Kurier | 04.02.2024
 
 
"Nein! Dieser blöde Opernball!"

 
 
loan Holender. Der ehemalige Staatsoperndirektor wurde wegen des Opernballs immer wieder zum Kanzler zitiert. Und er weiß mittlerweile: Dass der Opernball Millionengewinne machen würde, ist ein Irrglaube
 
 
THOMAS TRENKLER - Interview der Woche 
 

Der Opernballwar loan Holender, von 1992 bis 2010 Direktor der Staatsoper, immer ein Dorn im Auge. Und über die Organisatorinnen konnte er sich maßlos ärgern.

 
 
 
 

KURIER: Anfangs, ab dem Herbst 1991, haben Sie die Staatsoper gemeinsam mit Eberhard Waechter ...


loan Holender: Alle waren gegen mich, aber er hat gesagt, er macht das nur, wenn man mich auch nimmt. Damals war die Ernennung eines Staatsoperndirektors noch eine Bundeskanzlerangelegenheit. Das hat sich sehr verändert.

 

 

Ab April 1992 waren Sie allein zuständig. Bestand Ihre Aversion gegen den Opernball von Anfang an? Oder hat sich die entwickelt?

 

Den ersten Opernball habe ich nicht miterlebt. Weil meine Frau in der Nacht ein Kind bekam. Daher war nur Waechter auf dem Ball. Er stand ihm meinungslos gegenüber. Aber ich habe mir schon bald erlaubt, die Frage zu stellen: Warum wird in einem Institut für Kultur, das vom Steuerzahler mit vielen Millionen - gegenwärtig mehr als 76 Millionen Euro - erhalten wird, ein Ball für reiche Leute veranstaltet? Eine Loge kostet dieses Jahr 24.500 Euro, der Eintritt pro Person 385 Euro. Und es gibt mehrere Schließtage, um aus dem Theater- einen Ballsaal zu machen. Also habe ich gefragt: Warum? Zudem stand in meinem Vertrag kein Wort vom Opernball.

 

 

Was hat man Ihnen geantwortet?

 

Dass der Ball einen Millionengewinn macht, also von Vorteil für die Oper ist. Und dann habe ich in Kärnten einen patenten Veranstalter, patenten Veranstalter, Hannes Jagerhofer, kennengelernt. Ich erzählte ihm von meinem Frust. Er sagte: Geben Sie mir den Ball! Ich zahle, was Sie wollen!" Ich sagte: Super!" Wir haben verhandelt, aber Rudolf Schölten, damals Generalsekretär der Bundestheater, war dagegen. Die Sache kam zum Kanzler. Und Franz Vranitzky sagte: Lassen Sie den Jagerhofer sein Beachvolley machen, den Opernball machen Sie!" Also: Ich musste.
 

 

Lotte Tobisch war damals die Organisatorin. Als Nachfolgerin bestimmten Sie Elisabeth Gürtler vom Hotel Sacher. Warum?

 

Ich kannte sie über den Schauspieler Helmuth Lohner, mit dem sie verheiratet war. Und sie kannte alle in der Gesellschaft. In der SPÖ hatte man Bedenken. Elisabeth Gürtler war ja eine reiche Bürgerliche. Deshalb musste ich im Kanzleramt antanzen. Aber Viktor Klima sagte: Das ist Ihre Entscheidung!"

 

 

Sie wollten einen Ball der Oper.

 

Daher habe ich Künstler eingeladen, alle, die kulturell wichtig waren in Wien. Und es gab einen Einzug, an der Spitze Elisabeth Gürtler, Seiji Ozawa, mein Musikdirektor, und ich. Oben, in der Mittelloge, war die Regierung. Wir sind vorbeispaziert. Aber dann, im Jahr 2000, kam es zur Koalition von Schwarz-Blau. Jörg Haider war zwar nicht in der Regierung. Aber wenn er trotzdem zum Opernball käme und wir uns vor ihm verneigen müssten? Also: Das ging nicht. Was machen wir jetzt? Wir haben den Einzug dann abgeblasen. Seither gibt es ihn nicht mehr. Ein wirklicher Künstlerball: Das ist mir nicht gelungen.

 

 

Aber die „Zauberflöte für Kinder"!

 

Auf Einladung von Ozawa war ich in Japan dabei, als man 6.000 Kindern in einer Sporthalle eine Oper von Verdi präsentierte. Diese Kinderfassung war fantastisch! Etwas Ähnliches wollte ich auch machen! Im leeren Zuschauerraum nach dem Ball! Wenn Sie mich fragen, was das Wichtigste ist, was ich gemacht habe, dann würde ich sagen: Das! Aber das durchzusetzen, war nicht einfach. Denn bis 2002 gab es am Abend nach dem Opernball immer eine Ballettaufführung. Die brachte Einnahmen.

 

 

Die „Zauberflöte" hingegen sollte gratis sein?

 

Ja! Im Bundestheaterverband schüttelte man den Kopf: Gratis?" Ich musste also zum Kanzler. Und Wolfgang Schüssel sagte: Machen Sie, was Sie für richtig finden." Ich habe daher meine Kompetenzen weit überschritten - und den Ballettabend abgesagt. Ich wollte die Zauberflöte" auf höchstem Niveau. Denn sie war der allererste Kontakt der Kinder mit der Oper. Die Philharmoniker haben gratis gespielt - und der Chef hat dirigiert. Also Ozawa. Elisabeth Gehrer, die damalige Unterrichtsministerin, ist aufgesprungen: Machen Sie das doch auch für die Kinder aus den Bundesländern!" Sie hat Autobusse organisiert. Und so kamen wir zu zwei Vorstellungen mit je 3.500 Kindern, also 7.000 Kinder an einem Nachmittag. Diese einstündige Einführung in die Zauberflöte" wiederholt sich jetzt zum 20. Mal! Bisher haben 140.000 Kinder sie gesehen.

 

 

Und was war das Schlimmste?

 

Der ORF hat sich immer so aufgespielt, als ob ihm die Oper gehören würde. Die agierten über meinen Kopf hinweg. Ich nahm ihm schließlich den Teesalon weg: Er war nur mehr für die Mitglieder der Staatsoper. Dort durfte niemand anderer rein! Auch nicht US-Außenministerin Madeleine Albright!

 

 

Mit Elisabeth Gürtler waren Sie irgendwann unzufrieden.

 

Die Stimmung im Haus war nicht gut, der Betriebsrat gegen sie. Die Gürtler trat zurück. Wen holen? Man sagte mir: Gehen Sie zum Christian Konrad!" Also zum damaligen Raiffeisen-Chef. Na gut. Er sagte nur: Die Desi!" Ich verstand nicht. Sie wissendoch, wer das ist?" Ich verneinte. Sie kennen nicht einmal Desiree Treichl-Stürgkh? Ihr Mann ist ein wichtiger Bankdirektor." Ich dachte mir: Soll sein!

 
 

Ihr erster Opernball war 2008.

 

Desiree ließ einen Eingang bauen. Plötzlich waren der Rote Teppich und die Hauptstiege das Wichtigste. Aber sie hatte auch eine gute Idee. Denn bis dahin hat der Elmayer die Polonaise einstudiert. Seither macht das jedes Jahr eine andere Tanzschule - auch aus den Bundesländern. Das ist demokratisch.

 

 

Wie standen Sie zu Richard Lugner und seinen gemieteten Stars?

 

Es gab immer einen Kampf um die Logen. Und man wollte den Lugner nicht. Ich fragte: Warum?" - Der ist doch unmöglich!" Auch Desiree sagte: Der Lugner muss weg!" Aber ich war dagegen. Ich schicke niemanden weg, der eine Loge kauft und einen prominenten Gast mitbringt. Und es ging immer um die Frage, wer kommt. Irgendwann hab' ich mir gedacht: Ich bring ein Lebewesen, das noch nie da war. Ein Pferd! Der Ball 2007 war vor der Premiere von Manon" - und in der Inszenierung kam Anna Netrebko mit einer Kalesche nach Amiens. Ich dachte mir: Gut, mache ich Werbung dafür! Ich wollte mich auch über die Leute lustig machen. Alle waren dagegen: “Ein Pferd auf dem Opernball? Ausgeschlossen!"

 

 

Sie haben sich durchgesetzt.

 

Ja. Der Kutscher meinte, dass er das Pferd wegen der vielen Menschen und den Blitzlichtern führen müsse. Aber jemand musste auf dem Kutschbock sitzen. Und Anna - sie trat natürlich gratis auf - meinte: Das machen Sie!" So kam es. Man sagt, diese Darbietung sei der Höhepunkt in der Geschichte des Opernballs gewesen.

 

 

Sie hat Ihre Eitelkeit befriedigt.

 

Ich war vieles in meinem Leben, Kutscher nie. Aber ja: Das hat sogar mir gefallen. Bei der allerletzten Eröffnung 2010 bin ich mit dem Ensemble aufgetreten. Ich habe aber meinen Text abgeändert: Ich muss nie mehr herkommen!" Und ich bin auch nicht mehr dort gewesen. Frack anziehen? Nein! Dieser blöde Opernball!

 

 

Hat er überhaupt nennenswerte überhaupt Gewinne gebracht?

 

Ich hab's geglaubt. Aber ich habe das nicht geprüft. Weil ich dem Opernball ohnedies nicht entkommen wäre. Auch wenn er erst seit 2015 im Bundestheater-Organisationsgesetz als Aufgabe verankert ist. Erst jetzt habe ich mich mit dieser Frage beschäftigt. Und erhielt eine erstaunliche Auskunft.

 

 

Welche denn?

 

Sie müssen sich das vorstellen: Man braucht 30 Stunden für den Umbau zum Ballsaal und 21 Stunden für den Rückbau. 80 Tieflader Transporte, ein Auftragsvolumen von gesamt und 1,5 Millionen Euro für 50 Firmen. Im Endeffekt halten sich die Einnahmen und die Ausgaben - jeweils rund vier Millionen Euro - die Waage. Das sagt Verwaltungsdirektorin Petra Bohuslav. Denn der Opernball ist ein gemeinnütziger Verein. Also: Die Staatsoper macht mit dem Opernball keinen Gewinn. Das bestärkt mich in meiner Ansicht: Ein Ball hat in der Oper nichts zu suchen.

 

 

Aber im Fernsehen schauen Sie sich den Opernball schon an?

 

Am 8. Februar bin ich in Hannover. Meine Tochter spielt dort ein Cellokonzert. Das geht vor.

 

 

Der Holi-Holender
Bariton, Agent und Zampano

Er wurde 1935 in Timi§oara geboren, kam 1959 nach Wien und studierte Gesang. Er war Tennislehrer, Sänger (Künstlername: Holi-Holender), Künstleragent - und ab 1991 Generalsekretär der Staatsoper. Nach dem Tod von Direktor Eberhard Waechter 1992 leitete er das Haus allein. Und er blieb bis zum Sommer 2010. Seither ist er Berater - und gestaltet für ServusTV die Sendereihe kulTOUR mit Holender"

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Kurier | 19.12.2023
 
 

Kolonialmachtsträume unseres Innenministers

 

Trotz der Tatsache, dass Rumänien und Bulgarien nachweislich alle vorgeschriebenen Kriterien erfüllt haben, verhindert Österreich, allein, mit seinem Vetorecht, gegen den Willen der anderen 26 Mitgliedstaaten der europäischen Union, seit einem Jahr, dass Rumänien und Bulgarien dem Schengenraum beitreten können. Das bedeutet für diese beiden Länder einen großen wirtschaftlichen Verlust. Bei der Grenze stehen die LKWs 6-8 Stunden wegen der Kontrollen. Das verursacht hohe Kosten und verhindert manches wegen der mangelnden Haltbarkeit der zu transportierenden Waren. Manche Unternehmen haben wegen der Verteuerung durch die Transportverzögerung die wirtschaftliche Zusammenarbeit, die auf terrestrische Weise erfolgt, zum großen Schaden Rumäniens eingestellt.

 

Derzeit überlegt der allmächtige Herr Innenminister die Zulassung einer Art von ihm erfundenen „Air-Schengen“, indem keine Kontrollen für Flugreisende beim Abflug und der Ankunft mehr stattfinden sollen, wobei es dort sowieso kaum Schlangen vorkommen. Für die Aufhebung der Flugkontrollen verkündet Herr Karner ein imperatives Drei-Punkte-Programm als Bedingung. Im Punkt 2 verlangt Herr Karner die Zusendung und den Einsatz von Dokumentenberatern aus Österreich an die Flughäfen in Bukarest und Sofia, denn in die rumänischen und bulgarischen Mitarbeiter hat er wohl kein Vertrauen. Diese sind wohl alle mindere, unfähige und nicht vertrauenswürdige Personen in den Augen des Herrn Karner. Höhepunkt ist der 3. Punkt der Bedingungen, in dem er die Übernahme von derzeit in Österreich befindlichen Asylwerbern - insbesondere von Afghanen und Syrien - durch Rumänien und Bulgarien verlangt.

 

Der Innenminister agiert, als ob Österreich eine Kolonialmacht wäre und die Hoheit über diese Länder „da unten“ - wie seinerzeit im Habsburgerreich – innehätte. Österreich schafft es bekanntlich nicht, genügend Maßnahmen zu etablieren, um die Einreise von Migranten einzuschränken. Dann schickt man diese halt nach Rumänien oder Bulgarien, denn diese Länder wollen ja von uns etwas für sie wirtschaftlich eminent Wichtiges. Österreich ist in der europäischen Landschaft, seit Kreiskys diskutablen Versuchen, außenpolitisch inexistent. Lediglich die Causa Waldheim erregte seinerzeit Aufmerksamkeit.

 

Man darf sich nicht wundern, wenn mit solch einem autokratischen Agieren eines Regierungsmitgliedes Wasser auf die Mühle der Kickl-FPÖ geschaufelt wird. Der Herr Bundeskanzler schaut seinem Innenminister dabei schweigsam zu und nickt freundlich lächelnd.

 


Ioan Holender
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Die Presse | 25.08.2023
 
 
Wohin will die Oper heute?

 
Einwurf. Liebe Opernfreunde, üben Sie sich in Geduld! Was heute modern ist, ist morgen altmodisch; was heute in ist, ist morgen out.
 
 
 
 
 
 
 
 

Wie auch immer man die Entwicklung der Kunstgattung Oper heute auch als Musiktheater bezeichnet betrachtet, es ist eine Tatsache, dass sich deren Aufführungsform radikal geändert hat.


Wenn Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die Besetzung der Gesangssolisten dominant und ausschlaggebend für den Besuch einer Vorstellung war, sind diese seit einiger Zeit in den Hintergrund geraten. Der italienische Tenor Enrico Caruso (1873-1921) hatte noch seinen Sekretär zur Probe in die Hofoper geschickt, der ihm dann mitteilte, wo er wann auf der Bühne zu stehen habe und welche Wünsche und Vorstellungen der Dirigent hat. Die Kostüme der Solisten und Choristen waren historisch angepasst, ebenso die Requisiten. Ein Degen war ein Degen und kein Revolver, und eine weiße Perücke war keine Glatze.


Ein Degen war ein Degen


Die Wiener Staatsoper pflegt und hütet ihre Tosca-Inszenierung von Margarete Wallmann aus den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts wie ein goldenes Stück Schatz. Die Basilika Sant‘Andrea della Valle ist eine von jedermann erkennbare Kirche, und das Wahrzeichen Roms, die Engelsburg, ist durch den gemalten Hintergrundhorizont wahrnehmbar. Und es gibt, wie der Komponist es vorgeschrieben hat, selbstverständlich zwei Pausen. Doch wehe, wenn heute die Inszenierung versucht, die Intentionen der Vorgabe von Text und Musik zu befolgen! Dann ist der Regisseur oder die Regisseurin wie auch der Intendant als Arbeitgeberkonservativ, vorgestrig und fehl am Platz.

 

Es geht weltweit vor allem um die angeblich 37 bekanntesten und meist gespielten Operntitel. Zeitgenössische Werke, die gespielt werden, gibt es de facto nicht, und wenn, wird nur die Uraufführung gespielt. Diese darf dann im Sinne und mit der Zustimmung des Autors inszeniert sein. Für bekannte Opern von bekannten Komponisten von Mozart bis Puccini und Richard Strauss ist die von der Regie erfundene Geschichte entscheidend und nicht die Vorlage. Sie muss auf jeden Fall heutig sein, das heißt in der Gegenwart spielen und unsere aktuellen Probleme wiedergeben. Was Da Ponte, Schiller, Shakespeare oder Boito wollten, ist irrelevant, was der Komponist daraus in Noten setzte, muss notgedrungen umgesetzt werden.

 

Alles, was radikal anders ist, als es Librettist und Komponist vorgaben, nennt man Regietheater. Alles, was eine andere Geschichte oder gar keine Geschichte erzählt, nennt man Regietheater. Bühnenbilder, die zum Verständnis der Geschichte beitragen sollten, sind unnötig geworden. Sänger und Dirigenten sind für die Regisseure untergeordnete, doch unabkömmliche Mitwirkende.

 

Videowiedergaben wovon auch immer, Statistenanstelle der Solisten, die nur noch zu singen haben, Kinder und Tänzer sowie möglichst halb oder ganz nackte Menschen, meist mit Sonnenbrillen auf der Bühne, sind stets willkommene Hilfsmittel. Damit der Zuschauer etwas von den technischen Neuerungen hat, wird er mit Brillen bestückt, um zu sehen, was andere, nicht dermaßen Ausgerüstete, nicht sehen. Natürlich gibt es auch kluge, werkimmanente, gute und verständliche Inszenierungen, die nicht in der Entstehungszeitspielen, sondern in die nähere oder heutige Zeit versetzt werden und dennoch den Kern der Geschichte bewahren, aber das sind sehr rare, gelungene Produktionen und leider nur Ausnahmen.

 

Lieber Opernfreund, üben Sie sich in Geduld, denn was heute modern ist, ist morgen altmodisch, oder im heutigen Jargon: Was heute in ist, ist morgen out.

 
 
 IOAN HOLENDER
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Die Presse | 30.06.2023
 
 
Eine Warnung aus Bayreuth für die gesamte Opernwelt 
 
Was hat es zu bedeuten, wenn die Wagner-Festspiele in Bayreuth nicht mehr ausverkauft sind.
 
 
 
 
 
 
 
 

„Das ist das Ende?“ Wotans Worte – leicht umgeformt – gebrauche ich, um ängstlich und sorgenvoll zu fragen, ob dies in der Tat ein Zeichen für das bevorstehende weltweite Ende der Oper ist. Die Bayreuther Festspiele in Franken gelten als Zielort von Pilgerreisen all jener Menschen, die Richard Wagners zehn Hauptwerke erleben wollen.

 

 

Wolfgang Wagner, einer der zwei Enkel des Komponisten, war – bis zu seiner Tochter – der letzte alleinige autonome und bekannte Leiter der Festspiele am Grünen Hügel. Das 1937 Plätze umfassende Auditorium war bisher stets auf Jahre ausverkauft. Noch vor wenigen Jahren konnte man sich für maximal zwei Karten bewerben. Und die Wartezeit, um diese zu erlangen, dauerte bis zu acht Jahren.

 

 

In meiner 19-jährigen Direktion der Wiener Staatsoper war es mir immer bewusst, dass die Bayreuther Festspiele die wichtigste aller Opernunternehmungen weltweit sind. Ich versuchte deshalb schon a priori in der Bayreuther Probenzeit keine Werke anzusetzen, in denen mögliche für Bayreuth infrage kommende Sänger auftraten. Ich wollte vermeiden, dass ich diese gegebenenfalls für Proben in Bayreuth freigeben müsste. Wenn es dann trotzdem geschah, konnte und wollte ich Wolfgang Wagners Bitte nicht abschlagen. Seine Briefe mit dem Ersuchen um Freigabe des Künstlers waren immer persönlich. Sie waren immer so formuliert, dass ich sowieso nicht Nein sagen konnte.

 

 

Die höchste Auszeichnung
Das Hemd ist einem Opernleiter näher als der Rock, und ich handelte immer danach. Aber Wolfgang Wagners Bayreuth war dann doch irgendwie noch näher als das Hemd. Ich betrachte bis heute als Höhepunkt meines Wirkens auf dem Gebiet des Opernlebens meine Rede beim Festakt zum 100. Geburtstag von Wolfgang Wagner auf der Bühne des Bayreuther Festspielhauses.

 

 

Die höchste Auszeichnung für einen Dirigenten und einen Opernsänger war das Engagement nach Bayreuth. In der langen Zeit der Festspielleitung Wolfgang Wagners lernte die Opernwelt Regisseure wie Götz Friedrich, Patrice Chéreau oder Harry Kupfer kennen, alle bereits in Zeiten, in denen die Wichtigkeit der Regisseure – nicht aber das, was wir heute unter Regietheater verstehen – allmählich zunahm.

 

 

Verärgertes Publikum
Musik und Texte der Schöpfer waren die zwei Säulen ihrer Arbeit. Diese und nur diese waren ausschlaggebend. Durch die szenischen Aberrationen der letzten Jahre und nicht zuletzt auch durch die fragwürdigen Dirigenten und Sängerbesetzungen verließ das zahlende Publikum Bayreuth immer öfter enttäuscht, ja verärgert.

 

 

Wütend taten diejenigen, die die Werke bereits kannten, ihre Enttäuschung am Ende des Spektakels lauthals kund. Nicht weniger verunsichert jedoch sind auch jene, welche eines der zehn in Bayreuth gezeigten Werke Wagners erstmalig erlebten. Allein die wunderbare, weltweit einmalige Akustik im Festspielhaus kann durchschnittliche musikalische Leitungen, oft schlechte Sängerbesetzungen und unverständliche optische Wiedergaben der von den jeweiligen Regisseuren erfundenen Geschichten nicht wettmachen, um Besucher zu behalten.

 

 

Die nicht ausverkauften Bayreuther Festspiele sind und sollen eine Warnung sein für alle jene Operntheater weltweit, welche die Musik und die Vorlage – das Libretto –, auf deren Grundlage die Musik komponiert wurde, vernachlässigen, verändern, verachten und, man glaubt es nicht, öfters auch nicht kennen. Denn dann bewahrheitet sich allmählich Wotans Warnung vom Ende.

