruno Kreisky und Prawy bewirkte bei Kreisky über den Kulturminister Sinowatz die Rücknahme der Kündigung. Doch Prawy landete auf Wunsch Gamsjägers in einem Büro im Hanuschhof und durfte nicht mehr in der Direktionsloge weilen. Gamsjägers Nachfolger Egon Seefehlner holte ihn dann zurück ins Haus. Auch wenn das Publikum bei seinen Matineen einen ziemlich hohen Altersdurchschnitt hatte, waren die Jahre mit Seefehlner als Staatsoperndirektor doch seine glücklichsten. "Möge der Waldheim nur noch lange Bundespräsident bleiben, denn er kommt wegen seinem schlechten Gewissen immer zu meinen Vorträgen", war eines seiner Bonmots. Prawy , der nie regelmäßig aß, die ganze Nacht jederzeit telefonisch erreichbar war, denn er schlief immer wieder "nur dazwischen", wie er sagte, hatte gar kein Verständnis für "Essengehen", Schlafen oder gar Sportmachen. Eigentlich hat er am liebsten und immer Kastanienpüree gegessen - wie oft ging ich mit ihm in den verbogensten Konditoreien und Gasthäusern und zu den unmöglichsten Uhrzeiten Kastanienpüree essen. Immer ohne Schlagsahne! Und jedes Mal ging ich nachher reicher, wissender und irgendwie immer froher weg. Tennis Unzählige Male sagte er mir, er könne nicht verstehen, dass ich mit Tennisspielen und Skifahren meine kostbare Zeit vergeude. Als ich Staatsoperndirektor wurde, schrieb er mir zur Gratulation "und jetzt musst du auch nicht mehr mit Wichtigen Tennis spielen"... Er war das letzte Ehrenmitglied, das im Haus aufgebahrt wurde, und ich durfte die Trauerrede halten. Ich kannte keinen, der dieses merkwürdige Etwas, das wir Oper nennen, mehr liebte als er.
Kurier, 8. Juni 2011
Die Osterfestspiele und die Globalisierung
Werden in der nahen Zukunft Operninszenierungen an den großen Bühnen einander so ähnlich sehen wie die Automobilmarken? Ein Gastkommentar von Ioan Holender.
Wenn die Dresdner Staatskapelle und ihr Musikchef Christian Thielemann den Berliner Philharmonikern und Simon Rattle ab 2013 bei den Salzburger Osterfestspielen folgen, das heißt, diese nach ihrem Abgang nach Baden-Baden ersetzen, ist dies kein gutes Zeichen für unsere Opernlandschaft.
Ganz im Gegenteil zum Gebot, stets Neues zu schaffen, noch nicht beschrittene Wege zu gehen, neugierig zu sein und neugierig zu machen, bedeutet dies eine neuerliche Gleichstellung, Uniformierung, Nivellierung, kurz eine auf künstlerischer Ebene nachteilige Globalisierung.
Die Osterfestspiele dürften zu einer zweiten Spielstätte für die Dresdner Semperoper werden und selbstverständlich mit dieser, also de facto mit sich selbst, koproduzieren.
Die Dresdner Inszenierungen dürften folglich auch in Salzburg zu sehen sein und vielleicht auch noch anderswo. Werke der Opernliteratur, welche in Wien und München gespielt werden, werden nun wohl auch dazwischen, sozusagen auf halbem Wege, in Salzburg zu Ostern zu hören sein.
Schon 2013 soll in Salzburg ein neuer "Parsifal" kommen. Und "Carmen", 2012 die letzte Salzburger Premiere der Berliner, steht auch in Wien und in München auf dem Spielplan. Wenn auch nicht - und dies aus gutem Grund - mit derselben Sängerin in der Titelrolle, jedoch mit dem gleichen Partner.
Die paar Hundert Förderer, die noch aus Karajans Zeiten übrig geblieben sind, Bankdirektoren und finanzstarke Wirtschaftstreibende vornehmlich aus Deutschland, wollen einen "Namen". Jener, für welchen sie gerne bereit waren, eine Sonderzahlung, eben den Förderbeitrag zu leisten, ist lange tot. Nun haben sie auch einen "Sir" als seinen Nach-Nachfolger verloren, jetzt wollen sie wenigstens Thielemann, zweifellos ein meisterhafter Dirigent. Wenn schon nicht mehr in München, dann gelegentlich in Salzburg.
An musikdramaturgische Überlegungen denkt niemand. An Musikwerke, die aus dem Ostergedanken inspiriert und entstanden sind, natürlich auch nicht. In Leipzig werden von Konwitschny Bachpassionen und Kantaten szenisch realisiert, in Salzburg spielt man zu Ostern "Carmen". Und "Arabella", wenn es nach Thielemann geht.