 
 
 
 
 
 
 
IOAN HOLENDER
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
  
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Kurier| 08.03.2023
 
 
Der Doskozil lobt ABBA…?
 
 
 
 
 
 
 

Herr Landeshauptmann Doskozil lobt das Musical ABBA: „Man kann sagen, dass ‚Mamma Mia!‘ ein Riesenhit des Festspielsommers werden wird,“ so wiedergegeben im Kurier vom 4. März.

 


Nie hat sich der burgenländischer Landeshauptmann Hans Peter Doskozil für die Mörbischer Wasserspiele interessiert, weder was man dort aufführt, noch wer diese leitet, bis der ihm offensichtlich nahe stehende, ergraute und nirgends mehr Auftrittsmöglichkeiten habende Alfons Haider sich die Leitung der Mörbischer Seespiele zum Wunsch erklärte.

 


Diese waren jedoch bereits vertraglich für die nahe Zukunft besetzt, und auch die zur Aufführung angesetzte Produktion war bereits festgelegt. Sowohl der vertraglich engagierte künstlerische Leiter Edelmann als auch die Mitwirkenden der geplanten „Lustigen Witwe“ – Produktion wurden ausbezahlt und auf ihre Mitwirkung wurde großzügig verzichtet.

 


Unter Doskozils allerhöchsten Schirmherrschaft und Wohlwollen für Alfons Haider wurde über das vergeudete Steuergeld nicht viel diskutiert, und der Spezi von Herrn Landeshauptmann wurde sogar zum Generalintendanten des Spektakels des vom Austrocknen bedrohten Neusiedlersees ernannt!

 


Na das sind ja schöne Aussichten für die Sozialdemokraten, deren Parteiführer der Herr Landeshauptmann so gerne werden möchte.

 

 

 

IOAN HOLENDER

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Kurier| 14.02.2023
 
 
Niemand sollte ausgeladen werden
Ukraine-Krieg: Destruktive Gesten in Sport und Kultur
 
 
 
 
 
 

Niemand zweifelt daran, dass der vor einem Jahr ausgebrochene Krieg in der Ukraine von seinem Nachbarn, der Russischen Föderation, verursacht wurde. Warum auch immer dies geschah, der Kriegsauslöser ist zu verurteilen.

 

Es ist auch selbstverständlich, dass man den Angegriffenen in jeder Form zu helfen hat. Aber die Absurditäten von manchen Maßnahmen gegen alle und alles, was russisch ist, gegen die 144 Mio. Menschen, die in Russland leben oder je dort gelebt haben, sind grotesk und menschenverachtend.

 

Die Änderung von Straßennamen mit russischen Dichtern oder Komponisten wie Puschkin, Tolstoi oder Dostojewski bis Tschaikowski, Rachmaninow und Prokofiev in westlichen Ländern und das Ausschließen und Ändern von Theater- und Opernprogrammen mit russischen Schriftstellern und Bühnenwerken verarmt sinnlos unsere Kultur, unser Wissen, ja unsere Zivilisation!

 

Wem hilft es, wenn Tschaikowskis „Eugen Onegin“ oder Tschechows „Die Möwe“ nicht auf unseren Bühnen gespielt werden dürfen und diese berühmten und wichtigen Werke aus dem Kanon der Weltliteratur verschwinden müssen?

 

Die Olympischen Spiele sind eine große, tiefe, weltumfassende Errungenschaft unserer Geschichte. Das Olympische Komitee fokussiert auf drei seit der Antike geltende Werte: Respekt, Freundschaft und Leistung. Respekt hat zum Ziel, „die Annäherung und das gegenseitige Verständnis zwischen den Völkern zu fördern.“ Die fünf Ringe stehen symbolisch für die fünf Erdteile und ihre sechs Farben entsprechen denen sämtlicher Nationalflaggen der heutigen Welt.

 

Das Ausschließen eines Athleten oder einer Athletin vom Wettbewerb – einer Läuferin aus Irkutsk oder eines Gewichthebers aus Wladiwostok –, weil er oder sie russisch ist, ist unfair, ungerecht, zersetzend für den Bewerb und nicht im Geiste und Sinne des olympischen Gedankens im weitesten Sinne, womit auch internationale Wettbewerbe wie Wimbledon beim Tennis gemeint sind, wo kürzlich einer der weltbesten Tennisspieler nicht antreten durfte, weil er Russe ist.

 

Die Ausgrenzung einzelner Mitbewerber relativiert darüber hinaus die Leistung der Sieger und vermindert den Wert ihrer Leistung.

 

Und was denkt der zu Unrecht ausgesperrte russische Athlet? Wie reagiert der angehende Pianist oder Sänger, der trotz seiner Qualifikation wegen seiner russischen Abstammung zum Wettbewerb nicht zugelassen wird?

 

Sie werden sich alle frustriert vom Westen bestohlen fühlen. Ihre Abneigung wird sich nicht gegen die kriegsführende Regierung ihrer Heimat richten, sondern gegen den bösen Westen, der sie ungerecht behandelt.

 

 

 

IOAN HOLENDER
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Die Presse | 01.02.2023
Gastbeitrag 
 
Schade um die schönen Pausenräume
 
Einwurf. Theaterstücke ohne Pause sind die neue Unart des modernen Theaterbetriebs.
 
 
 
 
 
 
 
 

Das Promenieren während der Pausen von Theatervorstellungen durch die wunderbaren Foyers des Burgtheaters oder die Sträußelsäle im Theater in der Josefstadt gehört wahrlich zum Besuch dazu. Man tauscht Eindrücke und Meinungen über das Erlebte, über das Stück, die Leistungen der Darsteller und auch über die Inszenierung aus.

 

Wer mag, kann sich ein Getränk, einen Kaffee oder ein kleines Sandwich leisten. Und – warum nicht – man wird gesehen, und man zeigt sich, sogar möglichst in seiner besseren Garderobe. Man blättert durch das Stückprogramm, oder man betrachtet die Gemälde von beliebten und verehrten Schauspielern von früher und der Gegenwart, so wie auch jene von früheren Theaterleitern.

 

Es gibt in ganz Europa keine schöneren, prachtvolleren und architektonisch qualitätsvolleren Pausenräume als im Wiener Burgtheater, außer vielleicht jene der Comédie-Française. Doch heutzutage ist es schade um den vielen Platz, um die große Mühe des Erbauers.

 

Das wenig geschätzte Publikum muss mindestens zwei Stunden und öfter auch viel länger im zugewiesenen Theaterstuhl verharren, darf am Ende applaudieren und soll dann, nach Erhalt seiner abgegebenen Garderobe, nicht ohne Schlange zu stehen, das Theater möglichst rasch verlassen.

 

Keine Pause im „Zauberberg“

Sogar bei einer so komplizierten und unnötigen Darstellung wie der versuchten Dramatisierung von Thomas Manns „Zauberberg“ ist eine Pause nicht erlaubt. Das berühmte und nicht leicht verständliche Buch des Autors kann man beim Lesen unterbrechen, auch manche Passagen wiederholt lesen oder ein Glas Wasser dabei trinken – im Burgtheater nicht. Fast zweieinhalb Stunden hat man stumm zu sitzen, und dann kann man gehen. Warum? Weil der allmächtige Regisseur und sein Dramaturg es so wünschen. Der Wunsch des zahlenden Publikums ist irrelevant, unwichtig und unbedeutend.

 

Wenn wir schon dabei sind: Warum arbeitet man Thomas Manns Meisterwerk „Zauberberg“ in ein Bühnenwerk um, in dem man dafür Essenzielles streicht und krankhaft versucht, sichtbar zu machen, was zum Lesen entstanden ist. Das Theaterstück nach Manns „Der Zauberberg“ dauert 145 Minuten, das Buch kann natürlich niemand in dieser Zeit lesen. Die Theaterversion ist also eine „Reader's Digest“-Version.

 

 

Das Publikum soll sich quälen

 

Überhaupt: Werden Theaterstücke von Shakespeare bis Schiller, von Gorki bis Tschechow, nicht zu sprechen von den antiken Dramen, in der Theaterstadt Wien gar nicht mehr gespielt? Tolstoi und Fallada, Sinclair, Dostojewski und Handke – Dramatisierungen beherrschen die Spielpläne sowohl an der Burg, im Akademietheater, in der Josefstadt als auch am Volkstheater.

 

Theaterstücke sind zum Leidwesen des Publikums von den Bühnen verbannt. Theaterleiter glauben, dass das Publikum zum Lesen zu dumm oder zu faul ist, also spielt man ihm Bearbeitungen von Romanen vor. Diese sind auch leichter zu besetzen, sie sind kürzer, und Nebenrollen sind gestrichen, was wiederum auch gleich Personal spart.

 

Das Publikum kann und soll sich ruhig quälen. Man spielt ja nicht für das Publikum. Und dann wundert man sich, warum das zahlende Publikum im heutigen Theater immer mehr und mehr ausbleibt.

 

 

 

IOAN HOLENDER

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Die Presse | 16.12.2022
 
 

Ein teures Fest für Johann Strauss

Gastkommentar. Überall fehlt es an Geld, aber 20 Millionen Euro für ein Johann-Strauss-Festjahr gibt es locker.

 

 

 

 

 

 

 

Österreichs Städte und Gemeinden werden 2023 doppelt so viele Ausgaben haben wie Einnahmen. Viele Gemeinden werden daher nicht einmal ihre Darlehen bedienen können. Man kann somit auch das Investitionsprogramm des Bundes mit dem Ausbau der erneuerbaren Energie nicht erfüllen. Verkehrsmittel, Schulen, Schwimmbäder u.a. kämpfen besonders mit den Energiekosten.


Aber für ein mehr als fragwürdiges Projekt im Jahr 2025 werden ungefragt 20 Millionen Euro Subvention zur Verfügung gestellt. Es wird ein Johann Strauss-Festjahr zum 200. Geburtstag des Komponisten stattfinden. Dafür wurde ein Leitungsteam unter Roland Geyer, dem pensionierten Intendanten des Theaters an der Wien, installiert, das zehn Mitarbeiter umfasst! Was damit geschehen soll versuchte Herr Geyer als „künstlerischer“ Leiter auf einem schönen Badeschiff in vagen Zügen zu verkünden. Es wird ein „bunter Veranstaltungsreigen gefeiert werden“. Der eine der vier Pfeiler des Festjahres besagt, dass die „Projekte aus dem Strauss’schen Oeuvre in viele kulturelle Bereiche expandieren sollen: Konzertmusik (Klassik bis Elektro), Musiktheater, Tanz, Literatur, Schauspiel, Ausstellung, Performance, Installation, Film und TV, digitale und immersive (?) Künste, Wissenschaft, Musikvermittlung, Kunst im öffentlichen Raum und Open Air Events“. Wohin eigentlich nicht? Für Roland Geyer (70), der neben seiner Pension sicher einen üppig dotierten Vertrag erhalten hat, ist der zu seinem 200jährigen Geburtstag gefeierte Johann Strauss „ohne Zweifel der weltbekannteste Wiener Komponist“.


Den zeitlichen Horizont steckt Geyer „vom Neujahrskonzert bis zum Silvestertanz“ ab. Die Wiener Philharmoniker spielen bei jedem Neujahrskonzert umfangreich Werke von Johann Strauss und können es sicher kaum erwarten von Herrn Geyer Programmhinweise zu erhalten.


Es sei denn, sie werden außer von Rolex und 70 Fernsehstationen auch vom Johann Strauss-Festjahr finanziert. Und was ist bitte der „Silvestertanz“? Staats- und Volksoper spielen regelmäßig zum Jahresende die „Fledermaus“. Geyer führt Gespräche mit den Leitern dieser Institute über das Strauss-Festjahr. Worüber bitte?


Wien solle jedenfalls „als vielleicht wichtigste Kulturmetropole in die Welt hinausstrahlen“, sagt als Programmhinweis der neu bestellte Intendant des Johann Strauss-Festjahres. 1,5 Millionen Euro werden schon in diesem Jahr bezahlt, um die ersten Aktivitäten zu unterstützen und das zehnköpfige umfassende Leitungsteam zu honorieren.


Konkrete Vorhaben kann man natürlich derzeit noch nicht formulieren, aber die Moneten strömen durch die Gießkanne um „einen leeren Acker zu einer blühenden Wiese zu machen“. „Das Feuer brennt nach wie vor in mir“ schließt Geyer.


In einem Leserbrief im „Standard“, in dem das Vorhaben vorgestellt wurde, schreibt jemand: „Hier wird Steuergeld verschwendet, das ist schon fast zum Fürchten. Für kleine Kulturinitiativen gibt es, wenn überhaupt, ein Almosen. Johann Strauss braucht keine PR, wenn das Neujahrskonzert in rund 90 Länder ausgestrahlt wird, ist das PR für Wien genug. Aber man muss ja einen pensionierten Ex-Opern-Intendanten beschäftigen, und den Direktor vom Haus der Musik, damit auch der sich noch Zubrot verdienen kann“.


Mehr ist dazu nicht zu sagen. Vielleicht nur eines, dass es für die Neue Oper Wien und Walter Kobera nicht einmal mehr Almosen gibt. Und - auch wenn Mozart und Beethoven natürlich neben Johann Strauss unbedeutend sind, man durch die schlechte Erfahrung der vergangenen Mozart- und Beethovenjahre nichts gelernt hat.

 

 

IOAN HOLENDER

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Die Presse | 12.12.2022
 
 
Schengen-Veto eine außenpolitische Blamage
 
„Das inszenierte ‚Schengen-Problem‘“, GK von Judith Kohlenberger und Daniela Pisoiu, 6.12.
 
 
 
 
 
 
 
 Das Problem des in der Zwischenzeit von Österreich als einzigem Land der EU vertretenen Standpunkts wurde dankenswerter Weise sachlich, klar und deutlich in der Diskussion über das „Schengenproblem“ wiedergegeben. Es ist schändlich und widersinnig, dass Österreich, das noch vor 7 Monaten zusammen mit anderen EU-Vertretern die Handhabe der Schengen-Bestimmungen in Rumänien äußerst positiv eingeschätzt hatte, jetzt aus rein parteipolitischen Gründen eine total andere Meinung vertritt.

 

 

Der Grund ist offensichtlich, und es ist für jeden klar, dass dies ein Versuch ist, Sympathisanten zu sammeln, damit die ÖVP den Eindruck erwecken kann, gegen Immigranten zu sein. Es ist schändlich und peinlich, dass mit der heutigen Entscheidung Österreich allein es verhindert hat, dass Rumänien genauso wie Kroatien in den Schengen-Raum aufgenommen wird. Rumänien, das auch ein NATO-Staat ist, hat über 3 Millionen ukrainischer Flüchtlinge aufgenommen und mehrere Tonnen Getreide an die Ukraine weitergeleitet. Jetzt ist es der ÖVP-Regierung gelungen, sich auch außenpolitisch zu blamieren.
 

 

IOAN HOLENDER
 
 
 
 
 
 
 
 
Kronen Zeitung | 10.11.2022
 
 
Ein Haus voll Ringstraßenpracht 
Zagreb, Nationaltheater: "Nabucco", Gian C. del Monaco, Pier Giorgio Morandi
 
 
 
 
 
 

Kaiser Franz Joseph eröffnete 1895 das von Österreichs Ringstraßenarchitekten Helmer und Fellner gebaute kroatische Nationaltheater im alten Agram, heute: Zagreb. Das luxuriös ausgestattete Haus mit seinen drei Rängen hat 700 Plätze und gilt neben jenen von Wiesbaden und Zürich als prachtvollster Bau der Architekten.

 

Ex-Staatsoperndirektor Ioan Holender dreht nun für ServusTV eine Dokumentation und berichtet für die „Krone“ über eine spannende „Nabucco“-Produktion.

 

Durch das Engagement von Pier Giorgio Morand, des auch in tätigen italienischen Spritzendirigenten, als Musikdirektor genießt das Haus internationale Beachtung. So ist nun der Gian Carlo del Monaco inszenierte frühe Verdi stets ausverkauft. Del Monaco zeigt einen Regiemix: Historisierendes trifft auf – mitunterunverständliche – Modernismen. Leiter mit wenig Personenführung, zwei Pausen (!) und zusätzlich langen Umbauphasen. Das junge Publikum bejubelt de Vorstellung trotzdem sehr enthusiastisch.

 

Orchester und Chor spielen und singen unter Morandi präzise, differenziert, mit schönem Verdi-Ton. Da „Nabucco“ täglich gezeigt wird, alternieren zwei Besetzungen. In beiden gefallen sehr solide Sänger des Laibacher Ensembles. Neben dem „Ismaele“ Filip Filpovic Ismaele beeindrucken der herausragende Ljubomir Puskaric, ein kraftvoller Verdi-Bariton, und die junge, aus der Zagreber Musikakademie kommende Debütantin Emilia Rukowina als Fenena. Man sollte sie sich vormerken!

 

Rund 60 Opernvorstellungen pro Saison, davon drei Opernproduktionen, werden im Dreispartentheater gezeigt. Neben „Nabucco“ sind es heuer Johann Strauß‘ „Fledermaus“ und zwei Kurzopern kroatischer Komponisten. Die frühere Sopranistin und in Wien auch als kroatische Kulturbotschafterin tätig gewesene Ira Hraste-Soco führt das Haus gekonnt und mit ausgezeichnetem Fachwissen als Generalintendantin.
 

 
IOAN HOLENDER
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Kurier | 20.07.2022
 
 
"Warum werden Künstler bestraft?"
 
 
 
 
 

Die beste und bei jedem ihrer Auftritte überall Häuser füllende Sopranistin Anna Netrebko wird von allen Veranstaltungen, die subventioniert werden, eliminiert. Der bis zur russischen Intervention in der Ukraine überall im Westen wirkende Dirigent Valery Gergiev wurde sofort weltweit entlassen.


Natürlich wirkten beide Künstler regelmäßig auch in ihrer Heimat und wurden dort auch von den politischen Leitungspersonen verehrt, gelobt und ausgezeichnet. Der Präsident der Russischen Föderation machte sich Sympathisanten durch seine Anwesenheit bei Veranstaltungen, in denen Netrebko oder Gergiev oder gar beide zusammen auftraten, und der russische Staat bezahlte auch seine Künstler - vielleicht nicht so hoch wie sie im Westen bezahlt werden, aber doch.


Die westlichen Medien – angeführt von jenen in Amerika – bestanden auf einem Auftrittsverbot von ihnen, genauso wie von allen anderen Künstlern, Sportlern und sogar der Eliminierung von russischer Musik und Literatur aus der Vergangenheit bis heute.


Man verlangt von allen eine klare und dezidierte Verurteilung des Landes, in dem sie und ihre Familie leben, dem Land, das den Krieg gegen die Ukraine begonnen hat. Aus absolut verständlichen Gründen tut dies niemand, der im Land lebt, gelebt hat und in der Zukunft dort leben wird. Keiner befürwortet die russische Intervention in der Ukraine und keiner äußert sich dagegen. Nie und niemand hat je von einem Künstler oder Sportler in einem demokratischen Staat eine politische Meinung zwingend verlangt.


Jetzt versucht ein deutscher Journalist, Anerkennung zu erlangen, indem er für den griechischen, in Russland lebenden und weltweit wirkenden genialen Dirigenten Teodor Currentzis ein Auftrittsverbot zu erreichen versucht, weil dieser sich politisch nicht geäußert hat gegen das Land, in dem er als Ausländer studiert hat und sehr erfolgreich arbeitet.


Den Krieg in der Ukraine wird dies alles nicht beeinflussen oder gar verkürzen. Im Gegenteil, solange die Staaten in der EU, angeführt und von den Vereinigten Staaten unter Druck gesetzt, weiterhin Waffen über die NATO – natürlich vor allem vom größten Waffenproduzenten Amerika – der Ukraine geben, verlängert sich der Krieg.


Die Sanktionen schaden uns nicht minder als jenen, gegen die sie gerichtet sind.


Die USA wünschen sich und machen dementsprechend Druck dafür, dass wir ihr viel teureres und durch Umwelt schädliche Art und Weise gewonnenes Gas abkaufen.


Als die USA vor Jahren Nordvietnam überfallen hatten und die Menschen dort mit verbotenem Giftgas umbrachten reagierte der europäische Westen genauso wenig, wie als sie den Afghanistan- und den Irakkrieg auslösten.


Nur eine rasche Einigung mit Putins Russland, ohne Druck und Verfolgung von beiden Seiten, kann dem Leiden in der Ukraine ein Ende setzen. Das sagt uns allein der normale Menschenverstand.

 

 

Ioan Holender

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Die Presse | 22.06.2022
 
 
Holender: „Die Oper ist schwer gefährdet“
 
 
Der Es-Staatsopernchef diskutierte mit Wilhelm Sinkovicz über die „Diktatur der Regisseure“.
 
 
„Man ist auf dem besten Weg, die Existenz der Oper schwer zu gefährden.“ Zu dieser Conclusio kam der ehemalige Staatsoperndirektor Ioan Holender, als er auf Einladung der „Presse“ im Theatermuseum mit Wilhelm Sinkovicz über die Frage „Hat die Oper Zukunft?“ diskutierte. Die beiden Kenner der Opernwelt zeichneten ein beunruhigendes Bild: Holender hielt einerseits das Abkommen vom Ensemblegedanken für „gefährlich. Wo sollen junge Sänger sich denn ausprobieren und wachsen dürfen? Wie kann ein Haus ein Charakteristikum entwickeln, wenn man überall auf der Welt die gleichen Sänger hört?“
 
 
Andererseits sprach er von einer „Diktatur der Regisseure, durch die gebracht wird, was die Inszenierenden wollen oder was sie schon anderswo gemacht haben.“ Auf die Frage, warum man zuletzt immer noch mehr auf Koproduktionen setze, sagte Holender: „Aus Nichtwissen und aus Angst, es selbst zu machen“. Denn wenn Zuschauer Missfallen äußern, kann man immer noch sagen: Aber es war doch ein Triumph in Paris. Er habe zu Koproduktionen eine klare Meinung: „Gern, wenn ich der Erste bin, niemals, wenn ich eine Produktion als zweiter bringen soll.“
Auch bedingt durch diese „Allmacht der Regisseure“ sei das Repertoire aber auf nicht einmal 40 Kernwerke reduziert. Sinkovicz und Holender waren sich einig, dass es zahlreiche Werke gäbe, bei denen lohnend wäre, sie auf die Bühne zu bringen, anstatt die x-te Neuinszenierung der immer gleichen Stücke zu zeigen. „Für mich ist einer der Gründe, warum ich skeptisch bin, dass es die Gattung noch lange gibt, die Tatsache, dass in neuen Inszenierungen teils sogar die Handlung überarbeitet wird, sagte Sinkovicz. „Dass jemand den Sinn verändert, halte ich für komplett verwerflich. Gerade wenn man jungen Menschen die Oper falsch präsentiert, kommen diese nie wieder.“
 
 
„Text muss verständlich bleiben“
 
Auch Holender ließ Kritik am „Regietheater, das wir beide meiden wie die Pest“ laut werden. Wenn ein junger Mensch aus einer `Tosca´ an einem Wiener Opernhaus heimkomme und der Vater sich bei dessen Erzählungen fragen muss, ob der Sohn überhaupt in der geplanten Vorstellung war, „ist dies eine Absurdität. Wir leben in einer Zeit, in der sich viele Zuschauer den Besuch von Opernvorstellungen abgewöhnt haben und die Abos und das kennende Publikum zurückgehen. Da kann die Oper nur dann fortbestehen, wenn Handlung und Text gut verständlich bleiben – denn alles andere stört die Musik.“ Für ihn lasse sich aus all dem schließen, „dass die Oper aktuell auf wackligen Beinen steht.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KRONEN ZEITUNG | 21.06.2022

 

 

Deutsche Oper Berlin: „Meistersinger“, Wieler & Morabito

 

 

 


Knapp 30 Jahre nach Götz Friedrichs berühmter Fassung wagt die Deutsche Oper Berlin unter der erfolgreichen Intendanz von Dietmar Schwarz eine Neuproduktion von Richard Wagners „Meistersingern von Nürnber“, seinem am meisten geliebten und zugleich gehassten Werk.


Ex-Staatsoperndirektor Ioan Holender drehte für Servus TV eine Dokumentation der Produktion, die im September ausgestrahlt wird. Und er berichtet für die „Krone“:


Dem Regieduo Jossi Wieler und Sergio Morabito (Chefdramaturg der Wiener Staatsoper) gelingt das Kunststück, die „Mestersinger“ klug, ohne Entstellungen wiederzugeben und ohne großes deutsches Pathos zu zelebrieren.


Evas Vater, Veit Pogner – von Albert Pesendorfer mit etwas verbrauchtem, aber noch würdigem Bass gesungen – besitzt hier eine Musikschule, in der Sachs und Beckmesser unterrichten und Stolzing gerne dabei wäre, um Pogners Tochter Eva nahe zu sein.
Es ist ein Kampf um Evas Gunst – Heidi Stober sowohl stimmlich wie optisch ideal besetzt -, denn der hervorragend aussehende und sicher singende „Stolzing“ Klaus Florian Vogt gewinnt, ohne sich im Geringsten für die Regeln der Meistersinger zu interessieren. Sehr überzeugend lassen Wieler & Morabito das Liebespaar Richtung Zuschauerraum weggehen, ohne dass sie sich noch einmal umschaut.


Johan Reuter ist der durchschnittlich singende, flehentlich kämpfende Hans Sachs, der selbst auch nicht mehr ganz daran glaubt, wofür er eigentlich plädiert. Dadurch verliert die historisch fragwürdig missbrauchte Festwiese ihren schlechten Ruf der Deutschtümelei. Der dritte im Bunde von Evas Adoranten ist Sixtus Beckmesser, sehr gut gesungen und gespielt vom Ensemblemitglied Philipp Jekal.


Markus Stenz ist der kundige und musikalische Leiter der klugen Inszenierung.


Erfreulich, dass es gelingt, diese 2Meistersinger“ im Repertoire wohl noch viele Jahre spielen zu können.
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ioan Holenders Replik auf Axel Brüggemanns Beitrag „Falsche Töne für Putin“ vom 18. April 2022

 

Der Standard

 

 

 

 

 

 

Falsche Töne gegen Teodor Currentzis


Axel Brüggemann möge es zustehen gegen alles, was russisch ist, eine Tabula rasa auszurufen. Teodor Currentzis ist Grieche und nicht russischer Grieche. Er hat in Moskau studiert, so wie viele andere Musiker. Er gründete vor vielen Jahren das MusicAeterna genannte Orchester, in dem neben russischen Musikern auch sehr viele Mitglieder aus anderen Ländern – auch Ukrainer engagiert sind. Currentzis leitete mit seinem Klangkörper die Opernhäuser von Novosibirsk und Perm, und jetzt haben sie ihren Sitz im Domradio in St. Petersburg. Sein von ihm gegründetes Orchester MusicAeterna gehört zu den europäischen Spitzenorchestern, und es erhält permanent Einladungen von den bekanntesten Konzertveranstaltern weltweit. So auch seit Jahren zu den Salzburger Festspielen, wo sie bereits in den letzten Jahren statt den Wiener Philharmonikern die Eröffnungspremiere der Festspiele bestritten haben, zuletzt Mozarts „Don Giovanni“.

 

Außer der Leitung des MusicAeterna Orchesters hat Currentzis die Position des Chefdirigenten des SWR Symphonieorchesters Baden-Baden und Freiburg inne. Im heurigen Salzburger Festspielsommer dirigiert er mit dem Gustav Mahler Jugend Orchester die Eröffnungsoper „Herzog Blaubarts Burg“ von Bartók.

 

Dass der Intendant des Wiener Konzerthauses auch in einer oder mehreren Stiftungen einen Sitz hat ist üblich und eine löbliche nicht honorierte Tätigkeit. Der offensichtliche Hass des Journalisten Brüggemann gegen den erfolgreichen Konzerthaus-Leiter Matthias Naske besteht nur dadurch, dass dieser als erster Teodor Currentzis und sein Spitzenorchester MusicAeterna regelmäßig nach Wien engagiert, wo es mehrfach ausverkaufte Säle vor einem jubelnden, vor allem auch jugendlichen Publikum gibt.

 

Der Direktor der Metropolitan Opera in New York hat Currentzis nie ausgeladen, denn er war dort auch nie tätig gewesen.


Die Hetzjagd gegen alles, was aus Russland kommt, möge heute „zeitgemäß“ sein und gibt manchen Gelegenheit, sich dadurch bekannt zu machen.

 

Doch Pauschalverdammungen garniert mit falschen Unterstellungen sollten in seriösen Blättern keinen Platz haben.

 

 

Ioan Holender
Direktor der Wiener Staatsoper a.D.
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

"Holenders Loge" - "Hexenjagd auf Teodor Currentzis"

 

18.04.2022, 17:55 Uhr, Servus TV

 

 

 

 

 

 

Russen und Ukrainer spielen gemeinsam mit andern Musikern aus verschiedenen Ländern im Musica Aeterna genannten Orchester, das vom griechischen Dirigenten Teodor Currentzis 2004 gegründet wurde. Aufgrund der außerordentlich hohen Qualität des Orchesters und ihres musikalischen Leiters wird der renommierte Klangkörper von den bekanntesten Konzertveranstaltern eingeladen.


So war es auch bei der Wiener Konzerthausgesellschaft, und so sollte es bei den Salzburger Festspielen diesen Sommer sein. Doch plötzlich echauffiert sich der Botschafter der Ukraine in Österreich, dass im Orchester Russen gemeinsam mit ukrainischen Musikern spielen, und dass die Hintergründe der finanziellen Unterstützung für das Orchester und ihren Leiter Teodor Currentzis nicht klar seien…


Er sagt seine Teilnahme beim – als Benefizkonzert für die Ukraine geplanten – Konzert ab und weigert sich, die € 50.000,-, die als Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge vorgesehenen waren, anzunehmen, weil im Orchester auch Russen musizieren. Man betont stets, die Musik sei Völker verbindend… Mit dem Benefizkonzert wollte man zeigen, „dass Kunst und Musik über Grenzen hinweg eine wichtige verbindende Rolle spielen kann.“ Offenbar aber nicht für den ukrainischen Botschafter.


Und was geschieht daraufhin in der Musikhauptstadt Wien? Wegen des politischen Drucks des ukrainischen Vertreters in Österreich und der eifrigen und lauten ungefragten Meinung eines Journalisten, der bestrebt ist, auf sich aufmerksam zu machen, wird das Konzert abgesagt.


Ich war dabei nach dem letzten Konzert, als ukrainische und russische Mitglieder des Orchesters ihr vollkommenes Unverständnis für die Aktion des ukrainischen Botschafters, und noch mehr, seiner österreichischen Handlanger, zeigten.


Weil Teodor Currentzis vorgesehen ist, im Sommer bei den Salzburger Festspielen mit den jugendlichen Musikern des renommierten Gustav Mahler Jugend Orchesters zu dirigieren, herrscht bei den Entscheidungsträgern Unsicherheit, ob durch das laute Geschrei von ungefragten Wichtigtuern und selbsternannten Moralaposteln gegen den weltweit anerkannten und geschätzten Dirigenten Teodor Currentzis etwas vorliege, das Anlass zu seiner Entfernung wäre.


Die Hetzjagd von inquisitorischen Anführern gegen Künstler – ob Sänger, Instrumentalisten oder Dirigenten geht unvermindert weiter. Das geht so weit, dass jetzt bei einem internationalen Geigenwettbewerb die jungen russischen Künstler als Mitbewerber ausgeladen wurden!!!


Dass der Botschafter eines fremden Staates in Österreich bestimmt, wer und was in einer österreichischen Kulturstätte gespielt werden darf, ist neu und die Spitze der - einer bisher unbekannten - kulturellen Unfreiheit.
 

 

 

 Ioan Holender

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

"Holenders Loge" - "Die zerstörerische Macht des Regietheaters"

 

21.04.2022, 23:20 Uhr, Servus TV

 

 

 

 

 

 

 

Seit rund 400 Jahren werden Geschichten durch Menschen erzählt, in dem ein Komponist eine dramatische Dichtung vertont, dieses - Oper genannte - Werk von einem Orchester und menschlichen Stimmen dargeboten wird. Die singende Menschenstimme erzählt musikalisch glaubhaft und beeindruckend, was der Komponist und sein Dichter erfunden haben.


Den optischen und darstellerischen Teil dazu realisieren die Regisseure, während Dirigenten das Zusammenspiel zwischen dem Orchester und den Sängern leiten.


In den Annalen der 1869 eröffneten Wiener Staatsoper wurde der Name jener Person, welche das Werk in Szene gesetzt hat – heute Regisseur genannt – bis zur Jahrhundertwende nicht genannt. Heute sind die Regisseure die mächtigsten Gestalter einer Opernproduktion und sie sind wichtiger geworden als die Sänger und der musikalische Leiter.


Manche Opernregisseure versuchen heutzutage die Geschichte, die die Basis und der Ausgang der dazu komponierten Musik ist, nach ihrem Wunsch zu verändern, ohne Rücksicht auf die dazu geschriebene Musik, wobei die meisten Regisseure nicht einmal Noten lesen können. Mancherorts verändert man sogar die geschriebenen Texte im Sinne der neu erfundenen oder korrigierten Geschichte. Dadurch passt die Musik als wichtigster Bestandteil des Werkes natürlich nicht mehr zur neuen Vorlage.


Dazu ein paar von vielen Beispielen: Aus Georg Büchners genialer Dichtung „Wozzeck“ wird in Alban Bergs ebenso genialer Oper aus einem Soldaten ein Barbier, Goethes Margarethe wird in der Vertonung von Gounods Oper „Faust“ eine Prostituierte, und als aktueller Höhepunkt der als Regietheater benannten Vergewaltigung und Vernichtung der Vorlage wird Puccinis Meisterwerk „Bohème“ nicht mit dem Beginn der Geschichte auf die Bühne gebracht, sondern mit dem letzten Akt begonnen und mit dem ersten beendet…die arme Mimi stirbt bevor sie zu lieben beginnt.


Das Nonplusultra geschah jetzt am Stuttgarter Opernhaus, wo Richard Wagners dreiaktige Oper „Walküre“ von drei Regisseuren und ebenso vielen Bühnenbildnern inszeniert wurde. Der Begriff Gesamtkunstwerk ist wohl noch nicht bis dorthin gelangt…


Berichterstatter kennen natürlich das vom Schöpfer intendierte Werk, aber die neue Erzählung des oder der Regisseurin und die damit verbundenen Rätsel der Interpretation sind natürlich für sie spannender zu erzählen und auch Papier füllender.


Die Arbeit gebenden Intendanten der szenischen Gestalter lassen das alles zu, indem sie sich mit dem Unsinn „modern und zeitgemäß“ empfinden und glauben, der Kunst ihre Freiheit zu lassen.


Seit der Zeit der Kastraten bis zu Caruso, Callas, Pavarotti und heutzutage Netrebko und Kaufmann kaufen sich Opernbesucher Karten, um gewisse Sänger zu hören. Diese sind hingegen bei vielen heutigen Regisseuren sekundär geworden.


Übrig bleibt das verstörte Publikum, das seinen Unmut durch lauten „Buhen“ kund tut. Die Gefahr ist, dass durch diese Entwicklung das zahlende Publikum langsam ausbleibt und damit die selbst verursachte Krise der Oper allmählich zu ihrem Ende führen wird.
 

 

 

Ioan Holender

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Turin, Teatro Regio: „La Bohème”
Bilderzauber von 1896

10. März 2022, Kronen Zeitung

 


 

 

 

 

 

126 Jahre nach der Uraufführung im Teatro Regio in Turin wurden Bühnenbilder und Kostüme für Puccinis „Boheme“ nach Archivmaterial des Ausstatters Adolf Hohenstein von 1896 rekonstruiert. Ex-Staatsoperndirektor Ioan Holender besuchte Turin, drehte die Produktion für Servus TV mit und schreibt für die „Krone“.

 

Pier Giorgio Morandi, in Wien von “Aida”, “Nabucco” oder “Sonnambula” wohl bekannt, leitet die Aufführungsserie von „La Bohème“, die hier von Arturo Toscanini uraufgeführt wurde. Eine inspirierende Opernvorstellung. Die gemalten Originaldekorationen wurden eindrucksvoll rekonstruiert, konnten allerdings nicht mehr wie einst im Schnürboden eingehängt werden, weil es diese Aufhänger nicht mehr gibt. So fixierte man sie nun am Boden. Großartig die Wirkung der Kostüme der Pariser Kinder und Erwachsenen im sogenannten Momus-Akt. Ein Bilderzauber!

 

Der Ukrainer Valentin Dytiuk und der Italiener Matteo Lippi alternieren als ausgezeichnete, bis zum sicheren hohen C singende Rodolfos, wobei der noch junge Dytiuk eine besonders strahlende Stimme zeigt. Die griechische Mimi, Maritina Tampkakopoulos, war die Erstbesetzung, doch die schlanke Francesca Sassu war vokal und als Interpretin die interessantere Sängerin. Biagio Pizzuti und Ilya Kutyukhin gefielen als Marcello, wobei die hervorragende Akustik des Teatro Regio jede Stimme mit allen Vor- oder Nachteilen sehr gut hörbar macht.

 

Erstaunlich, was der von seiner Arbeit im Theater an der Wien bekannte Sebastian F. Schwarz hier als Direttore Artistico – künstlerischer Leiter – mit jungen, zum Teil unbekannten Sängern vorzeigt.


Ioan Holender











 

 

 

"Holenders Loge" - "Die Gewinner sind die Waffenfabrikanten"

10.03.2022, 23:20 Uhr, Servus TV

13.03.2022, 11:15 Uhr, Servus TV



Vor 60 Jahren, im Jahre 1962, entstand Benjamin Brittens War Requiem, im Andenken an die Toten des Zweiten Weltkrieges unter Mitwirkung je eines Solisten aus Deutschland, Russland und England, als Zeichen der Versöhnung der ehemaligen Kriegsfeinde.


Heute sagen prominente Künstler aus Russland, die eine Nähe zu Putin haben, wie Anna Netrebko, ihre westlichen Auftritte aus Angst vor Kritik oder Publikumsunmut ab, oder sie werden seitens der arbeitgebenden Opernhäuser gekündigt. Anderen wie dem Dirigenten und St. Petersburger Operndirektor Valery Gergiev kündigt man die rechtsgültigen Verträge in westlichen Ländern, wenn sie sich nicht deutlich gegen den russischen Staatspräsidenten Putin und dessen aggressive Angriffe in der Ukraine distanzieren. Das Bayerische Staatsorchester hat alle aus Russland stammenden Werke von russischen Komponisten – bis Tschaikowski, Rachmaninow u.a., aus ihrem Konzertprogramm ausgeschlossen, und spielt stattdessen die ukrainische Hymne und Werke ukrainischer Komponisten. Ob diese Eingriffe in die Kultur zur Milderung der Aggression führen, bezweifle ich…


1964 haben die vereinigten Staaten von Amerika einen grausamen Krieg mit Einsatz von Giftbomben gegen Vietnam ausgelöst. Der Grund dafür war die Verhinderung des Entstehens eines unabhängigen Vietnam unter der Leitung des von der Mehrheit demokratisch gewählten eigenen Staatsführers Ho Chi Minh, weil dieser nach Ansicht der amerikanischen Führung politisch entschieden links orientiert war.


Heute werden gegen den russischen Präsidenten Putin wegen seiner Invasion in der Ukraine von nahezu allen westlichen Staaten, inklusive dem neutralen Österreich, schwere Sanktionen ausgerufen.


Obwohl der grausame, mörderische Vietnamkrieg von nahezu allen Bürgern auch der westlichen Länder durch Schriften und auch Straßen- Demonstrationen kritisiert wurde, geschah damals nichts gegen den Kriegs-Verursacher, sprich gegen Amerika. Sanktionen wirtschaftlicher Art gegen die mächtigen USA wurden nicht einmal in Erwägung gezogen, und ein Auftrittsverbot amerikanischer Künstler – ob auf dem Gebiet der Unterhaltung oder der Klassik - wenn diese sich nicht öffentlich gegen die Politik ihres Landes deklarierten, war schlichtweg undenkbar.


Im Gegenteil, sogar ein absoluter Weltstar wie Charlie Chaplin war gezwungen, die Vereinigten Staaten wegen seiner linksgerichteten Ansichten zu verlassen.


Zweierlei Maß in der gleichen Welt? Was geographisch weit weg von uns ist, beschäftigt uns nicht oder kaum, jetzt geht’s aber um Europa und es betrifft uns unmittelbar….


Es gibt noch andere, für die Menschen nicht weniger tragische Beispiele. So die Vernichtung Iraks seitens der Vereinigten Staaten mit der Rechtfertigung der Lüge, bezugnehmend auf gesichtete Atomanlagen, welche dort nicht existierten, oder erst kürzlich die amerikanische Präsenz und Flucht aus Afghanistan. Dort allerdings haben sich beide Eroberer geirrt, wobei die Russen schneller erkannt hatten, dass dort nichts zu holen ist und rascher abgezogen sind als die Amerikaner.


Selbstverständlich ist jeder Staat, welcher einen Krieg entfesselt, ob jetzt oder früher, ob in unserer Nähe oder weit weg, zu verurteilen.
Die Gewinner sind in jedem Fall die Waffenfabrikanten, die ihre Goldene Zeit immer haben, wenn irgendwo Krieg herrscht.


Einen Feldzug gegen Musiker oder andere Künstler – von wo auch immer diese herkommen – auszulösen, ist allerdings ganz neu! Wenn auch mehr als fraglich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

"Holenders Loge" - "Künstler unter Boykott"
07.03.2022, 22:30 Uhr, Servus TV



Der Konzert- und Operndirigent Valery Gergiev ist Direktor der beiden großen staatlichen Opernhäuser Marinsky in St. Petersburg, und er gilt als naher persönlicher Freund des russischen Präsidenten Vladimir Putin.
Gergiev, dem auch weltweit geschätzten Dirigenten, werden in seinem Heimatland durch seine Nähe zu Putin alle nur möglichen Opportunitäten zugebilligt. Er hat sich mehrmals öffentlich als des Präsidenten nahestehender Genosse gemeinsam mit ihm auch am Bildschirm gezeigt.


Jetzt haben wichtige westliche Kulturinstitutionen wie die Mailänder Scala und nachträglich die Wiener Philharmoniker abgeschlossene Verträge mit dem Dirigenten annulliert, weil er sich nicht öffentlich von Putins Angriff auf die Ukraine distanziert hat. Die Münchner Philharmoniker haben im Rahmen eines 3-tägigen Ultimatums ihren Chefdirigenten dazu aufgefordert, sich eindeutig und unmissverständlich von der russischen Aggression in der Ukraine zu distanzieren. Da Gergiev sich dazu nicht geäußert hat, haben sie seinen Chefdirigentenvertrag annulliert und angekündigt, dass es keine weiteren Konzerte der Münchner Philharmoniker unter seiner Leitung geben wird. Es handelte sich um einen rechtsgültigen Vertrag bis 2025. Außerdem: Gergievs persönliche Nähe zu Putin war beim Vertragsabschluss schon bekannt. Es besteht kein Zweifel, dass wenn Gergiev klagt, er bis 2025 ausbezahlt werden muss.


Ich frage nun, wer entscheidet, wer Putins Freund ist? Oder wer entscheidet, ob ein russischer Arbeitnehmer im Westen der Welt, sei er Künstler, Fußballer oder Wissenschaftler, Geld verdienen darf oder nicht? Alle, natürlich auch Gergiev, besitzen rechtlich abgeschlossene Verträge. Diese sind unabhängig der politischen Meinung, Religion und dem Geschlecht gültig!


Müssen jetzt alle aus der Russischen Föderation stammenden Menschen, die im Westen durch ihre Tätigkeit Geld verdienen, eine Anti-Putin-Deklaration unterschreiben? Und was ist mit der Sängerin Netrebko, die sowohl österreichische als auch russische Staatsbürgerin ist? – Wo gehört sie hin? – Wo gehört sie mehr hin? Für oder gegen wen muss sie sich deklarieren? Jetzt hat sie, nach einigen Tagen Bedenkzeit, erklärt, sie möchte, „dass der Krieg aufhört“, und ist dagegen, dass man Künstler dazu zwingt, „ihre politischen Ansichten öffentlich zu machen und ihr Vaterland zu beschimpfen“. Netrebko hat alle ihre Auftritte im Westen abgesagt; die Mailänder Scala hat allerdings selbst ihre Mitwirkung an der bevorstehenden Premiere von Cileas Adriana Lecouvreur einseitig gekündigt.