Der neue Wiener "Rigoletto" aus dem Theater an der Wien geht an die MET und an die Scala, die New Yorker "Tosca" kann man jetzt auch in München und Mailand sehen. Dass diese "Weltreiseproduktionen" m eist auch medioker sind, ist Pech, doch prinzipiell nur sekundär.
Werden in der nahen Zukunft Operninszenierungen an den großen Bühnen einander so ähnlich sehen wie die Automobilmarken? Und werden die Salzburg Osterfestspiele dann auch eine dieser werden?
Der ehemalige Staatsoperndirektor erhielt soeben den hohen japanischen "Orden der aufgehenden Sonne".
Bühne April 2011
Freunde erkennt man in der Not
Ioan Holender. Der ehemalige Staatsoperndirektor ist Artistic Adviser des Spring Festivals in Tokio.
Seit Jahrzehnten ist das Japanische Kaiserreich der größte Importeur österreichischer klassischer Musik. Kein anderes Land in der Welt hat für Japan, was die Musik betrifft, einen ähnlich hohen Stellenwert. Als Folge dessen treten aus keinem anderen Land, sei es Europa oder Übersee, mehr Musiker in Japan auf als aus Österreich. Andererseits wird, was logisch daraus folgt, auch kein anderes Land der Welt von japanischen Musikfreunden zahlreicher besucht als Österreich.
Die finanziellen Bedingungen samt Nebenbedingungen für Japan-Gastspiele waren allesamt höher und besser als irgendwo anders. Angefangen von der Staatsoper über den Wiener Philharmonikern, den Wiener Sängerknaben bis zu vielen anderen heimischen Orchestern, Instrumentalisten, Opern-, Konzert- und Operettensängern – sie alle waren froh und dankbar, nach Japan fahren und dort für gutes Geld Musik machen zu dürfen. So manche staatliche, aber auch private, musikalische Institution rechnete Auftritte in Japan zu ihren wichtigen Einkünften, für machen waren sie sogar von existenzieller Bedeutung.
Jetzt ist in tragischer und unerwarteter Weise diesem Zustand Einhalt geboten. Bei unseren japanischen Freunden geht es jetzt ums nackte Überleben – und alles andere ist vorerst kein Thema mehr.
Wir wissen aber, über welch heroische Kräfte dieses Volk verfügt, um sich selbst beim Schopf aus dem Sumpf rauszuziehen. Es wird ihm auch diesmal gelingen, wenn auch um den Preis vieler schmerzlicher Opfer. Hoffentlich wird man sich in Tokio, Osaka und andernorts bald wieder nach Musik und nach unseren Musikern sehnen. Doch ich fürchte, man wird noch lange keine Mittel haben, diese so zu honorieren wie bisher. Es wird keine „japanischen Gagen“ mehr gegeben.
Und dann kommt es eben darauf an, dass wir uns dafür bedanken, was dieses Land und die Menschen dort uns – so lange sie konnten – gegeben haben. Und wir alle, große und kleinere Ensembles und Künstler, sollen dann, diesmal ohne „japanische Gagen“, ja vielleicht sogar ganz ohne, nach Japan fahren und dadurch unseren Freunden zeigen, dass wir tatsächlich ihre Freunde sind.
Kurier, 15.3.2011, Gastkommentar: Riccardo Mutis "Nabucco"-Triumph in Rom
Der wieder genesene Meisterdirigent protestierte nach dem Gefangenenchor mit spontanen Worten gegen den Kultur-Kahlschlag in Italien.
Der absolute Höhepunkt dieser Neuinszenierung von Verdis, hierzulande viel geliebtem und viel gespieltem Erfolg "Nabucodonosor" - wie man die Oper in Rom wieder nennt - war, was nach dem Gefangenenchor im 3. Akt des überlangen Abends (zwei lange Pausen und noch eine Lichtpause im 3. Akt) vor sich ging.
Bis dahin war man zu Recht hocherfreut über Mutis alles überragende musikalische Kompetenz und Persönlichkeit gerade auch für dieses Frühwerk Verdis, aber auch darüber, dass er wieder genesen ist, wenn auch seine Gesichtszüge noch leicht lädiert sind.
Über die Nichtinszenierung und die mit herumgeschobenen Wänden ausgestattete Bühne (Jean Scarpitta) ist beim besten Willem nichts zu berichten, außer, dass man staunt, dass so etwas heute noch möglich ist.
Die Sängerbesetzung war ausgewogen, man hörte manch junge neue Stimme, wie die in den dramatischen Koloratur-Teilen leicht bewegliche und mit sicheren, nicht schrillen Höhen, schön singende Abigail der ungarischen Sopranistin Csilla Boros und den jungen russischen Bass Belosselsky mit schöner Stimme, viel Höhe und wenig Tiefe - er ist auch der Banquo in der "Macbeth"- Produktion in Salzburg. Die Titelrolle sang der altbewährte Leo Nucci mit großer Persönlichkeit in der letzten Premiere seiner langen Karriere am Teatro dell'Opera in Rom.