Und was geschieht auf der anderen Seite? Dürfen westliche Staatsbürger von Schröder, Gusenbauer, Sigi Wolff, Opernsängern bis hin zu Sportlern und viele anderen, die in Russland Geld verdienen, dies weiterhin tun? Oder müssen sie dann auch eine Deklaration gegen die N.A.T.O., den amerikanischen Präsidenten Biden oder die EU veröffentlichen oder eine, die Putins Einmarsch in der Ukraine begrüßt?


Tatsache ist, dass ein Teil der russischen Streitkräfte in die benachbarte Ukraine einmarschiert ist. Ebenso ist es eine Tatsache, dass es tote und verletzte Menschen beiderseitig von Angreifern und Verteidigern gibt. Die Attackierten, Angegriffenen wehren sich mit Hilfe der gesamten westlichen Welt durch „Strafmaßnahmen“ gegen das Land des Aggressors.
Da der Westen aber mit dem Osten genauso wie der Osten mit dem Westen - im Sinne des gemeinsamen Kapitalmarktes durch Bankverbindungen und gegenseitige Geschäfte nicht zuletzt der Import von russischem Gas - verbunden ist, entstehen Fragen, Peinlichkeiten, Unverständnis und Rivalitäten zwischen und durch die Involvierten von da und von drüben. Und vor allem entstehen beachtliche finanzielle Verluste für beide Seiten.


1962 komponierte Benjamin Britten sein War Requiem zum Andenken der Kriegstoten aus dem Zweiten Weltkrieg. Mit der Wahl der drei Sänger-Solisten der Uraufführung in der wieder aufgebauten Kathedrale von Coventry wollte der Komponist die Versöhnung der vorher im Krieg verfeindeten Völker symbolisieren, und so besetzte er die russische Sopranistin Galina Wischnewskaja, den englischen Tenor Peter Pears und den deutschen Bariton Dietrich Fischer-Dieskau.


Hoffen wir, dass die musikalische Versöhnung auch heute, 60 Jahre später, nachwirken wird.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KURIER | 25.02.2022

 

 

Wäre der Opernball wegen des russischen Einmarsches nun abgesagt worden?

 

Bereits beim Golfkrieg fand das Fest nicht statt


 

 

 

  

Gastkommentar 

  

  

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Musik und Tanz. Vor 31 Jahren wurde der Opernball wegen des Ausbruchs des zweiten Golfkrieges zwischen den USA und Irak abgesagt. Pandemiebedingt wurde der Opernball sowohl im vergangenen Jahr als auch heuer notgedrungen abgesagt. Die Staatsoper spielt stattdessen Opernvorstellungen, was auch ihre eigentliche und ursprüngliche Aufgabe ist. Heute, am Tag nach dem Opernball, hätte die Zauberflöte für 7.000 Kinder stattgefunden, einigermaßen als Rechtfertigung für den Opernball. Die Staatsoperndirektion hat sensiblerweise die selbstproduzierte Kinderoper „Der Barbier von Sevilla" angesetzt.

 

Absage. Ich stelle die müßige Frage, ob, wenn uns die Pandemie nicht beherrschen würde und der Opernball programmiert gewesen wäre, dieser wegen des russischen Einmarschs in die Ukraine abgesagt worden wäre. Obwohl das jetzige Geschehen eigentlich kein Krieg ist, weil Russland praktisch keinen Gegner hat, was ja für einen Krieg eine notwendige Bedingung wäre.

 

 

IOAN HOLENDER

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KURIER | 02.02.2022

 

 

Staatsopern-Ehren: Drei erfüllte Lebenswege nahe am Gipfel, den man nie erreicht

  

 

Zu den Auszeichnungen von Young, Kaufmann und Terfel

 

 

 

  

Gastkommentar 

  

  

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Musik.

 

Es ist bekannt, wie lange es gedauert hat, bis Dirigentinnen ans Pult der Wiener Staatsoper gelangten. Simone Young war 1993 die erste dirigierende Frau im Orchestergraben des Hauses. Sie wurde - nicht zuletzt aufgrund ihres Erfolges - als Dirigentin an die Volksoper und andernorts engagiert. Dies war aber auch ein wichtiges Zeichen für die immer noch ungelöste Frauenfrage im Staatsopernorchester - im dem Sinne, dass, wenn eine Frau das Orchester leiten kann, es ja wohl auch Frauen geben konnte, die im Orchester spielen. Heute wird Simone Young Ehrenmitglied der Staatsoper. Die Stufe zum Ehrenmitglied geht üblicherweise über jene des Kammersängers, doch Dirigenten können das nicht werden.

 

 

Lebenswege


Jonas Kaufmann und der bereits zum Ritter geschlagene Sir Bryn Terfel werden bei dieser Gelegenheit zu den Kammersängern ernannt. Kaufmann debitierte noch ziemlich unbekannt mit dem Tamino, dies blieb ohne baldige Folgen. Heute ist er weltweit der gefragteste aller Tenöre für jegliche Rollen und Gesangspartien. Terfel wiederum debütierte 1993 als vollkommen Unbekannter in „Hoffmanns Erzählungen" und wurde nach anfänglich typischer Wiener Skepsis für alles Unbekannte zum beliebtesten Gastsänger des Hauses. Drei Künstlerpersönlichkeiten, drei erfüllte Lebenswege nahe am Gipfel, den man nie erreicht.
Holender war von 1992 bis 2010 Direktor der Staatsoper (und bis 1996 der Volksoper).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KRONEN ZEITUNG | 31.12.2021

 

 

Bilanz 2021 in Oper, Theater, Konzert

 

 

 

Streaming kein Ersatz!

 

 

 

 

 

Gastkommentar

  

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Theater, Oper, Konzert, alles was das Leben freudvoller, erlebnisreicher, schöner macht, war auch 2021 sehr eingeschränkt und nur mit viel Mühe erreichbar. Ob Ausführende, Ermöglicher oder Publikum – sie alle sollten immer eine Einheit bilden. Ex-Staatsopernchef Ioan Holender zieht eine Jahresbilanz der Kulturszene Österreichs.

 

Im abgelaufenen Jahr hatten es beide Seiten sehr schwer. Die verantwortlichen Direktoren und Intendanten haben die Hoheit über ihre eigene Häuser verloren. Sie konnten auch nicht bestimmen, ob überhaupt gespielt wird – oder wenn ja: wann, was, an welchen Orten. Und nicht nur diese Probleme, sondern auch wie viele Kartenbesitzer ihr Ticket verwenden dürfen und unter welchen Modalitäten dies möglich ist, lag nicht mehr in der Hand der Theaterleiter.

 

Man sagt so schön, die Kunst sei eine Sprache, die alles könne, wenn man sie lässt. In diesem Jahr ließ man sie nicht. Opern-, Schauspiel- und Konzertübertragungen, das Streaming aus leeren Sälen – ein enttäuschender Ersatzversuch für die jahrhundertelang praktizierten Gemeinschaftserlebnisse in den Sälen. Doch leider kommt noch hinzu, dass selbst dort, wo man kurzfristig gegen Jahresende spielen durfte, der Konsument, das Publikum, mehrheitlich ausblieb.

 

Die Krallen der Pandemie beherrschen noch alle und alles. Das gelegentliche Aufscheinen dessen, was wir schon immer wollten und liebten, verstehe ich als einen Hoffnungsstrahl für die Zeit, in der wir von der Pandemie in Vergangenheitsform, aber von Kunst in der Gegenwartsform sprechen werden.

 

 

 

Ioan Holender

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KRONEN ZEITUNG | 28.11.2021

 

Eine Adriana ohne Extravaganzen

  

 

   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bologna, alte Hauptstadt der Emilia-Romagna, ist nicht nur wegen der wunderbaren Arkaden und zweier weltberühmter Türme bekannt, sondern auch wegen seiner Museen, der Philharmonischen Akademie aus dem 18. Jahrhundert, wo Mozart mit 14 Jahren weilte und lernte, und dank der Teatro Comunale, dem Opernhaus!

 

Ex-Staatsopernchef drehte nun für Servus TV und „kulTOUR mit Holender“ einen Bologna-Film und berichtet für die Krone:
Das Comunale gilt als erstes Haus für die Wagner-Pflege in Italien. Und es war Arturo Toscaninis letzte Station, bevor er 1931 das faschistische Italien bis Kriegsende verließ.

 

Jetzt zeigt Bologna Francesco Cileas „Adriana Lecouvreur”! Nach den wohl besten Interpretinnen der Titelrolle, Magda Olivero, Renata Tebaldi und Raina Kabaiwanska, verkörperte zuletzt die große Mirella Freni die durch einen vergifteten Veilchenstrauß zu Tode gekommene Adriana.

 

Die lettische Sopranistin Kristina Opolais verkörpert die extrem schwierige Titelrolle: profiliert, aber mit vielen forcierten Noten und ohne Extravaganz, die für diese Rolle nötig ist.


Ihr Liebhaber Maurizio – hier Luciano Ganci – ist ein exzellenter Tenor, der vor kurzem an der Wiener Staatsoper in dieser Partie kurzfristig eingesprungen ist. Sergio Vitale war noble Michonnet mit großer Stimme, Veronica Simeon Principessa mit zu wenig Tiefe.


In Wien wohl bekannt ist Asher Fisch, der auch die letzte Serie der Adriana Lecouvreur-Aufführungen in Wien dirigierte. Ein profilierter musikalischer Leiter dieser, von Rosetta Cucchi intelligent, opulent und sehr sensibel inszenierten Produktion.
Ein Lob auch für Fulvio Macciardi, der als Intendant und künstlerischer Leiter – ohne Casting-Direktor und diverse Dramaturgen – seit Jahren das traditionsreiche Opernhaus führt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KRONEN ZEITUNG | 22.09.2021

 

Slapstick-"Figaro", ein Hit

  

 

   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ex-Staatsopernchef Ioan Holender, der als Chronist internationalen Opernlebens zahllose Filmdokumentationen drehte und auch für die „Krone“ darüber schreibt, besuchte 2021 das Festival von Aix-en-Provence.

Im Vorjahr wurde das Fest abgesagt, heuer bot Intendant Pierre Audi, der in Wien u.a. „Rigoletto“ und in Salzburg „Die Zauberflöte“ inszeniert hat, neun Opernproduktionen, teils im Hof des Erzbischöflichen Palais, teils im neuen Grand Théâtre. „In Zeiten wie diesen soll Oper Spaß machen“, sagt Audi. Und holte Wiens Volksopernchefin ab 2022, Lotte de Beer, für Mozarts „Figaro“ (in Slapstick-Manier – ein Hit) und Barrie Kosky für Verdis „Falstaff“.  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KURRIER | 25.08.2021

 

Über die Anspruchslosigkeit der Festspiele und der ORF

 

 

Zur Absage der TV-Übertragung von „Tosca“

 

 

 

Gastkommentar
 

 

 

 

   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In der Zeit als Gerard Mortier die Salzburger Festspiele leitete, wurde das Programm dramaturgisch durch ein Motto zusammengestellt.

Würde man derzeit diesem Gedanken folgen, wäre das bestimmende Motto „Netrebko“. Gleichgültig was sie singt, mit wem sie singt, wer dirigiert und wer inszeniert, Hauptsache und alles entscheidend ist, dass sie singt.

Wenn „die Netrebko“ sich wie 2019 ein Randwerk wie Cileas „Adriana Lecouvreur“ wünscht, dann kommt sogar dieses zu den Festspielen. Und wenn die Verursacherin der Stückwahl einmal absagt - wie geschehen - wird das mindere Werk Netrebko-los gezwungenermaßen konsumiert.

Heuer „toscat es“ unübersichtlich und gleich zweimal. Einmal konzertant (!?) mit IHR mit dem derzeit wohl besten Tenor-Partner Kaufmann, und jetzt zum Festspielende noch viermal in einer bereits vor drei Jahren bei den Osterfestspielen gezeigten und zu Recht durchgefallenen Inszenierung mit ihrem Gatten Yusif Eyvazov als ihrem Tenorpartner.

Ich frage mich, und bin damit nicht allein, wo der Anspruch des „besten Musikfestivals der Welt“ - laut der alles wissenden Festspielpräsidentin - ist, wenn kaum geprobte, von Frau Netrebko bestimmte und besetzte Produktionen samt dem musikalischen Leiter ihrer Wahl, passend zu ihrer weltweiten Beglückungstournee, auch bei den Salzburger Festspielen landen.

Qualität, Vorbereitung, und das Niveau von Werk und der Gesamtproduktion sind den Salzburger Festspielen und dem nachtrottenden ORF offenbar egal. Hauptsache, man kauft die teuren Festspielkarten, und die Quoten des Gebührensenders sind hoch.

 

 

Wenig Applaus

 

Doch jetzt geschah Unerwartetes: Netrebko, derentwegen die Festspiele, das ZDF und als Letztbeglückter unser kleiner, aber reicher Gebühren-Staatssender ORF die ganze Chose veranstalten und senden, enttäuschte bei der Festspielpremiere durch ihre Leistung sogar ihre Adoranten. Früher hätte man gesagt, sie sei durchgefallen - generell schlechte Kritiken und wenig Applaus. Die übermäßig beworbene TV-Übertragung im Hauptprogramm des ORF am Freitag um 20:15 wurde aus „organisatorischen und dispositionellen Gründen“ (?) - eine weniger lächerliche Ausrede hat man wohl nicht gefunden - abgesagt und mit dem Krimi „Die Toten von Salzburg“ ersetzt.

Ob die große Diva nun am Freitag in Salzburg auftritt oder nicht, weiß man nicht - den Festspielen kann es egal sein, denn die Karten sind verkauft und dem sich im Abgang befindenden ORF-Leiter ist sowieso schon alles egal…

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

CRESCENDO| SPÄTSOMMER 2021

 

 

"DIE AUFGABE DES OPERNDIREKTORS"

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei der Auswahl der zu besetzenden Rollen in einem Film ist das Aussuchen der Darsteller eine große und wichtige Arbeit. Das sogenannte Casting stammt aus der Filmfabrik Hollywoods und wird in Europa bei der Auswahl von zu besetzenden Fernsehrollen praktiziert. Das ist auch durchaus zweckmäßig und wird vornehmlich auf der Grundlage von Fotos der infrage kommenden Typen bewerkstelligt. Ein vollkommen anderes Vorgehen ist bei der Besetzung von Opernrollen notwendig. Dabei geht es einzig und allein um die stimmliche und musikalische Fähigkeit, die zugewiesene Rolle singen zu können. Die Auswahl der Sänger gehört daher selbstverständlich zur wichtigsten Aufgabe eines Operndirektors. Er muss die Opernliteratur und auch den Sängermarkt bestens kennen, ob durch Gesangswettbewerbe, Reisen zu Aufführungen oder organisiertes Vorsingen. Falsche Besetzungen von Opernrollen können ab ovo nicht zum Erfolg einer Opernproduktion führen. Das Aussuchen der richtigen, der besten verfügbaren Sänger für die entsprechenden Partien ist die wichtigste und für die vom Operndirektor geleitete Institution entscheidendste Tätigkeit. Deshalb waren Musiker, ob Dirigenten oder frühere Sänger, auch die erfolgreichsten Operndirektoren, was die Sängerbesetzungen betrifft. Heutzutage hingegen engagieren führende Opernhäuser und immer mehr auch kleinere Theater eine Person, die die Besetzungen eigenständig vornimmt. Ich frage mich, welche Aufgabe dann der Operndirektor hat, warum er überhaupt die Leitung eines Opernhauses übernimmt, wenn er den wichtigsten Teil seiner Arbeit jemand anderem überlässt. Für den Erfolg oder Misserfolg ist er trotzdem zuständig! Ich leitete nahezu zwei Jahrzehnte die Wiener Staatsoper, und es wäre mir nie in den Sinn gekommen, die Besetzungen der aufgeführten Werke jemand anderem zu überlassen. Es sollte die wichtigste Tätigkeit eines Opernleiters sein, zu entscheiden, wer in „seinem“ Haus auftritt!

 

 

Ioan Holender

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KRONEN ZEITUNG | 17.02.2021

 

Ex-Staatsopernchef Ioan Holender über geschlossene Theater, Screening, Zukunft

 

Was folgt der „Normalisierung“?

  

 

 

 

   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Erinnerungen an Kultur vor dem Lockdown! Und wie wird sie nach Covid aussehen? Ex-Staatsopernchef Ioan Holender fragt sich in seinem Krone-Beitrag, ob Szene und Publikum etwa um 2022/23 noch so sein werden wie vor dem Stillstand durch die Lockdowns. Oder wird sich das Kulturverhalten der Österreicher geändert haben?

 

Die Stehplatzbesucher stehen seit Vormittag Schlange bis zum Sacher. Beim Haupteingang an der Ring-Seite stehen Unzählige, um noch eine Eintrittskarte von eventuell verhinderten Besuchern zu ergattern, und Agioteure möchten ihre heiße Kartenware zu erhöhten Preisen anbringen.

 

Gespannte Blicke auf den Besetzungszettel, hoffend, dass dort keine kleinen roten Zettel kleben, die die Umbesetzung eines der heißerwarteten Protagonisten ankündigen. Man wünscht sich, die längst bekannten und bewunderten Gesangssolisten wiederzusehen, doch sind die Netrebkos und Kaufmanns noch immer so, wie sie vor fast zwei Jahren - oder noch länger? - waren?

 

Wird man dann, wenn alles wieder „normalisiert“ ist, auch neugierig sein auf die vielen Neuen? Wird man die bestenfalls nur gestreamt gesehenen Neuinszenierungen der vielen versäumten Premieren der Lockdown-Zeit sehen? Diese wurden ja schon vor langer Zeit geprobt, jetzt wären andere an der geplanten Reihe. Sind die altgeprobten Produktionen, die nur fürs Streaming einmal gespielt wurden, noch frisch? Und wird man wiedersehen wollen, was man am Laptop oder im TV gesehen hat? Zum Schluss die Preisfrage: Hält die allgemein beschriebene Sehnsucht für alles, was jetzt und morgen nicht möglich ist zu erleben, an, bis sie erfüllbar sein wird?

 

Wir sind Gewohnheitstiere. Die Gewohnheit ist ein tiefes Merkmal, und man hat sich notgedrungen daran gewöhnt, ohne einst Gewohntes zu leben.

 

Wir freuen uns, dass endlich - nach mehr als einem Jahr - die Theater und Konzertsäle dann vielleicht wieder für alle offen sind. Wir freuen uns auch, wieder unter Gleichgesinnten zu weilen, uns wiederzusehen. Aber wir wollen auch anderes Versäumtes nachholen. Wir wollen reisen, gut essen, Vermisstes einkaufen. Reicher ist kaum einer geworden in der schlimmen Zeit im Gegenteil. Opern und Konzertbesuche kosten Geld. Das Zuschauen via Streaming von zu Hause war gratis und bequem. Werden wir lang überlegen, das Geld auszugeben? Ich fürchte, Kunstgenuss wird da nicht die Nummer eins bei den Ausgaben sein!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KURIER | 15.02.2021

"INADÄQUATER VERSUCH, DIE OPER AM LEBEN ZU ERHALTEN" 

  

 Gastkommentar

 

 

   

 

 

 

 

 

 

 

 

„Während sich die Wiener Staatsoper, und nicht nur diese, bemüht, ihre Existenz trotz allen Einschränkungen und Schwierigkeiten mit allen Mitteln zu dokumentieren, geht Peter Gelb, der Leiter der Metropolitan Opera New York, den entgegengesetzten Weg. Er schließt das in seiner Verantwortung stehende Haus, entlässt die Mitglieder des Orchesters und des Chors und einen Großteil der Technik. Und bringt sich mit fragwürdiger Präsenz im Rahmen eines Pausengespräches anlässlich des Konzertes mit der hochbezahlten und höchst populären Anna Netrebko ins Bild.


Aber jetzt haben auch andere Appetit bekommen und organisieren Gegenkonzerte, zusammen mit den entlassenen Musikern des MET-Orchesters und auf eigene Rechnung, wie z.B. Angela Gheorghiu am 21. Februar im rumänischen Athenäum in Bukarest. „Für mich ist der Ausdruck ‚MET-Familie‘ nicht nur ein leeres Wort“, postet Gheorghiu.


Die Veranstaltungen mit verschiedenen SängerInnen, die bereits an der MET aufgetreten sind, finden weltweit irgendwo - mit Klavierbegleitung - statt, und können für 20 Dollar gesehen werden. Zuletzt sogar aus der Wiener Spanischen Hofreitschule, wo bisher noch nie gesungen wurde, und auch jetzt, außer ein paar ausgewählten Pferden, niemand zuhören durfte. Für die amerikanischen Zuseher sind diese Orte meist unbekannt. Es handelt sich vorwiegend um europäische Städte, in deren Nähe sich die auftretenden Sänger aufhalten bzw. in denen sie wohnen. Dadurch ergibt sich keinerlei assoziative Verbindung mit dem Haus der Met.

 

Scharfe Proteste
Ob dem über das Nichts amtierenden Direktor, dessen Haus sich schon vor der Pandemie in einer schweren Besucherkrise befand, das alles etwas nutzen wird, sei dahingestellt. Die Gewerkschaftsvertreter der entlassenen Orchestermitglieder protestieren scharf gegen diese ‚pay-per-view-MET-Konzerte‘ genannte Veranstaltungen, indem sie verkünden: „Wir haben eine eigene Stimme und sammeln für uns selber, nicht für die Institution der MET“.


Die ganze typisch amerikanische Operation ist ein trauriger inadäquater Versuch, die Kunstgattung Oper am Leben zu erhalten. Der allgemein äußerst schwierige Weg, das eigene Publikum bei der Stange zu halten, damit es bei der späteren Wiedereröffnung des beliebten und bekannten Hauses wieder kommt, wird mit dieser Aktion keinesfalls erfüllt. 


Schon die am Computer oder gelegentlich im Fernsehen ausgestrahlten gestreamten Neuinszenierungen – wie aus der Wiener oder der Münchner Staatsoper – sind und können nur ein schwacher Ersatz sein für das, was vorher war, und hoffentlich bald, wieder sein wird. Es ist halt das, was derzeit sein kann, doch es beinhaltet auch die Gefahr, dass man sich später, wenn man die Eintrittskarte bezahlen muss, überlegt hinzugehen. 


Es gibt keinen Ersatz für Oper, Konzerte und Theater, für das gemeinsame Erleben im dafür gebauten Veranstaltungsort. Aber alles, was man versucht, ist mehr, als nichts, um wenigstens in Erinnerung zu bleiben. Die Met-Konzerte mit Klavierbegleitung aus fremder Umgebung sind jedoch – außer einem Wiedersehen mit einigen bekannten Gesichtern – gar nichts.“

 


IOAN HOLENDER

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KRONEN ZEITUNG | 21.01.2021

"DER WELTSTAR WIRD HEUTE 80"    

 

 

 

   

 

 

 

 

 

 

 

Er hatte Plácido das erste Mal gehört, als er dieser in der alten Oper von tel Aviv als Bariton engagiert war: Seit damals ha TeX-Staatsopernchef Ioan Holender sowohl als einer der erfolgreichsten Sängeragenten als auch zwischen 1991 und 2010 als Staatsopernchef Plácido Domingos sagenhafte Weltkarriere 41 Jahre lang begleitet.

Heute, Donnerstag, feiert Plácido in Wien seinen „80er“. Und Freitag (22.) singt er in der Staatsoper die Titelpartie in Verdis „Nabucco“ – ohne Publikum, online in ORF III & Live-stream.

„1967 holten wir Plácido, der als Bariton und dann in Hamburg sang, als Don Carlos nach Wien. Er musste praktisch ohne Probe singen und bekam damals 1000 Dollar.“ Seither hat Domingo als Tenor in Wien 14 Premieren und 185 Vorstellungen und als Bariton 33 Abende gesungen.“ „Er war der Künstler meines Lebens. Und ist in den über 400 Jahren Wiener Operngeschichte der einzige Tenor, der mit 80 noch singt. Nabucco, Simon Boccanegra, Graf Luna, Macbeth…“ „Für mich gibt es „zwei Domingos“, sagt Holender, „den Domingo der Drei Tenöre, den insgesamt etwa 1,3 Milliarden Menschen rund um die Welt gehört haben, was unfassbare Werbeeffekte hatte; und den unvergleichlichen Opernstar, der der erste führende Tenor war, mehr als 120 Partien „draufhatte“, gern dirigierte und in Washington und Los Angeles als Direktor antrat.“ Wiens Opernpublikum hat er mit legendären Auftritten verwöhnt: als grandioser Don José, Andrea Chénier, Don Carlo, Alvaro, Canio, Radames, als faszinierender Otello, aber auch in Werken, die ich ohne ihn nie gemacht hätte, die „Hérodiade“, „Der Prophet“, „Fedora“. Dass Domingo sich verabschiedet ist nicht denkbar.

 

 

Karlheinz Roschitz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

CRESCENDO| JANUAR - FEBRUAR 2021

"SKILIFTE SIND WICHTIGER ALS KUNST"    

 

 

 

   

 

 

 

 

 

 

Durch das hysterische Agieren, gefolgt von eben solchen Edikten, ist es den österreichischen Regierungsverantwortlichen gelungen, innerhalb und außerhalb des Landes zu demonstrieren, dass Österreich keinesfalls – wie manche Medien im Ausland immer noch meinen – ein Land der Musik und Kultur ist.
Im Zuge der Verordnungen zur dritten Schließung – unter dem Schlagwort „lockdown“ bekannt, wenn auch nicht ganz verstanden – sind die Begriffe Theater, Oper oder Konzert kaum gefallen. Umso öfter jedoch wurde über die Öffnung der Skilifte, Gondeln und das Präparieren der Skipisten von den politisch Verantwortlichen diskutiert. Und, siehe da, wenn es ums Skifahren geht, erwacht der österreichische Nationalstolz, indem wir uns keinesfalls von andern europäischen Ländern wie Deutschland, Italien oder Frankreich beeindrucken oder gar beeinflussen lassen, selbst wenn diese uns um Solidarität gebeten haben. Denn wir sind eine stolze „Skination“, und deshalb solidarisch mit den Skiliftbetreibern und denen der klimatötenden Schneekanonen. Diese sind uns näher und wichtiger als Theater -, Oper - oder Konzerthäuser, obwohl es in diesen mit den durchgeführten Maßnahmen und dem ständigen Testen der Mitwirkenden zu keinen Clustern gekommen ist.
Wie nebensächlich, unwichtig und vernachlässigbar Kunst und Kultur für die österreichischen Regierenden ist, kann man spätestens seit dem Beginn der Pandemie mit aller Klarheit feststellen. Auch die Museen werden geschlossen mit der Begründung, es seien keine Touristen da. Die dummen Eingeborenen gehen ja eh nicht ins Museum… Dass wir ein Tourismusministerium, aber kein Kulturministerium haben, sagt allein schon viel aus!
Menschenschlangen bei den Skiliften oder beim Einlass zum Eislaufplatz stören genauso wenig wie gemeinsames Gondelfahren, aber in der Wiener Staatsoper, wo 2000 Besucher Platz haben, darf auch mit nur 500 Zuschauern nichts stattfinden! Dass das Streaming auf dem Bildschirm zuhause aus dem leeren Zuschauerraum kein Ersatz für Theater, Oper und Konzert ist und sein kann, wissen sogar die unwissenden politisch Verantwortlichen.
So wurde aus einer Kultur – und Musiknation eine durchschnittliche Skination wie viele andere.

 

Ioan Holender

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 KURIER| 31. DEZEMBER 2020

"Ioan Holender: "Rumänen glauben, dass alle Politiker korrupt sind"

 

 

 

 

 

Der frühere Staatsoperndirektor über sein Heimatland Rumänien, in dem eine neue Regierung 2021 das Ruder herumreißen will.

 

von Irene Thierjung

 

 

 

 

 

 

Abwanderung.
Mit einem Drittel seiner Ärzte im Ausland hat Rumänien laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) den weltweit höchsten Prozentsatz an Medizinern, die ihre Heimat verlassen haben. „Die Gesundheitslage ist katastrophal“, sagt der frühere Staatsopern-Direktor und gebürtige Rumäne Ioan Holender im Gespräch mit dem KURIER.

Das chronisch unterfinanzierte Gesundheitswesen führte dazu, dass das EU-Land Rumänien von der Coronakrise im Vergleich zu anderen Ländern der Region hart getroffen wurde. Die dadurch weiter gestiegene Unzufriedenheit der Menschen mit den etablierten Parteien manifestierte sich bei den Parlamentswahlen Anfang Dezember. Ihnen blieben mehr als zwei Drittel der Wahlberechtigten fern – ein historischer Höchststand.

Praktisch aus dem Nichts schaffte eine neue, ultra-rechte Partei mit 9 Prozent der Stimmen den Einzug ins Parlament. „Die Menschen glauben, dass alle Politiker korrupt sind, dass sie Posten nur wollen, um sich durch Korruption und Bestechungsgelder zu bereichern“, analysiert Holender, der seit 1959 in Wien lebt, aber weiter eng mit Rumänien verbunden ist, die Ursachen für die Verdrossenheit.

 

Viel zu tun.
Bei den Wahlen erzielten die seit 2019 regierenden Bürgerlichen (PNL) 25 Prozent der Stimmen, deutlich weniger als die oppositionellen Sozialdemokraten (PSD, 30 Prozent). Die Bürgerlichen stehen dennoch seit der Vorwoche an der Spitze einer Dreier-Koalition mit dem öko-liberalen Bündnis USR-Plus und einer Partei der ungarischen Minderheit (UDMR). Niemand wollte mit den Sozialdemokraten koalieren, sie gelten weithin als „postkommunistisch“ – was Holender nicht so sieht.



Der neue Premier Florin Citu steht jedenfalls vor großen Herausforderungen. Der 48-jährige Wirtschaftswissenschaftler und Ex-Finanzminister muss nicht nur die Pandemie und ihre ökonomischen Folgen bewältigen, sondern auch die marode Verkehrsinfrastruktur und das Gesundheitssystem auf Vordermann bringen, wobei er auf die EU-Coronahilfen zurückgreifen kann.

 

Citu verspricht „viel Arbeit und wenig Gerede“ für 2021, auch eine Reform des Justizsystems steht auf dem Plan.

 

Massive Abwanderung.
Dass sich tatsächlich etwas ändert, glauben allerdings nur wenige Rumänen. Koalitionen zerbrechen traditionell vor Ablauf einer Legislaturperiode; zuletzt schaffte es keine Regierung, ob bürgerlich oder sozialdemokratisch, das Land zu stabilisieren.

 

„Mehr als der 21 Millionen Einwohner haben Rumänien verlassen“, sagt Holender – neben Ärzten vor allem IT-Fachleute. Viele Landsleute arbeiteten auch als Hilfskräfte im Ausland, etwa als Erdbeerpflücker in Spanien oder Italien. Diese hätten großteils die ultra-rechte AUR gewählt.

 

Der hohe Zuspruch für die Sozialdemokraten hat laut Holender mehrere Gründe. Rumänien habe zwar wirtschaftliche Probleme, grundsätzlich aber kein Problem mit Arbeitslosigkeit. „Im Gegenteil: Aus dem asiatischen Raum kommen Menschen, es gibt chinesische Kellner und philippinische Krankenpfleger“, erzählt der 85-Jährige.

 

Die Wirtschaft hänge aber immer noch stark an der Industrie, die die Kommunisten nach der Wende hinterlassen hätten. Und vor allem auf dem Land, in der ärmeren Bevölkerung, gebe es große Ängste, das Wenige, das man habe („Haus, Hof, Tiere“), zu verlieren – etwa an ausländische Firmen. Die Erinnerung an früher, an übermächtige Großgrundbesitzer, sei noch präsent.

 

Hier konnten die Sozialdemokraten mit ihrem Versprechen, die Pensionen um das Vierfache zu erhöhen, punkten. Darüber hinaus, so Holender, wüssten viele Menschen schlicht nicht, wofür kleinere Parteien wie die USR-Plus oder die UMDR stünden; die Sozialdemokraten seien greifbarer.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KURIER| 30. NOVEMBER 2020

"APPETIT MACHEN ODER SÄTTIGEN?"    

 

 

 

   

 

 

 

 

 

 

Die Wiener Albertina zeigt Teile ihrer Ausstellungen online, indem eine Führungsperson durch die Räume geht und Installationen den Zusehern am Computer virtuell ausführlich erklärt. Die Zuschauer haben während und nach der Führung via Chat Gelegenheit, dem Guide Fragen zu stellen oder Anmerkungen zu machen. Diese gute Initiative kann zweierlei Folgen haben: die einen haken das Gesehene ab, indem sie die Ausstellung als konsumiert betrachten, die anderen möchten später, wenn ein persönlicher Besuch im Museum wieder möglich wird, das online Betrachtete unmittelbar auch sehen.
Die Wiener Staatsoper zeigt allabendlich Vorstellungen via Streaming, die in der Vergangenheit oder erst kürzlich aufgenommen wurden. Es ist für den TV-Zuschauer ident zu Oper im Fernsehen. Das virtuelle Konsumieren – da wie dort – ist kostenlos und leicht auffindbar. Die Eigenkosten der Kulturhäuser sind dabei gleich Null, die ausführenden Darsteller wurden bereits seinerzeit bei der Aufnahme der Vorstellung honoriert.
Die Bayerische Staatsoper überträgt dieser Tage eine Bohème-Vorstellung mit dem bekannten Jonas Kaufmann, die de facto derzeit live stattfindet, aber natürlich ohne Publikum. Die Ausführenden werden dabei voll honoriert.
In der Wiener Staatsoper wird derzeit für die Neuinszenierung von Henzes „Das verratene Meer“ geprobt, wobei die erste Aufführung Mitte Dezember in jedem Fall online übertragen wird und die mitwirkenden Gastkünstler natürlich bezahlt werden.
Die Absicht all dieser lobenden Aktivitäten ist, das Publikum auch weiterhin bei der Stange zu halten, in der Hoffnung, dass es nach dem Konsum zu Hause am Bildschirm neugierig und interessiert sein wird, – allerdings nicht ohne Bezahlung der Eintrittskarte – das Werk und dessen Aufführung später auch im Haus sehen zu wollen.
Das Virtuelle soll also als Appetitmacher für Zukünftiges dienen. Doch die Gefahr besteht, insbesondere beim bekannt bequemen Wiener Publikum, dass Gesehenes als solches abgehakt wird und als erledigt gilt.
Natürlich ist und soll Theater, Oper und Konzert ein gemeinsames Erlebnis bleiben, das auch die Ausführenden zu besseren Leistungen inspiriert. Doch die angenehme Möglichkeit, bequem und gratis von zu Hause aus und wann man grad Lust und Zeit hat, das Angebotene zu konsumieren, beinhaltet auch die Gefahr, dass das Appetitmachen die Sättigung inkludiert.





IOAN HOLENDER





 

 

 

 

 

DIE PRESSE | 2. NOVEMBER 2020

"ERINNERUNG AN ÜBELSTE ZEIT UNSERER GESCHICHTE"    

 „Ein sehr gutes, zeitloses Logo“ von Thomas Kramar, 29.10.

 

 

   

 

 

 

 

 

 

 

Das von Leopoldine Wojtek entworfene, heute noch verwendete Logo der Salzburger Festspiele sei – laut Aussage der Festspielpräsidentin – „ein sehr gutes, zeitloses Logo“. Ob es ein „sehr gutes“ ist, sei dahingestellt. Aber „zeitlos“ ist Wojteks Logo nicht. es ist vielmehr ein Symbol, eine Erinnerung an die übelste Zeit unserer Geschichte.

 

Leopoldine Wojtek hatte proaktiv für den Nationalsozialismus gewirkt, und sie hatte große persönliche Vorteile durch ihre Nähe und ihr eigenes Wirken für das Mörderregime von 1938 bis 1945 in Österreich. Ihr Ehemann, der Kunsthistoriker Kajetan Mühlmann, war PR-Agent der Festspiele und ein gefürchteter SS-Offizier, der zu einem der größten Kunsträuber des NS-Regimes wurde. Die Ehe wurde zwar 1943 geschieden, doch er vermachte L. Wojtek das prachtvolle „arisierte“ Haus in Salzburg, das sie erst 1945 auf Aufforderung der US-Militärregierung verlassen musste. Sie hatte, wie man jetzt – warum erst jetzt? – feststellte, „ohne jede Scham persönliche Vorteile aus ihren politischen Beziehungsnetzwerken gezogen – bis hin zur hemmungslosen Bereicherung am Eigentum von Jüdinnen und Juden“, wie „Die Presse“ vom 29. Oktober in einem Beitrag von Thomas Kramar berichtet.

Markus Hinterhäuser sagte zum Thema Logo: „Vergangenheit lässt sich nicht bewältigen“. Das ist richtig. Aber ich frage, warum die Salzburger Festspiele eine durch die NS-Vergangenheit fragwürdige Zeichnung trotz allem weiter verwenden? Auch wenn die amtierende Festspielpräsidentin dieses als „ein sehr gutes, zeitloses Logo“ betrachtet.

 

IOAN HOLENDER

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

CRESCENDO| NOVEMBER - DEZEMBER 2020

"SCHWERE ZEITEN FÜR DIE KUNST"    

 

 

 

   

 

 

 

 

 

Mitte März wurden plötzlich von heute auf morgen Opern - und Theatervorstellungen abgesagt, und man stand vor geschlossenen Türen in den Konzerthäusern. Viele Monate fanden keinerlei Darbietungen mit oder für die Kunst statt, Museen waren zu. Die Wiener Staatsoper war zum ersten Mal seit der Wiedereröffnung im Jahr 1955 länger geschlossen. Im Zweiten Weltkrieg hat sie kürzere Zeit nicht gespielt als in diesem Jahr. Damals herrschte Angst vor den Bomben, jetzt lähmt die Angst vor dem Corona Virus alle und alles.
Seit einem Monat wird in den Theater – und Opernhäusern in Europa mit teilweise radikalen Einschränkungen und störenden Maßnahmen gespielt, mit schmerzvollen Auflagen, die leider auch eine negative Auswirkung auf die künstlerische Qualität des Dargebotenen haben. An manchen Orten werden nur Aufführungen ohne Pause gespielt, die Stücke oder Opernpartituren werden gekürzt dargeboten, die Künstler dürfen sich auf der Bühne nicht näher kommen, Chöre sind unsichtbar und werden nur akustisch übertragen oder ganz gestrichen, die ursprüngliche Inszenierung wird radikal in eine sogenannte Corona-Inszenierung abgeändert. Eine Mahler Sinfonie wird mit reduzierten Instrumenten musiziert!
Das Publikum wird auf die Hälfte oder noch weniger beschränkt. Die Besucher müssen ab dem Betreten des Hauses bis Vorstellungsbeginn - teilweise auch während der Vorstellung - Masken tragen. Die Bewegung im Haus, vom Toilettenzugang bis zum Pausentisch und zum Verlassen des Hauses durch eine der wenigen Türen, wird zusätzlich durch strenge, im harschen Befehlston agierende Billetteure geregelt.
Das Traurigste ist jedoch, dass das reduzierte Kartenangebot meistens nicht ausgenutzt wird. Oft bleibt ein Großteil der angebotenen Karten unverkauft. Das Streaming wird in der Not von manchen als ein versuchter Ersatz angeboten und natürlich kaum angenommen, denn es bietet keine Alternative zum lebendigen Hör-und Seherlebnis.
Das Schlimmste wird folgen, wenn der Zugang – hoffentlich bald – wieder ganz zugelassen wird, der Spuk vorbei ist und es trotzdem lange dauern wird, bis das Publikum wie vorher die Häuser wieder füllen wird. Die Menschen gewöhnen es sich ab, ins Theater zu gehen, Abonnements wurden notgedrungen aufgelöst, deren Inhaber gingen verloren und kommen kaum zurück.
Die Angst vor der Pandemie wird diese selbst noch überleben.
Je mehr jetzt geschieht, je mehr Publikum jetzt kommt, umso mehr werden auch später wieder kommen. Was man in dieser eingeschränkten Zeit anbietet, darf die künstlerische Qualität unter keinen Umständen verlieren, sonst haben wir auch die Zukunft fast schon verloren.
 

 

 

IOAN HOLENDER

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KURIER| 24. SEPTEMBER 2020

"DAS ENDE VOM STAATSGEHOPSE AM FALSCHEN PLATZ"    

 

 

 

   

 

 

 

 

 

Dem kreativen und einfallsreichen Staatsoperndirektor wird schon das richtige Passende und für das Haus Zukunftsträchtige statt des Balls in der Oper einfallen. Die kulinarische Wirtschaft wird den Ausfall rund um die Oper schon verkraften, und Kunst ist nicht dafür da, um die Wirtschaft zu füttern, sondern eher umgekehrt.

 

Das Staatsgehopse in die Hofburg und die Kunst für alle und immer in der Staatsoper.

 

 

 

IOAN HOLENDER

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

CRESCENDO| SEPTEMBER - OKTOBER 2020

"ZURÜCK - WOHIN UND WANN?"  

    

 

 

 

   

 

 

 

 

 

 

 

Niemand auf unserer kleiner gewordenen Welt will, dass es so bleibt wie es ist, und keiner möchte, dass es noch schlechter wird als es ist. Die Lage verschlechtert sich weltweit von einem Tag auf den andern. Wir haben alle verstanden, dass wir nicht mehr tun können als die Maske tragen, den Abstand halten und regelmäßig die Hände waschen. Wir leben in einer Art Fatalismus und erwarten die Erlösung.
Wir – das sind jene, die durch Kunst und Kultur im umfangreichsten Sinn dieses Begriffes tätig sind – haben verstanden, dass für die bestimmende politische Macht Kunst- und Kulturausübende auf der untersten Treppenstufe der wirtschaftlichen Einrichtungen stehen und dem entsprechend auch behandelt werden.
Theater im weitesten Sinne ist gegenseitige Kommunikation zwischen wenigen – den Künstlern – und vielen – dem Publikum. So wurde Theater in der attischen Demokratie geboren und so ist es bis in unsere Tage geblieben.
Theatergebäude und Konzertsäle sind für ein möglichst volles Auditorium gebaut. Wenn der Zuschauerraum nur spärlich besetzt ist, schadet dies der Akustik bzw. der Hörbarkeit von beiden Seiten, die Wiedergabe von Dargebotenem wird verschlechtert. Wenn das Agieren auf der Bühne und das Zusammen musizieren durch Abstandsregeln geleitet werden, wird das ganze Spektakel unglaubwürdig und eher kurios als künstlerisch überzeugend.
Vieles wird anders sein, wenn es möglich wird, dass alles wieder ist, wie es war, resp. wie wir es gewohnt waren. Doch ganz so wird es in nahezu allen Lebensgebieten nicht mehr werden, und das ist zum Großteil auch gut so.
Doch die Grundform des Theaters, die Wiedergabeform des kostbarst erworbenen Gutes – Musik genannt – kann, soll und wird sich nicht ändern.
Wir versuchen in diesen unsicheren und global noch nie dagewesenen Zeiten vieles, um die Existenz von Kunst und Kultur und deren Vertreter vernehmbar zu machen. Aber ersetzen können wir damit nicht das, was Theater, Oper und Konzert war und hoffentlich wieder sein wird.
Ich bin kein Optimist und auch kein Pessimist. Doch bin ich Possibilist, und das Possible soll doch immer möglich sein.

 

IOAN HOLENDER

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KURIER| 3. JULI 2020

 

GASTKOMMENTAR - IOAN HOLENDER 

 

ERINNERUNG AN DEN GROßEN CARLOS KLEIBER

 
 
Heute vor 90 Jahren wurde der Dirigent in Berlin geboren. Er starb 2004 in Slowenien.
 