Als der von Muti mit spürbarer innerer Anteilnahme geleitete Gefangenenchor endete und sogar das bekannt kühle und zurückhaltende römische Publikum endlich heftig applaudierte, drehte sich der engstens mit der Situation des heutigen Italien als zerfallener Kulturstaat sich verbunden fühlende Muti zum Auditorium und sprach spontane Worte über die im gesungenen Chor beklagte "Patria perduta" - die verlorene Heimat -, indem er sagte: Wenn Italien die Kunst und die Musik verlöre, sei das Land verloren. Und er wiederholte die Musiknummer, indem er das Publikum zum Mitsingen aufforderte. Das Auditorium und die Orchestermitglieder erhoben sich dabei von ihren Sesseln, und von der Galerie flogen Flugzettel mit Protesten gegen den Kultur-Kahlschlag.
Es war eine hoch emotionelle Atmosphäre im gesamten Auditorium an diesem Abend, rund 150 Jahre nach dem gerade dieser Chor Verdis als ein Symbol der Erreichung von Italiens Unabhängigkeit galt. Die Verschmelzung zwischen Publikum und Ausführenden war ein deutlicher Beweis dafür, was Musik politisch auch heute noch bewirken kann. Muti als Italiener und als Musiker war der große Held dieser Opernaufführung. Und Italiens derzeitige politische Führung deren Antiheld!
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Kurier, 25.1.2011, Gastkommentar: Plácido Domingo zum 70er
Der König im Königshaus: Noch nie in der Geschichte der Oper wurde ein Interpret dermaßen in der ganzen Welt gefeiert wie Plácido Domingo. Aber es gibt auch kein zweites Beispiel für einen Sänger, dessen Leistungskraft und Qualität über 40 Jahre dauert. Kaum jemand, und am wenigsten er selbst, ahnte, dass der am 21. Jänner 1941 in der Calle de Ibiza 34 in Madrid geborene Sohn mexikanischer Zarzuela-Interpreten so berühmt werden sollte, dass noch zu seiner Lebzeit eine Tafel an seinem Geburtshaus angebracht wurde.
Keine Sängerin und kein Sänger hat je so viele Partien gesungen wie er, für keinen wurden vier eigene Opern komponiert - und es könnten noch mehr werden -, kein Sänger bestritt ein Repertoire, welches er genauso gut bei den Bayreuther Festspielen wie auch an der Mailänder Scala oder an der Metropolitan Opera in New York gesungen hat.
Niemand trat öfter als Domingo bei der Eröffnungsvorstellung der Met auf und kein Sänger wurde 100-mal im Laufe einer vollen Stunde nach einer Opernvorstellung auf die Bühne der Wiener Staatsoper gerufen.
Als er am Abend seines 70. Geburtstages neben der Königin von Spanien bis zur Balustrade der Königsloge schritt, das gesamte Auditorium sich erhob und zur Königsloge gewandt ihm applaudierte, trat die feinsinnige Königin Sophia einen Schritt zurück.
Und er, der König der Oper, der von bereits drei Generationen vergötterte aller vergötterten Tenöre, stand da mit Tränen in seinen Augen. Und wir alle im Teatro Real auch.
James Conlon dirigierte ganz hervorragend ein Programm, in welchem dem Jubilar von Angela Denoke bis zu Deborah Polaski und von Bryn Terfel bis zu Erwin Schrott große Kollegen nebst Gewinnern des von Domingo ins Leben gerufenen und weltbekannten Wettbewerbs Operalia mit einem von Gerard Mortier sensibel ausgesuchten Programm die Ehre erwiesen.
Am Ende erschien die spanische Opernikone Teresa Berganza, sozusagen die spanische Christa Ludwig, und würdigte das Geburtstagskind. Als dann Domingo selbst den Ovationen nachkam und von der Königsloge auf die Bühne schritt, wo er kluge, bescheidene Worte sprach und ein paar Takte aus "Ich bin in Madrid geboren" sang, kannte der Jubel kein Ende.
Am übernächsten Tag verkörperte er in einer von Thomas Hengelbrock musikalisch ganz ausgezeichnet gestalteten "Iphigenie auf Tauris" von Christoph Willibald Gluck den Orest.
Neben einer hervorragenden Leistung von Susan Graham in der Titelrolle kehrte er wieder in die derzeitigen Bariton-Fußstapfen zurück, wobei er diese Partie demnächst auch an der New Yorker Met singen wird.
Und so endeten die Feierlichkeiten für wahrlich den allergrößten der großen Opernhelden unseres Zeitalters in seiner Geburtsstadt - natürlich in Anwesenheit seiner drei Söhne, neun Enkelkinder - und seiner Marta.
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Kurier, 20. September 2010, Seite 14. Thema Ausländer in Wien
Die Künstler sind noch am wenigsten betroffen