 

 

 

 

 

Hommage. Zusammen mit Arturo Toscanini und Herbert von Karajan gilt Carlos Kleiber als der bedeutendste Dirigent der klassischen Musik. Seine Suche nach Perfektion im Sinne des Komponisten war sein höchstes Bestreben bis zum Ende seines 74-jährigen Lebens. Im Unterschied zu den bekannten Dirigenten, die schon in seiner Zeit eine vielfache Präsenz sowohl am Pult als auch in den Medien hatten, trat er selten und nur mit einem selbst ausgesuchten, persönlich geliebten Repertoire auf und gab in seinem ganzen Leben kein einziges Interview.


Die Rheinoper Düsseldorf, die Staatsoper Stuttgart, die Bayerische Staatsoper und vor allem die Mailänder Scala waren die wichtigsten Orte seines Werdegangs. In Bayreuth dirigierte er Wagners „Tristan“, und in Salzburg besuchte er alljährlich das Grab seiner Mutter und die Proben Herbert von Karajans. Doch bei den Festspielen dirigierte er nie.
An der Wiener Staatsoper leitete er unvergessliche Vorstellungen von „Tristan“, „Bohème“ und „Carmen“. Die Probentage und die drei von Carlos Kleiber dirigierten Rosenkavalier – Vorstellungen in meiner Direktionszeit sind für mich bis heute die schönsten, lehrreichsten und erfülltesten Tage meiner gesamten Staatsopernzeit. Er war während der Probentage immer schon sehr früh im Haus, und ich war natürlich immer bestrebt, vor ihm da zu sein. Doch auch, als ich schon um halb neun da war (die Proben begannen immer um zehn), um ihm Guten Morgen zu sagen, war seine, für mich peinliche Antwort, „ah, Sie sind auch schon da…“.
Die von Carlos Kleiber dirigierten sechs „Rosenkavalier“-Vorstellungen im Rahmen des Staatsopern-Gastspieles in Tokyo sind bis heute sowohl in der Anzahl der Kartenverkäufe als auch bei deren Einnahmen die höchsten in der Geschichte der Gastspiele der Wiener Staatsoper in Japan.


Meine briefliche Korrespondenz mit Carlos Kleiber – von ihm immer auf Postkarten – bis kurz vor seinem Tod, sind für mich ein ewiges Geschenk und eine Lebensbereicherung.


Opernvorstellungen und klassische Konzerte haben immer ein kurzes Leben, denn sie enden mit dem Ausklang der Veranstaltung. Carlos Kleibers Dirigate leben für jeden, der bei dabei war, als unauslöschlich bleibendes Erlebnis ewig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KRONEN ZEITUNG| 28. JUNI 2020

 

 

DEUTSCHE OPER SPIELT TROTZ COVID


AUF DEM PARKDECK!
 

 

 

 

 

 

Am Tag der Premiere von „Rheingold“, das vom künftigen Theater-an-der-Wien-Leiter Stefan Herheim neuinszeniert worden wäre, aber geplatzt ist, bringt Berlins größtes Opernhaus, die DOB, auf ihrem Parkplatz Wagners Ring-Vorabend. Ex-Staatsopernchef Ioan Holender besuchte die Aufführung für die „Krone“.

Wagner halb szenisch auf dem Parkplatz und dem Dekorationshangar der Deutschen Oper! Vor 200 Personen! Kein Eintritt, aber jeder Zuschauer wird gebeten, eine freiwillige Spende fürs Haus zu entrichten. Wagner anders, aber sehr gut!

Die halb szenische – klug und dem Werk absolut entsprechend arrangierte – Fassung in der Einrichtung von Neil Barry Moss dauert statt der üblichen 150 nur 100 Minuten. Sie ist vom britischen Komponisten Jonathan Dove für 22 Musiker eingerichtet und wurde von der Birmingham Opera Company 1990 im Rahmen ihres Gesamt-Ringes auf ihrer England-Tournee erprobt.
Die gesamte Besetzung besteht aus dem hauseigenen Ensemble, und der Musikdirektor des Hauses, Donald Runnicles – in Wien leider seit Langem vermisst -, ist der Wagner-kundige Dirigent, der die 22 exzellenten Musiker, die im hinteren abgedeckten Teil des Hofes sitzen, souverän führt. Das Publikum sitzt unter freiem Himmel, und die Akustik im von hohen Betonwänden eingeschlossenen Raum ist ganz vorragend.

Die Fricka von Annika Schlicht und Thomas Blondelle als Loge stechen neben einem soliden, impulsiv-spielfreudigen und musikalisch sehr sicheren Ensemble besonders hervor. Das – trotz leichtem Regen – erschienene Publikum applaudierte endlos, ja demonstrativ.

Das zurzeit einzige spielende Berliner Opernhaus – Staatsoper und Komische Oper bleiben wegen Corona geschlossen – zeigte trotz aller Pandemie-Widrigkeiten sechs ausverkaufte Aufführungen.

 

 

IOAN HOLENDER

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KURIER | 28. JUNI 2020

 

 

"HAUPTSACHE SPIELEN" IST AUCH JETZT NICHTS POSITIVES
 

QUALITÄT IN ZEITEN VON CORONA

 

 

 

 

Ioan Holender - Gastkommentar

 

 

 

 

 

Höchste künstlerische Qualität in der klassischen Musik und der darstellenden Kunst war Hugo von Hofmannsthals und Max Reinhardts höchstes Gebot bei der Gründung der Salzburger Festspiele.
Im Laufe der Jahre verwandelte sich diese Maxime nach den braunen „Salzburger Theaterwochen“ zu Schallplattenaufnahmen, medialer Präsenz, Radio – und Fernsehübertragungen, Besucherprominenz, Umwegrentabilität, Sponsoren- und Einnahmenrekorden von ausverkauft bis „ausverkauftest“.
Heuer ist Sicherheit das höchste und einzige Gebot.
Das „Wie“ man etwas singt und spielt, ist nicht weniger wichtig als das „Was“. Von den Bayreuther Festspielen abwärts wurden viele große und kleinere Sommerveranstaltungen gänzlich abgesagt, denn man wollte wegen der derzeitigen Verordnungen bewusst nicht zwingend notwendige künstlerische Kompromisse machen und auch nicht für ein stark beschränkt zugelassenes auserwähltes Publikum spielen.
Die zwingenden Einschränkungen und Verhaltensregeln für das voll zahlende Publikum für eine verkürzt dargebotene Mozart-Oper kann von manchen als Zumutung empfunden werden.
Die großen Bemühungen wenigstens etwas zu spielen, sind für das Wohl der Auftretenden und für dasjenige der lokalen Wirtschaft zu respektieren. Aber egal wie wir spielen, Hauptsache wir spielen, ist auch in diesen Zeiten nicht unbedingt etwas Positives.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KURIER | 6. APRIL 2020

"AM 1. SEPTEMBER UND DANACH"  

 

 

Ioan Holender - Gastkommentar

 

Ioan Holender fragt sich, was kleinere Kulturbudgets mit den Bühnen des Landes machen – weniger Geld ist nicht nur schlechter.   

 

 

  

„Gehen wir davon aus, dass 81 Jahre nach dem Beginn des 2. Weltkrieges, am 1. September 2020, der Covid-19 genannte Fluch, der über die gesamte Welt verbreitet ist, verbannt sein wird. Jeder hofft, dass nach der Ausrottung des tödlichen Virus alles weiter so sein wird, wie es davor war. Der rund sechsmonatige wirtschaftliche Ausfall für nahezu alle Arbeitstätigen wird für die meisten kompensationslos sein. Die Zahl der Arbeitslosen wird weiter steigen und ohne großer, bedeutender finanzieller Hilfe des Staates wäre ein wirtschaftlicher Bankrott unausweichlich.

 

Es ist daher angebracht zu überlegen, womit unser Staat seine neu entstandenen Schulden bezahlen wird, die nicht geplanten Ausgaben vom Staatsbudget zurückbekommt, um die unerwarteten, doch notwendigen Mehrausgaben auszugleichen. Dies kann natürlich nur durch eine neu geplante Umverteilung des Bisherigen geschehen. Einfacher ausgedrückt, man kann nur von dort etwas nehmen, wo es vorhanden ist.

 

Geld gewohnt


Welche Auswirkungen wird das für das Kulturbudget haben? Wir sind seit Jahren gewöhnt vor allem für das, was wir Hochkultur nennen, immer mehr Geldmittel – ob vom Budget oder von Sponsoren – zu erwarten und meist auch zu bekommen. Opernhäuser, Festspiele und alles, was sich dazu zählt, lukriert stets mehr Geld und gibt entsprechend auch immer mehr Geld aus. Die Kosten für die Entstehung einer Opernproduktion – ob bei den Salzburger Festspielen oder bei der Wiener Staatsoper – ohne die Honorare für die Mitwirkenden gerechnet, belaufen sich auf mindestens eine Mio. Euro. Das teuer entstandene Produkt wird meistens nur kurzfristig fünf- bis sechsmal verwendet und dann entsorgt. Man wünscht stets etwas Neues, nie Gesehenes, und es herrscht das Motto „umso teurer desto besser". Es ist auch wichtiger geworden, was auf der Bühne steht, als wer dort steht. Die Konstruktion einer Bühnenbild genannten architektonischen Enormität am Bodensee, die vor allem optisches Staunen zu verursachen hat und bald entsorgt wird, kostet zweifache Millionenbeträge, und es wird immer mehr und immer teurer und allgemein kurzzeitiger verwendet. Es werden auch immer mehr Einnahmen gemacht, doch diese sollen nicht im Verhältnis zur Mehrinvestition steigen, denn man produziert ja für die Steuerzahler genannte Volksgemeinschaft. Die Eintrittskarten müssen leistbar bleiben, auch wenn sie von Jahr zu Jahr teurer werden.

 

Der Erfolgsparameter ist immer und überall nur die Auslastung. Damit rühmen sich Festspiel- und Opernhausleiter. Die Salzburger Festspielpräsidentin verkündet unermüdlich jedes Mal nach Festspielende, dass die Festspiele ausverkaufter" waren als im Jahr davor. Es müssen schon höchst skandalöse Budgetüberschreitungen wie vor Lurzem im Wiener Burgtheater entstehen, damit man budgetären Einhalt gebietet. Das alles wissen wir und es ist allgemeinbekannt.

 

Doch zwei Fragen seien zur gegenwärtigen Situation erlaubt, erstens: Von wo soll der, das Steuergeld- sprich Budget - zu verteilende Staat das derzeit Fehlende nehmen, wenn nicht durch Kürzen von bisherigen Ausgaben? Und zweitens: Werden die Besuchermassen" die Kultureinrichtungen ab dem 1. September so stürmen wie vor der Corona-Krise? Nicht nur vieles, sondern alles wird danach anders sein. Doch alles anders heißt sicher nicht nur alles schlechter.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KRONE | 4. MÄRZ 2020

"EIN PACKENDER GLAUBENSKRIEG"  

    

 

   

 

 

 

 

Fünf Stunden dauert die Produktion von Giacomo Meyerbeers Oper „Les Huguenots“, die im prachtvoll renovierten Grand Théâtre de Genève in Jossi Wielers & Sergio Morabito gezeigt wird: Ex-Opernchef Ioan Holender drehte für ServusTV einen Film und berichtet für die „Krone“.

Gemeinsam mit der Ausstatterin Anna Viebrock gestalten Wieler & Morabito (ab August Chefdramaturg der Wiener Staatsoper) eine packend effektvolle, auch witzig-ironischen Wiedergabe und lehnen sich dabei optisch an die historischen Hollywood-Filmen an. Ist doch die Grand Opera, also die „Große Oper“, quasi ein Vorläufer des historischen Films. Das zeigt Anna Viebrock eindrucksvoll, wobei man nicht genau weiß, in welcher Zeit sich das Drama des Machtkampfes von Katholiken und protestantischen Hugenotten abspielt.

Der riesige Opernchor und 19 Solisten sind von Wieler und Morabito glänzend geführt. Anna Viebrocks Bühnenbild verändert sich ständig mit Hilfe der Solisten und Choristen, wobei einfache Kulissen klar den jeweiligen Standort charakterisieren – wie Calvins Kathedrale St. Pierres, das protestantische Museum in Genf oder die Anspielung auf die Menschen schlachtenden Horden der St. Bartholomäus Nacht von Paris.

Hervorragend ist die Besetzung: vom höhensicheren, intelligent spielenden John Osborn in der schwierigen Tenorrolle des Raoul de Nangis bis zu den drei wunderbar singenden und spielenden Damen Ana Durlovski als Königin Marguerite de Valois, Rachel Willis-Sorenson als Valentine und Lea Desandre als witziger Page Urbain. Eindrucksvoll die Sicherheit der drei Soprane auch höchster Höhe.

Marc Minkowski ist der verlässliche musikalische Koordinator, stets auf prägnante Tempi und sängerfreundliche Begleitung bedacht. Eine so geglückte Produktion, die man sich auch in Wien wünschte, erlebt man heute selten. Sie ist fraglos auch der Verdienst des neuen Genfer Opernchefs Aviel Cahn, der auch ohne Castingchef auskommt, weil er Werke und Markt genau kennt. Das Grand Théâtre beweist, dass eine Renaissance der Grand Opera Meyerbeers nicht aufzuhalten ist.

 

 IOAN HOLENDER

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 KRONE | 4. FEBRUAR 2020

"WAGNER-KULT UND MAFIAJÄGER"  

    

 

 

 

   

 

 

 

 

 

 

 

Was Das Teatro Massimo Palermo eröffnete die Saison 2020/21 mit Wagners Parsifal, der zuletzt vor 65 Jahren im prachtvoll monumentalen Theater gezeigt wurde. Ioan Holender, Ex-Chef der Wiener Staatsoper, drehte nun für ServusTV eine Reportage über die Eröffnung und schreibt für die „Krone“ seine Eindrücke.

1935 dirigierte und inszenierte (!) hier der legendäre, in Wien hochgeschätzte Tullio Serafin „Parsifal“. Nun folgte der in Dresden und München hochgeschätzte, demnächst auch in Wien engagierte Omer Meir Wellber (38) das Werk zu seinem Einstand als Musikdirektor des Massimo: souverän, perfekt in der Balance.

Regisseur Graham Vick stellte in die erste Reihe Grimassen schneidende, der Chor stand auf der Hinterbühne. Keine Frage, der Wellber wird lernen müssen, zu einem Regisseur Nein zu sagen, wenn dieser gegen die Musik inszeniert. was beim Vick im Laufe der für die ganze Stadt wichtigen, mit Neugier von Publikum und Presse erwarteten „Parsifal“-Prämiere der Fall war. Wagner-Kult ist angesagt. Denn Wagner vollendete „Parsifal“ im Hotel Des Palmes in Palermo. Und es gibt hier sogar eine Richard-Wagner-Straße. Unter der festlichen Gesellschaft war auch Bürgermeister Leoluca Orlando, der Mafiajäger, der die Stadt von der Organisation befreite.

Vicks Absicht, Konflikte von heute wie Migration, Flüchtlinge, Terror, Moslems, auf „Parsifal“ zu projizieren, war im Programheft zu lesen, hätte aber auch auf der Bühne passieren müssen.

John Relyea begeisterte als Gurnemanz; Catherine Hunold, eine rubenshafte Erscheinung, war als Kundry glaubwürdig. Julian Hubbard sang eindrucksvoll, aber im Text unverständlich die Titelpartie. Tomas Tomasson musste als Amfortas fast nackt auftreten und enttäuschte stimmlich. Die als Kooperation mit dem Opernhaus von Bologna entstandene Produktion wird in Palermo vorerst fünfmal gespielt.

 

IOAN HOLENDER 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

CRESCENDO| DEZEMBER 2019 - FEBRUAR 2020

"HAB NIE GEFRAGT, OB'S GESTATTET IST..."  

    

 

 

 

   

 

 

 

 

 

 

 

Was geschieht mit Lehárs Paganini-Schlager „Gern hab‘ ich die Frau’n geküsst, hab‘ nie gefragt, ob es gestattet ist. Dachte mir: nimm sie dir…“? Darf Jonas Kaufmann dieses Lied auf seinem neuen Operettenalbum noch singen? Oder was wird aus dem Herzog von Mantua in Verdis Rigoletto, der die minderjährige Gilda durch Täuschung verführt und dies singend zelebriert? Weitere Beispiele sind bei Bedarf vorhanden.
Der Bariton gewordene alte Tenor wurde weltweit verboten. Er sagt zu seiner Verteidigung, dass in seiner gloriosen Zeit „andere Standards gegolten haben“ und so manches als normal erachtet worden sei, was heute für Aufregung sorgt. Er verstehe die heutige Welt nicht mehr.
Die unaufgeregte Normalität sagt klar und unmissverständlich, dass abgeschlossene und unterschriebene Theaterverträge sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer zu respektieren seien. Die moralische Integrität oder Unbescholtenheit des arbeitnehmenden Künstlers kann kein Kriterium sein zum Einhalten oder Auflösen eines Vertrages, höchstens dazu, diesen nicht abzuschließen, aus welchem Grund auch immer. Ist jedoch ein ausübender Künstler gleichzeitig Arbeitgeber als Leiter eines künstlerischen Institutes und nutzt seine Stellung zur Erlangung eines persönlichen Vorteils aus, kann und sollte der Betreffende von seiner führenden Machtposition entfernt werden.
Auch Berühmtheit kann eine Machtposition bedeuten. Und wird so eine Zelebrität im Betrieb zum Unruhestifter, kann man sie zum Schutz der andern Beschäftigten entfernen.
Das alles sollte für jeden klar sein und bedarf keiner Diskussion. Die Anschuldigungen entstanden doch nur, weil der einst dank seiner künstlerischen Leistung zu Recht bejubelte Sänger heute gleichzeitig Arbeitgeber und -nehmer ist. Dies war immer äußerst diskutabel und sollte vermieden werden, heute vielleicht mehr als gestern.
Aber das ist auch wirklich alles, was man dazu sagen kann.


Ioan Holender

 

 

 
 
 
 
 
 
 
 

 

 

 

KRONE| 23.09.2019

GASTKOMMENTAR: IOAN HOLENDER

 


 

 

 

 

 

Lorenzos Sprung in die Weltkarriere

Oper Amsterdam: Lorenzo Viotti ab 2020 Chef "Pagliacci", "Cavalleria rusticana"

 

  

 

Sein triumphaler Erfolg mit den zwei veristischen Opernreißern „Cavalleria rusticana“ und „Pagliacci“ war der Anlass, Lorenzo Viotti (29), den in Wien ausgebildeten Schweizer Dirigenten, zum musikalischen Chef der Amsterdamer Oper und Nederlands Philharmonisch Orkest ab 2021/ 22 zu ernennen.

Ex-Staatsopernchef Ioan Holender berichtet in der „Krone“ über Viottis und Robert Carsens Produktion: Viotti hat ein kleines Wunder an Koordination vollbracht, denn der ausgezeichnete große Chor und alle Mitwirkenden müssen auf der Bühne, aber auch im Zuschauerraum ständig für Bewerbung sorgen.

Robert Carsen gelang eine ungewohnte, doch der Vorlage entsprechende Inszenierung, obwohl die Geschichte der zwei zum Mord führenden Eifersuchtsdramen eigentlich anders erzählt wird. In „Pagliacci“ singt und agiert der hundert Sänger umfassende große Chor bis zum blutigen Ende selbst als Publikum vom Zuschauerraum aus, um zuletzt - zusammen mit Silvio – auf die Bühne zu stürzen. Nachdem die beiden Leichen von Nedda und Silvio liegen geblieben sind, beginnt die Erzählung der „Cavalleria“, die im Theater spielt. Die Choristen sind da Schneider, Garderobiers, Maskenbildner, Tapezierer usw. Auch Alfio und seine Lola arbeiten im Theater mit Turiddu zusammen und seiner nähenden Mutter Lucia. Das Bühnenbild von Radu Boruzescu besteht aus fahrbaren beleuchteten Garderobentischen mit Stühlen. Glaubhaft erzählt, für jedermann verständlich, kreativ, mutig.  

Anita Rachvelishvili ist die stimmlich herausragende Santuzza, die heute wohl  beste dramatische Mezzosopranistin. Neben ihr souverän singend: Brian Jagde als Tenorpartner. Ailyn Perez sang und spielte exzellent die junge attraktive Nedda, während der beliebte Brandon Jovanovich ein darstellerisch und auch musikalisch stets glaubhafter, doch stimmlich – vor allem in der Höhe mangels entsprechender Technik – ungenügender Canio war. Roman Burdenko sang vor dem Theatervorhang einen famosen Prolog samt dem gefürchteten hohen As, war dann aber ein ziemlich blasser Alfio. Ein Riesenerfolg.


Ioan Holender 

 

 

 

 

 

 

 

 

CRESCENDO| SEPTEMBER 2019

IOAN HOLENDER-KOLUMNE:

 

Das künstlerische Gewissen

 

Fragt man Direktoren der weltberühmtesten Opernhäuser, wieso der eine oder andere Sänger für eine Rolle engagiert wurde, bekommt man meistens die Antwort, weil der Betreffende ein „Ticketseller“ oder „Kartenverkäufer“ sei. Ob gut, ob schlecht, ob für die entsprechende Rolle geeignet oder nicht, ob das gespielte Werk von Relevanz ist oder nicht, spielt keine Rolle. Der Engagierte ist beim breiten Publikum bekannt, und dieses kauft Karten, um ihn zu hören. Es ist irrelevant, ob es sich um einen - derzeit Baritonpartien singenden - alten, früheren Tenor handelt oder um eine kühle, schöne, oft abgebildete Mezzosopranistin oder aber um eine neuerdings mit einem durchschnittlich singenden Tenor vermählte hervorragende Sopranistin; diese Sänger kennt man, daher engagiert „man“ sie.

Dieser alles dominierende Kartenverkaufsrausch, der natürlich keinerlei künstlerische Qualitätsargumente kennt, geht in seiner Vernichtung - vor allem was das künstlerische Gewissen betrifft - aber noch weiter. Die wenigen „Ticketseller“ bestimmen auch die Werke, in denen sie bereit sind aufzutreten, und es sollen nach Möglichkei auch immer überall dieselben sein. Wenn ein schöner, romantisch aussehender Tenor einmal eine dankbare Rolle in einer sogenannten italienischen Schnulzenoper singen will, setzen bedeutende Opernhäuser das Werk sofort auf den Spielplan, und wenn der Bariton gewordene alte Tenor noch eine entsprechende, ihm zumutbare Gesangspartie findet, wird das Werk sogar bei den berühmtesten Festspielen weltweit, natürlich konzertant, aufgeführt.

Konzertant, was man heute halbszenisch nennt, ist überhaupt die beliebteste Darstellungsform von Bühnenwerken geworden. Man spart damit viele Kosten, überbeansprucht das Auditorium nicht mit Inszenierungen, und vor allem - sehr wichtig - benötigen jene, um derentwillen man das unwichtige Werk aufführt, keine lange Probezeit. Während die wenigen auserkorenen „Ticketseller“ immer höhere und im Vergleich zu allen anderen und angesichts ihrer eigenen Leistung unverschämte Honorare aus Steuergeldern kassieren, die für Theaterbudgets vorgesehen sind, lässt die gleiche Kulturpolitik, die diese Vorgangsweise akzeptiert, die kleinen und mittleren Stadttheater, in welchen die zukünftigen Sängergenerationen entstehen, aushungern.
 

 

 

 

 

 

 

 

 

KURIER | 06.09.2019

GASTKOMMENTAR: IOAN HOLENDER

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

Hirscher: Ein Beispiel für die Musikbranche

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wir wissen, dass das Skifahren neben klassischen Musikdarbietung das auch international wichtigste Wahrzeichen Österreichs ist. Auch der Staatssender ORF hat unmissverständlich klar gemacht, dass es viel wichtiger als die Wahl einer Bundesregierung. Also hat er die programmierte Wahlsendung mit der Wortmeldung aller politischen Parteien als zweitrangig hinter die Sendung verschoben, in der die Nation erfahren wollte, was unser Nationalheld Marcel Hirscher wohl tun werde, wenn er nicht mehr für den eigenen und den Ruhm der Nation auf die zwei Bretter steigt. Erfahren haben wir, dass unser, durch Skifahren zu Weltruhm gelangter 30-jähriger, sympathischer, bescheidener, gut, klug und klar formulierender Mann als ein solcher weiter leben möchte.

 

Bei diesem ganzen, medial überüberstrapazierten Vorgang frage ich mich, wieso ein Opernsänger, Instrumentalist oder Dirigent beiderlei Geschlechts sich nie und nirgends selber in den optischen und akustischen Spiegel schaut und anhört. Auch für sehr verdiente und weltbekannte Musiker gibt es doch ein Leben jenseits der Bühne. Selbst wenn der Applaus für bekannte und lieb gewordene Sänger nicht weniger geworden ist, als er es für Hirscher noch wäre, kann man doch von der Sängergilde dieselbe Selbsterkenntnis erwarten wie von einem Skifahrer, oder? Vom Veranstalter ist dies leider nicht zu erwarten, denn dieser verkauft, was man kauft.

 

Mein Kompliment, Herr Hirscher!

 

Sind klassische Künstler wirklich weniger einsichtsvoll, selbstkritisch und selbstherrlich als Skifahrer? Oder noch schlimmer: Haben sie sich kein Leben außerhalb des Podiums geschaffen?


 

 

 

   

 

 

 

 

 

 

 

 

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG | 5. SEPTEMBER 2019

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Ein Gespräch mit Ioan Holender 

Sie sollten Lust bekommen, in die Oper zu gehen!

 

 

Ioan Holender war Sänger, die Wiener Staatsoper hat er geleitet, bei Servus TV erklärt er die Welt der Klassik

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

FAZ: Für den Sender Servus TV produzieren seit langem die Sendung „kulTOUR mit Holender“ dort geht es heute um die Kinderoper: „Momo“. Warum musste es diese sein? Als Sie die Folge Ihrer Riehe in München erstellt haben, lief gerade „Hänsel und Gretel“ in der Bayrischen Staatsoper.

 

I.H.: Ich wollte nach den vielen Sendungen, die wir über viele Opernhäuser gemacht haben wie die Mailänder Scala, die Häuser in Frankfurt und München einfach klären: Was ist Kinderoper heute? Fakt ist, sie findet immer mehr Platz. Sie ist eine Erscheinung des 21. Jahrhunderts. Es existieren ein paar historische Werke, die kinderaffin wirken, die man aber nicht als Kinderoper bezeichnen kann. Dazu gehört auch „Hänsel und Gretel“. Humperdink wollte damit zeigen, dass es auch im Stile von Wagner Oper schreiben kann. Er war ja auch Notenschreiber für Wagner.

 

 

FAZ: Was sind dann historische Kinderopern?

 

I.H.: Saint- Saëns‘ „Karneval der Tiere“ und Benjamin Brittens „Der kleine Schornsteinfeger“. Es geht ja die Mär, dass die „Zauberflöte“ ein Werk sei, um Kindern Oper nahezubringen. Diese Meinung bin ich nicht, denn die Oper hat Teile, die nicht geeignet sind für Kinder, sieht man mal von den Papageno-Auftritten ab. Wilfried Hiller gilt heute als der meistgespielte Kinderopernkomponist. Er ist der Papst der Kinderopern. Die Wiener Staatsoper hat drei Opern von ihm gespielt. Sein „Traumfresserchen“ ist die meistgespielte Kinderoper überhaupt. Das Gärtnerplatztheater hat auch immer wieder Kinderoper-Akzente gesetzt. Hinter Hiller und „Momo“ steckt eine langjährige Zusammenarbeit, so lange Michael Ende noch lebte.

 

 

FAZ: Für wen so eine Kinderoper gedacht?

 

I.H.: Zwischen sechs und elf Jahren muss man Kindern diese seltsame Gattung, in der Menschen singend töten und sterben, näherbringen. Entweder dies gelingt in den ersten elf oder zwölf Jahren, oder nicht. Hinterher ist es schwierig. Heute werden immer mehr Kinderopern aufgeführt, um die Kundschaft von morgen zu errichten. Es ist eigentlich eine Werbeaktion für die Oper, denn Sie können die Kleinen ja nicht gleich in „Götterdämmerung“ oder „Tosca“ schicken.

 

 

FAZ: Und mit Musik eines zeitgenössischen Komponisten gelingt das, denken Sie?

 

I.H.: Kinder sind offener für zeitgenössische Kompositionen als Erwachsene, weil sie noch keine Hörgewohnheiten haben. Kinderoper muss verständlich sein - akustisch. Wenn man die Akteure nicht ohne jede Anstrengung versteht, hat alles keinen Sinn. Oper muss verständlich sein, gerade für Kinder. Heute spielt man ja Oper immer in der Originalsprache. Das hat auch seine Nachteile. Denn oft singen die Sänger in einer Sprache, die sie nicht verstehen, für ein Publikum, das die Sprache nicht versteht. Löbliche Ausnahme ist die Bayrische Staatsoper, die Smetanas „Verkaufte Braut“ nicht im tschechischen Original, sondern in der deutschen Übersetzung aufführt.

 

 

FAZ: Was macht speziell das Schreiben für Kinder aus?

 

I.H.: Hiller sagt immer, Kinderoper soll maximal achtzig Minuten dauern. Kinder müssen immer dann aufs Klo, wenn es sie langweilt. Kinder haben immer recht. Sie sind unverbildet. Eine vierminütige Ouvertüre ohne Bilder ist da schon viel verlangt. Es sollten Geschichten sein, die Kinder kennen, so wie beim „Traumfresserchen“. Kinder haben immer Probleme beim Einschlafen mit bösen Träumen. Das Gärtnerplatz hat sich große Verdienste erworben und ist nicht zu groß und nicht zu klein. Gerade richtig für unsere Sendung.

 

 

FAZ: Wie gut lässt sich die Oper im Fernsehen aufbereiten? Erfahrungsgemäß schauen ja genau Kinder da nicht zu.

 

I.H.:  Wir übertragen nicht die Oper, wir sprechen nur darüber. Ich persönlich glaube, dass Oper und Schauspiel im Fernsehen nicht funktioniert und fad ist. Die Unmittelbarkeit, wovon das klassische griechische Theater bis heute lebt, etwas kommt von der Bühne zu den Zuschauern und umgekehrt, macht die Spannung aus. Das befruchtet sich gegenseitig.

 

 

FAZ: Dann sollte das Fernsehen also keine Opern übertragen?

 

I.H.: Theater, Oper und Konzerte sind nicht für Einsamkeit des Fernsehens gemacht. Niemand sollte allein oder zu zweit vor dem Fernseher sitzen und Oper schauen. Selbst Fernsehfilme unterliegen ja anderen Regeln als Kinofilme. Ich rede daher mit Regisseur und Komponist und zeige Ausschnitte. Das muss ja in einer halben Stunde so viel Spannung aufbauen, dass die Leute Lust bekommen, in die Oper zu gehen. Und natürlich ist die Sendung für die Erwachsenen, die Eltern gedacht, die dann ihre Kinder im besten Fall mit zu „Momo“ nehmen.

 

 

FAZ: Wen haben Sie im Kopf, wenn Sie eine „kulTOUR“ anlegen? Die Eingeweihten oder wollen Sie auch neue Schichten erschließen?

 

I.H.: Gute Frage: Ich denke ein beide, aber letztlich sind mir nicht die Fans wichtig, sondern Neugierige, die sich interessieren. Denen will ich die Schwellenangst, etwa die Angst vor dem vornehmen Äußern, nehmen. Mein oberstes Motto lautet: Nicht so gescheit sein. Wenn sie drei Minuten nur Bahnhof verstehen, steigen die meisten gnadenlos aus.

 

 

FAZ: Wer schaut denn bei Ihnen zu?

 

I.H.: Für mich ist wichtig, wer am Ende der Sendung noch dabei ist, nicht wie viele am Anfang eingeschaltet haben. „kulTOUR mit Holender“ hat im Durchschnitt eine Reichweite von 140.000 Zusehern. Erwachsene zwischen sechzig und 69 Jahren haben die höchste Sehbeteiligung, gefolgt von Zuschauern zwischen vierzehn und 49 Jahren. Tendenziell sind die Zuschauer mit einer knappen Mehrheit eher männlich.

 

 

FAZ: Haben Sie sich selbst etwas kindliche Neugier bewahrt, damit sich die auch auf die Zuschauer überträgt?

 

I.H.: Das ist die größte und schwierigste Herausförderung. Zu fragen: Wer oder was spielt dort? Hier in „Momo“ sind es japanische Schlaginstrumente. Wie funktionieren die?  Das Ende von „Momo“ kennt doch jeder, heißt es. Ich wiederspreche. Man kennt heute weder Schiller noch Goethe noch Michael Ende. So ist es doch. Die Aktualität von Endes Geschichte ist heute viel größer als sie entstand. Die Leute haben immer weniger Zeit, zuzuhören. Wenn heute einer erzählt, kommt der andere gleich mit seiner eigenen Geschichte. Die Idee mit der Zeitsparrasse, die Zeit nur produktiv zu nützen, das ist aktueller denn je. Was heißt denn produktiv? Wofür? Für Geld, für Macht? Das Thema der Verdichtung der Zeit, dass Menschen um ihr Leben betrogen werden, ist doch heute viel größer. Schauen Sie doch in Ihren Beruf. Wo früher ein Redakteur für ein Blatt schrieb, muss er das heute für vier tun. Das kann nicht gesund sein.

 

Das Gespräch führte Jörg Seewald.  

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KURIER| 6. AUGUST 2019

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


"Die unvergleichlichen Festspiele"

Bayreuth: Ioan Holender über "Tannhäuser", "Lohengrin", "Meistersinger"

 

 

 

 

 

 

 

Er war Ehrengast der Bayreuther Festspiele: Ioan Holender, Ex-Staatsopernchef, hielt zum 100. Geburtstag des langjährigen Bayreuth-Chefs Wolfgang Wagner, die Festrede. Für die „Krone“ schreibt er seine „

Eindrücke über die noch immer „unvergleichlichen Festspiele“.

 

1891 erstmals am Grünen Hügel - in der Pariser Fassung - aufgeführt, wurde „Tannhäuser“ diesmal von Tobias Kratzer inszeniert und von Rainer Sellmaier ausgestattet. Ein nahezu triumphaler Erfolg für die Regie, was in Bayreuth eher selten der Fall ist. Die von Elena Zhidkova solide gesungene und mit viel Humor interpretierte Venus war eine gar nicht göttliche, sondern durchaus irdische mit ihrer Erotik spielende, um den Titelhelden kämpfende Dame. Stephen Gould ist heute immer noch der weltweit beste Tannhäuser mit seinem strahlenden Heldentenor - und dies bis zum letzten Ton der Romerzählung. Die weltweit gefragte Lise Davidson begeistert als Elisabeth durch enormes Stimmvolumen. Es fehlen nur noch dynamischen Nuancen im piano und mezzavoce. Markus Eiche war ein solider Wolfram. Valery Gergiev dirigierte das - diesmal in der Dresdner Fassung gespielte - Werk, doch gelingt es ihm nicht, Spannung im verdeckten Orchestergraben zu schaffen, wo Ungenauigkeiten in der Koordination nicht zu überhören waren. Dafür zuletzt viele Buhs. „Lohengrin“, in der wenig interessanten Inszenierung von Yuval Sharon von 2018, wurde Christian Thielemann mit wunderer Einfühlung dirigiert. Klaus Florian Vogt war der knabenhaft tönende, doch sehr sicher singende Titelheld, während die für Krassimira Stoyanova eingesprungene Camilla Nylund eine zu zarte lyrische Elsa war, die am nächsten Tag auch Eva in der intelligenten, sehr musikalischen „Meistersinger“-Inszenierung von Barrie Kosky sang. Kosky erzählt die Geschichte des Wagner-Hauses Wahnfried bis zum Nürnberger Prozess. Elena Pankratova und Tomasz Knoieczny beeindruckten mit großer Stimme, leider mit schlechter Aussprache, als Ortrud und Telramund. Wiens künftiger Musikdirektor der Staatsoper, Philippe Jordan, war der souveräne, bejubelte musikalische Leiter. Bemerkenswert, dass das internationale Publikum trotz Hitze und unbequem Sitzen immer noch in Abendkleidern und Smoking erscheint. 

 

 

 

 

 

 

 

KURIER| 17. JULI 2019

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Festung von 1475 als Opernhaus - Ioan Holender für Servus TV/ kulTOUR mit Holender beim Savonlinna-Festival

 

 

 

 

 

 

 

Opernfest Savonlinna! Eine Festung 1475 errichtet, zum Opernhaus mit 2000 Plätzen umgebaut mit fabelhafter Akustik: Ex-Opernchef Ioan Holender besuchte Startenor Jorma Silvastis Festival für ServusTV/ kulTOUR mit Holender (31.10.). Und berichtet für die „Krone“.

 

 

60.000 kommen zum Festspielzeit. Rossinis „Barbier von Sevilla“, „Verdis Rigoletto“ und „Mozarts Entführung aus dem Serail“ standen auf dem Programm. Die Wiener Volksoper gastiert mit Johann Strauß‘ „Fledermaus“ - sie heißt hier „Lepakko“ - im szenischen Arrangement Direktor Robert Meyers, der es sich nicht entgehen lässt, den Frosch zu spielen. Alexander Pereiras Scala kommt mit drei Vorstellungen von Verdis italienischen Räubern den „Masnadieri“. „Rigoletto“ wurde von David McVicar inszeniert - nicht ohne ohne maßlose Übertreibungen und sexuelle Ausschweifungen im Schloss von Mantua. Bühnenbild und Kostüme Tanya McCallin auf der breitesten Opernbühne der Welt (34m) bestehen nur aus beweglichen Gittern, werden hin und her geschoben und stören sehr. Trotz historischer Kostüme wird am Hofe des Herzogs viel nackte Haut gezeigt. Philippe Auguin dirigierte, der auch bei uns bekannte Dalibor Jenis - von der Regie zu einem mit Krücken humpelnden Hofnarren gezwungen - überzeugte mit seinem großen, technisch sicher geführten Bariton. Ivan Magri singt den Herzog und Cristina Pasaroiu eine hervorragende Gilda. Der in Wien sehr präsente Frédéric Chaslin dirigierte die Festspielpremiere den „Barbier“. Bei der Ouvertüre sieht man neben dem im Graben spielenden Orchester ein zweites, noch größeres, auf der Bühne mit Attrappen von Instrumenten, das mit pantomimischen Bewegungen mitspielt. Was das Publikum herzlich lachen lässt. Der Mezzo Laura Verrecchia badet während ihrer Arie nackt. Neben ihr ist Figaro leider stimmlich eigentlich nicht vorhanden. 

 

 

 

DILEMA VECHE| NR. 803, 11.-17. JULI 2019

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Romania nu este interesata de Festivalul de la Salzburg

 

 

 

 

 

 

 

George Enescu rămîne tot ce este mai bun, de valoare, de calitate, de curățenie morală și un exemplu de verticalitate, eleganță spirituală, modestie, sinceritate și onoare; pe scurt, un om de cultură, în cel mai adevărat sens al cuvîntului, pe care România l-a avut și îl are. Toate, calități greu de întîlnit în scumpa noastră Românie de astăzi.

Oedipul sofoclesian, transpus în muzică de Enescu de-a lungul unui sfert de veac, este nu doar una dintre cele mai importante lucrări de teatru muzical din galeria culturală mondială, ci și un prețios simbol a ceea ce România a dat culturii muzicale. Montarea capodoperei enesciene Oedip pe scena Operei de Stat din Viena, în timpul direcțiunii mele, este un lucru bine cunoscut. Însă faptul că cel mai prestigios festival din Europa, și nu numai, și-a propus pentru ediția din 2019, pe lîngă prezentarea unei serii de concerte camerale cu muzica lui Enescu, interpretate de cei mai valoroși instrumentiști, și montarea capodoperei compozitorului nostru este sau, din păcate, ar trebui să fie, într-adevăr, o mîndrie pentru noi, românii.

Cu cîțiva ani în urmă, intelectualitatea și cultura română s-au bucurat de o apreciere internațională atunci cînd eminentul Andrei Pleșu a susținut discursul de deschidere al Festivalului de la Salzburg. Nu e mult de atunci, dar pare că a trecut un veac.

Directorul artistic al Festivalului de la Salzburg, pianistul Markus Hinterhäuser, este una dintre personalitățile emblemice ale culturii europene. Hinterhäuser cunoștea şi aprecia deja compozițiile enesciene, iar eu am reușit să îi atrag atenția, să îi stîrnesc curiozitatea și pînă la urmă admirația pentru capodopera sa scenică – Oedipe. Optimist, încrezător și cu o oarecare naivitate, l-am asigurat că poate conta pe sprijinul României în privința lucrărilor lui Enescu și nu numai. Atîta vreme cît ICR Viena avea la conducere o personalitate culturală de talia Irinei Cornișteanu, optimismul meu în privința factorilor culturali din România de astăzi a avut o bază reală. De cînd aceasta a fost alungată din cadrul instituției, ea neaparținînd majorității politice actuale, postul a rămas vacant, iar optimismul meu s-a dovedit utopic. Propunerea mea de a-l invita pe directorul artistic al Festivalului de la Salzburg în România, pe meleagurile enesciene, n-a fost nici măcar percepută. Ministerul Culturii din România – oare există așa ceva? – nu a reacționat în nici un fel. Festivalul de la Salzburg include, pe lîngă partea muzicală, nu mai puțin important, o parte teatrală. Eu am informat-o pe Bettina Hering, directorul secției de teatru, cea care alcătuiește programul teatral al Festivalului de la Salzburg, despre extraodinara producție a Faustului goethean, în montarea lui Silviu Purcărete, de la Festivalul Internațional de Teatru din Sibiu – FITS. De la noi din țară, Constantin Chiriac a fost singurul care a înțeles importanța unei prezențe a FITS la Salzburg și a încercat să stabilească o legătură în sensul prezentării titanicei lucrări a lui Goethe, în regia lui Silviu Purcarete, în cadrul festivalului austriac, stîrnind curiozitatea Bettinei Hering. Fără nici o inițiativă a forurilor competente din țară și nici măcar din partea departamentului cultural al Ambasadei din Viena, demersurile lui Chiriac au eșuat.

Conducerea Festivalului de la Salzburg ar fi fost încîntată să organizeze, cu ocazia prezentării lucrărilor lui Enescu, și o expoziție a tot ce a fost și este – oare mai este ceva? – mai bun în țară. Porțile festivalului au fost deschise cu scopul de a suscita interesul și curiozitatea publicului pentru cultura românească, dar pragul acestuia a rămas netrecut de ai noștri. Lăudabil este faptul că Festivalul Internațional de Muzică ce poartă numele lui George Enescu încă mai are loc în România. Anul acesta, în septembrie, la doar o lună după încheierea Festivalului de la Salzburg, se va desfășura în țară Festivalul George Enescu, dar, din păcate, acest eveniment cultural nu a fost mediatizat în nici un fel la Salzburg.

Intelectualii interesați de viața culturală în România de astăzi sînt conștienți de dezinteresul cultural total al politicului aflat la conducere. Persoanele instalate în posturile de conducere culturală din țara noastră, ca să nu spun indivizii, asemenea colegilor dumnealor din celelalte resorturi, sînt preocupați doar de a-și păstra posturile și deci de a nu face nimic ce ar putea naște vreo tensiune sau nemulțumire în activitatea dumnealor. Totul funcționează după binecunoscuta cutumă: „Dacă nu fac nimic, nu mi se întîmplă nimic“.

Capodopera enesciană Oedipe va fi prezentată la Festivalul de la Salzburg, unde cu siguranță va suscita interes și recunoaștere, asemenea „Sonatei pentru vioară nr. 2 în Fa minor“, „Octetului pentru coarde în Do major“ sau „Impressions d’Enfance“ ale lui Enescu.

România de astăzi a pierdut o șansă de a fi internațional prezentă prin tot ceea ce a avut și are ea mai bun. Nu mă mir, constat doar cu durere.

 

 

 

 

 

 

CRESCENDO| JUNI 2019

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Bewahren wir das Stadttheater 

 

 

 

 

 

 

 

Als Leo Nucci im vergangenen Monat sein vierzigjähriges Debut an der Wiener Staatsoper mit einem glänzenden Arienabend feierte, wurde ihm das Plakat mit seinem Debüt als Figaro im „Barbier von Sevilla" aus dem Jahr 1979 geschenkt.

 

Nucci ist damals für ein erkranktes Ensemblemitglied eingesprungen und neben seinem Namen stand „als Gast“. Alle anderen Rollen wurden selbstverständlich von Mitgliedern des Hausensembles besetzt. Das war in allen großen Opernhäusern der damaligen Bundesrepublik von München bis Hamburg so. Schon als ich die Direktion der Wiener Staatsoper im Jahr 1991 übernommen habe, gab es die Spezifizierung „a.G.“ nicht mehr. Heute kennt man diesen Zusatz gar nicht mehr.

 

Vielmehr versucht man sogar in den kleinen und mittleren Stadttheatern Hauptpartien mit Gästen zu besetzen.

 

Ein organisierter Aufbau eines angehenden Opernsängers wird damit unmöglich. Er oder sie können sich fast nirgends mehr langsam und entsprechend ihrer vokalen Entwicklung ein Repertoire aufbauen.

 

Als Ersatz dafür führen nahezu alle großen Opernhäuser sogenannte Opernstudios. Diese funktionieren neben dem Normalbetrieb des Opernhauses, und die Mitglieder des Studios können für kleinere Partien auch dort eingesetzt werden. Die Ausbildung im Opernstudio ist auf zwei Jahre beschränkt. Die Opernstudios übernehmen die Endausbildung, die in den Musikhochschulen stattfinden sollte, und sind eine Art Zwischenstufe zum Beruf.

 

Opernstudios sind aber eine Notlösung und ein Ersatz für die ersten Engagements, wo Anfänger dann mit wichtigen und ihrer Entwicklung entsprechenden Partien betraut werden. Es ist gut, dass es sie gibt, denn es ist fast der einzige Ort, wo angehende Sänger noch wachsen können, wenn auch äußerst bescheiden bezahlt.

 

Wenn die Stadttheater keine vollständigen Ensembles mehr beschäftigen, und die Existenz dieser (der Stadttheater) weiterhin gefährdet ist, ist die gesamte Gattung Oper in unseren Breitengraden, und nicht nur hier, gefährdet. 

 

Als Gastsänger kann man sich nicht aussuchen, welche Partie man singt, man muss sich nach dem Markt richten und was Agenten einem anbieten. Die Oper engagiert, was man eben braucht, und die wenigsten sagen Nein zu einer Partie, die sie nicht, oder noch nicht, singen sollten. Ein von einem kundigen Leiter geführtes Opernhaus - das gibt es noch, selten aber doch - wird das Ensemblemitglied nach dem Repertoirevorhaben engagieren, oder der Spielplan richtet sich nach dem, was man hat. 

 

Der „Markt“ reagiert wie die Opernszene, und die Sänger sind eine sekundäre Notwendigkeit, welche sich einordnen muss, um zu überleben.


 

 

 Ioan Holender 

 

 

 

 

 

 

KURIER| 19. MAI 2019

Gastkommentar - Ioan Holender 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Von der Hofoper über das Operntheater zur Staatsoper im Wandel der Zeit 

 

 

 

 

 

 

Schon die Eröffnung 1869 war mehr Leid als Freud.

Die zwei Architekten wurden so lange malträtiert wegen dem neuen Gebäude, bis sich einer von ihnen umbrachte. Mozarts Don Juan, natürlich in deutscher Sprache, wurde nicht weniger kritisiert als der Bau selbst. Für Mozart zu groß – was ja bis heute stimmt – für Meyerbeer aber zu klein. Der Hofoperndirektor war unwichtig und machtlos, die kaiserliche Generalintendanz alles entscheidend. Dann kam endlich einer, der etwas wollte – Gustav Mahler. Von seinem Ruf zehrt „das Haus“ noch heute. Sein Kampf für Qualität auf der Bühne und im Orchestergraben, für neue Opernwerke und eine mögliche demokratische Ordnung in der bereits zerfallenden politischen Ordnung der Kaiserzeit kostete ihn den Posten und auch die Gesundheit. Aus der hoflos gewordenen Hofoper wurde bald das „Operntheater“. Dann ist aus dem Staat die Ostmark geworden, und eine Ostmarkoper wollte man doch lieber nicht, wenn auch manche in der Reichshauptstadt Berlin dies gerne gehabt hätten. Weltweit gesehen wichtig wurde das Haus am Ring bis zum Kriegsende ‘45, außer der kurzen Mahlerzeit, nie. So wie die Ostmark ja nur das Anhängsel war, war auch das Operntheater, trotz Bemühungen von Lokalmatadoren wie Schirach, weniger geachtet als Berlin oder sogar München. Nicht zufällig schickte man Wien nur den Grazer Karl Böhm aus Dresden als Chef, während Clemens Krauss von Wien nach München ging und die Größten in Berlin tätig waren.

Wir sollten auch heute, 150 Jahre nach der Gründung der Staatsoper, nicht unerwähnt lassen, was „das Haus“ nach dem 13. März 1938 unwiederholbar und endgültig verloren hat. Verbotene Komponisten wurden auch später vergessen und kaum mehr aufgeführt. Die entlassenen Dirigenten, Sänger, Orchestermitglieder und anderen Mitarbeiter, welche den siebenjährigen Terror überlebten, wurden kaum zurückgeholt. Es war die Zeit des gleitenden Überganges. Durch die Zerstörung des Hauses im März ‘45, als die Oper mitten in der Stadt als Ruine dastand, wurde sie plötzlich zu einem Symbol Wiens. Als ob es erst der abgebrannten Oper bedurfte, um den Wienern bewusst zu machen, dass es vorbei war mit der Herrlichkeit.

Dann waren sich fast alle einig, dass man „unsere Oper“ wiederaufbauen musste, und zehn Jahre danach war sie auch wieder da. Damit aber nicht alles so plötzlich anders werde, holte man den damaligen Ostmarkdirektor wieder zurück, doch auch diesmal blieb er nicht lange. Und während der Zeit seines wirklich außerordentlichen Nachfolgers, sowohl als Musiker als auch als Leitfigur - Herbert von Karajan - ist die Wiener Staatsoper wieder das geworden, was sie zu Zeiten Gustav Mahlers anstrebte, mit dem wesentlichen Unterschied, dass dies durch die modernen Kommunikationselemente wie Schallplatten, Radio, Film und Fernseher weltweit bekannt wurde.

Doch auch Karajans Herrlichkeit dauerte nicht allzu lang, wie so ziemlich alles, was in Österreich gut ist. Er wurde durch die neue demokratische - „Gewerkschaft“ genannte - politische Macht vertrieben.

Der Rest ist bis heute noch in frischerer Erinnerung, vom Wunschdenken der Geschichte vernebelt. Ob unter der Leitung eines Österreichers, Deutschen, Amerikaners, Rumänen oder Franzosen - die Staatsoper in Wien war und ist ein Attraktionspunkt für auch nicht opernaffine Besucher.

Die Republik wurde in den letzten Jahrzehnten international wenig beachtet, die Staatsoper blieb aber auch im Wandel der Zeit irgendwie doch die Staatsoper. Mal besser, mal weniger gut, aber doch, die Staatsoper ist die Staatsoper.

 

 

 

 

 

 

 

 

KURIER| 29. APRIL 2019

Gastkommentar - Ioan Holender

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Wird die Welt nur von Geld regiert?

 

 

 

 

 

 

Wenn der oder die politisch verantwortliche Person keine Entscheidung für einen, von seinem Ressort zu besetzenden Posten, auf sich nimmt, nominiert er oder sie eine sogenannte „Findungskommission“.

 

Diese schlägt das Gefundene in schöner Reihenfolge der Präferenz dieser nicht-entscheiden wollenden politischen Instanz vor, und diese wiederum macht dann ihre Entscheidung, die nicht die Ihrige ist, bekannt und glaubt somit, die Verantwortung nicht selbst zu tragen, denn es war ja eine Findungskommission, die die Nominierung vornahm.

 

Bei der Kulturabteilung der Stadt Wien hatte diese Vorgehensweise, Posten neu zu besetzen, Tradition. Die neu amtierende Frau Kaup-Hasler ging zwar den gleichen Weg der Nichtverantwortlichkeit, doch stoppte sie das Weitersuchen des zu Findenden jetzt plötzlich mit der Begründung, der oder die Gesuchte brauche vier Millionen Euro mehr Budget. Damit sagt die Kulturstadträtin klar und deutlich, dass das Problem des Volkstheaters darin bestehe, dass es unterbudgetiert sei.

 

Gespräch mit Manker!

 

Dazu sei die Frage erlaubt, warum man diese Millionen nicht gleich der amtierenden Frau Direktor gibt, damit wäre dann alles paletti, laut Frau Stadtrat. Aber warum sprechen die Suchenden nicht mit einem Paulus Manker, der klar darlegt, wie das Volkstheater mit dem vorhandenen Budget auch künstlerisch hochgradig auskommt? Es zeugt von Oberflächlichkeit, Unverantwortlichkeit und Leichtsinn zu behaupten, dass ein Theater mit viel mehr Geld auch viel besser sein wird.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KRONE| 18. APRIL 2019

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Schönberg, Klimt & Kirschblüte

 

 

 

 

 

 

In diesen Tagen geht das internationale Spring Festival 2019 in Tokyo zu Ende. Rund 200 Konzerte - konzertante Liederabende - wurden zum 15-jährigen Bestehen des Fests in den Konzerthallen und Museen Tokyos präsentiert. Und man feierte 150 Jahre Österreich-Japan.

 

 

Wiens früher Staatsoperndirektor Ioan Holender, der das Haus am Ring 19 Jahre lang leitete, ist künstlerischer Berater des Frühlingsfestivals und außerdem des Metropolitan-Opera-chefs Peter Gelb. Nun drehte er eine Woche lang für die Sendung „kulTOUR mit Holender“ des Senders Servus TV eine Dokumentation über das Festival, seine Veranstaltung und das Musikpublikum in Tokyo. Ausgestrahlt wird die Japan-„kulTOUR mit Holender“ im Juni.

 

 

 

 

Holender wie die japanischen Veranstalter sind mit dem Festival 2019 sehr zufrieden: „Alles ist mit japanischer Präzision organisiert, alles läuft perfekt.“ Im Mittelpunkt stand heuer Wagners „Fliegender Holländer“ in hervorragender Besetzung mit Bryn Terfel als Holländer, Ricarda Merbeth als Senta, Peter Seiffert als Erik, Cosmin Ifrim als Steuermann und Aura Twarowska als Mary. Holender: „Dass für den Daland ein junger Däne, Jens-Erik Abso, eingeflogen werden musste, hat sich als Entdeckung erwiesen. Den kann man ja weiterempfehlen!“. Ein weiterer Schwerpunkt war Superstar Riccardo Muti gewidmet, der erst jüngst in Japan das Praemium Imperiale, den „Nobelpreisfür Musik“, erhalten hat. Muti, der in der Ära Holender immer wieder mit der Staatsoper in Tokyo gastierte, ist hier ein „Kultdirigent“. Er hielt seine „Italian Opera Academy in Tokyo“ zum Thema „Rigoletto“ ab, die größten Zulauf junger Sänger und Musiker hat. Ein weiteres Projekt, das in Kooperation mit den Bayreuther Festspielen abgehalten wird, ist „Richard Wagner für Kinder“. Da das Festival gleichzeitig mit der Kirschblütenzeit stattfindet, gibt’s auch „Free concerts in Harminie mit der Kirschblüte“.

 

150 Jahre diplomatische Beziehungen Österreich-Japan wurden mit Wiener Walzer, Arnold Schönbergs „Gurreliedern“ und Kammermusik sowie einem Gustev Klimt-Programm gefeiert. Es gab Porträtkonzerte für Clara Schumann, Benjamit Britten, Beethovens Violinsonaten und jede Menge Start.

 

 

Karlheinz Roschitz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

CRESCENDO | MÄRZ 2019

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


kulTOUR mit Holender

 

 

 

 

 

 

Von Ostdeutschland bis Osteuropa – was für eine spannende Reise für meine „kulTOUR mit Holender“! Die Dreharbeiten auf der Halbinsel Krim, der Besuch von Simferopol, Jalta und Sewastopol - es zeigt sich immer wieder, dass man einen wahrhaftigen Eindruck von einer Region nur persönlich vor Ort bekommt. 


Die dominante Kulturstätte der Krimer Hauptstadt Simferopol ist definitiv das 800 Plätze umfassende Staatliche Akademische Musiktheater auf dem großen, nach Lenin benannten Hauptplatz. Das Institut hat ein eigenes Orchester, Chor, Ballett und natürlich auch ein Solistenensemble, und es werden Operetten, Musicals und große klassische Ballette aufgeführt, von Tschaikowskys Schwanensee bis zu Boris Assafjews Die Fontäne von Bachtschissarai. Eine 30 Jahre alte Produktion von Emmerich Kálmáns Silva, bei uns als Czadasfürstin bekannt, mit langer, ungestrichener Prosa, in russischer Sprache wurde vom Publikum bejubelt. Und im Haus der Matrosen hörte ich ein von Justus Frantz dirigiertes Konzert mit Rachmaninows Zweitem Klavierkonzert und Tschaikowskis Vierter Sinfonie.

 

Höhepunkt dieser Krim-Reise war aber zweifellos Jalta. Ein absolutes Muss ist das Anton-Tschechow-Haus, wo der große Schriftsteller die letzten fünf Jahre seines leider kurzen Lebens verbrachte und seine großartigen Stücke Der Kirschgarten und Die drei Schwestern schrieb. Der historisch bedeutende Liwadjia-Palast, in dem 1945 die drei großen Sieger - Stalin, Churchill und Roosevelt, die Welt unter sich aufteilten, und die prachtvollen aristokratischen Landsitze, die an die Loire-Schlösser erinnern, stammen noch aus der Zeit der Zaren und sind bis heute beeindruckende Zeugen einer fantasievollen Architektur und Gartengestaltung.

 

Von der Krim zurück ging unsere Reise ins „Florenz an der Elbe“ – nach Dresden. Die Semperoper mit der herrlichen Akustik und dem ältesten Orchester Deutschlands sind zusammen mit der Eröffnung der Dresdner Philharmonie im umgebauten Kulturpalast jeden Besuch wert. 

 

Sehr beeindruckend war auch die tschechische Renaissancestadt Krumau – Schiele wäre hier so gerne länger geblieben – mit der Freiluftaufführung von Verdis Il Trovatore, bei der das Publikum auf eine sich um 360 Grad drehende Tribüne sitzt, und einem Open-Air-Konzert, gesungen von Piotr Beczała und Sondra Radvanovsky. 


Worauf die Servus TV Zuseher sich außerdem noch freuen dürfen: Erlebnisse aus der Mazedonischen Oper und der Philharmonie in Skopje.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

DILEMA VECHE | MÄRZ 2019

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


De pe Pamantul Fagaduintei

 

 

 

 

 

 

La aterizarea pe modernul aeroport din Tel Aviv - orasul alb, am fost placut impresionat de atmosfera primavaratica, soarele stralucitor si frumoasa Mediterana, toate contrastand cu vremea inchisa si posomorata a Vienei.

 

In cele cinci zile petrecute intre cel mai vechi oras din istorie si cel construit cu doar 100 de ani in urma, am fost sub obladuirea Institutului Cultural Roman de la Tel Aviv, care aflase despre sosirea mea din afisele concertului cu Lieduri de Mahler, pe care fiul meu Liviu urma sa il sustina la Ierusalim. Datorita promptitudinii si eficacitatii directorului ICR Tel Aviv - fostul timisorean Martin Salamon -, am avut ocazia sa ii intalnesc acolo si pe cativa dintre “romanii israelieni” - asa cum isi spun dumnealor. Unul dintre acestia a fost Mircea Cantacuzino - nepotul Marucai enesciene, un roman neaos, stabilit la Tel Aviv, care a obtinut cetatenia locului ca o recunoastere a ajutorului oferit de mama sa celor supusi persecutiei rasiale in vremurile noastre negre.

 

Din nou la Tel Aviv, mi-am amintit de vechea prietenie ce ma lega de Al. Mirodan, inca de pe vremea in care amandoi eram pe plaiurile strabune. Desi mandru ca reusise sa infiinteze si sa editeze la Tel Aviv revista “Minimum” si sa publice ulterior opera sa de referinta “Dicționar neconvențional al scriitorilor evrei de limba română” - in trei volume, a ramas pana in ultima zi trist si dezamagit de faptul ca piesele lui - atat de apreciate si jucate in Romania de alta data, nu si-au gasit si acolo drumul spre scena.

 

Spre deosebire de datile trecute, desi vedeam peste tot casele albe in stil Bauhaus si Marea Mediterana, aveam impresia - sufleteste, ca ma aflu in Romania. Intalnirea organizata de ICR. Tel Aviv m-a adus in preajma unor originari romani avizi de ce tot ceea ce le puteam povesti atat despre Wiener Staatsoper, cat si despre Festivalul Enescu, si in general despre viata literara si teatrala a Romaniei de astazi - sau ce a mai ramas din ea. Doar in capitala religioasa a lumii - Ierusalim, mai palea putin prezenta tricolorului nostru, dominanta vizuala fiind cea a ultrareligiosilor, al caror numar creste tot mai mult - un lucru de neinteles si nu numai pentru mine. Diferentele dintre orasul cu cele opt porti si orasul alb de pe malul Mediteranei sunt atat de puternice, incat este greu de inchipuit ca ambele se afla in aceeasi tara. 

 

Si inca ceva: atat “Dilema veche”, cat si alte ziare romanesti editate acolo, precum “Jurnalul saptamanii”, s.a., sunt foarte raspandite in Israel, unde criza ziarelor tiparite inca nu exista.

 

Am parasit “Pamantul Fagaduintei” cumva cu sentimentul ca am plecat putin si din Romania. Un simtamant paradoxal, dar sufleteste cumva explicabil, chiar daca practic, departe de orice asemanare.

  

 

IOAN HOLENDER

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Magazin News, 43|2018

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Ehre, wem Ehre gebührt

 

 

 

 

 

 

Freund und Feind jubelt gemeinsam, das rote Wien und der schwarze Bund helfen mit gleichen Mitteln aus, und Banken verzichten auf einen Teil ihres Geldes. Keine Wadelbeißerei zwischen Kulturminister und Wien-Kultur, man freut sich und gratuliert sich selbst, aber vor allem einem Mann – Matthias Naske. Er hat das - seit der Generalsanierung vor 18 Jahren - verschuldete Konzerthaus mit Jahresende schuldenfrei gemacht. Veronica Kaup-Hasler, die im Vergleich zu ihrem Vorgänger aktive und mutige Kulturstadträtin, ist genauso zu loben wie Minister Gernot Blümel als kunstverständiger, überparteilich agierender Beamter.

Matthias Naske ist es gelungen, das Publikum neugierig und interessiert zu machen. Ich erwähne nur die Fridays@7-Serie, bei der zuerst ein einstündiges pausenloses Konzert gespielt wird. Die zweite Hälfte besteht aus einem musikalischen Ausklang im Garderobenfoyer. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, Weltstars in einer intimeren und ungewöhnlichen Umgebung zu erleben.

Naske war in Wien viele Jahre ein einsamer, von der zuständigen Stadtpolitik unbedankter Kämpfer zum Wohl und zur Rettung der Musik im breitesten Sinn.

Wie schön, dass er nicht vergeblich gekämpft hat.

 

 

 

 

 

 

 

 

Magazin News, 41|2018

 

 

 

 

 

 

 

 


Die Verharmlosung

 

 

 

 

 

Wir Österreicher haben das singuläre Talent, aus den wichtigsten Themen, die die Menschen berühren und betreffen und die ernsthaft besprochen gehören, eine lustige Unterhaltung zu machen. Und was kann schon lustiger und spannender sein, als ein öffentlich ausgetragenes Match zwischen zwei bekannten Persönlichkeiten? Der Austragungsplatz des jüngsten Kampfes war das beliebte und gut besuchte „Zeit im Bild 2“- Studio. Jeder Zuschauer hatte Gelegenheit, sich den „Sieger“ auszusuchen – der Streitgegenstand blieb dabei auf der Strecke.
Österreichs Ablehnung des UN-Migrationspakts, eines Papieres, das von 191 Mitgliedsländern der Vereinten Nationen verhandelt wurde und Ziele oder Lösungen für das ungelöste Problem von Flüchtlingen und Migranten behandelt, wurde in einem unterhaltsamen Zwiegespräch zwischen Wolf und Strache erledigt. Dabei gelangen den beiden immer wieder kleine Uppercuts, manchmal auch mit völlig anderen Themen, was aber sowieso egal ist, da das Ganze ja nicht wichtig scheint. Hauptsache, man hat dem Gegenüber ein bisschen schaden können. Denn was die anderen, die zuschauenden und dafür zahlenden Deppen meinen, ist schon vollkommen egal.

 

 

 

 

 

 

Magazin News, 39|2018

 

 

 

 

 

 

 


Die Rechnung muss bezahlt werden

 

 

 

 

 

Jeder weiß, dass es so ist und doch liest man es selten. Wir, also die reichen Länder wie England, Deutschland,  Frankreich, Belgien, Holland, Spanien oder das frühere Habsburg-Österreich zogen aus den unterentwickelten, meist von Stammesfürsten regierten und oftmals korrupten Staaten alles heraus, was gut und teuer war und verwendeten alles Verwendbare unter und über dem Boden.

England wäre genauso nicht, was es ist ohne Indien, Brüssel nicht ohne den Kongo, Deutschland nicht ohne Deutsch-Südwestafrika usw. Der Raub geht weiter vom Irak über Libyen, Syrien bis nach Jemen. Und wenn die Mächtigen nicht bekommen, was sie begehren, wird es den Saudis und den Iranern auch nicht mehr lange gut gehen.

Jetzt plötzlich – in der Geschichte geschieht etwas immer abrupt nach einer langen Entwicklung – wollen die Menschen in diesen ausgeraubten und verarmten Ländern nicht mehr weiter mittellos bleiben und sie versuchen dorthin zu gelangen, wo jene leben, welche sie arm gemacht haben. Dies geht aber natürlich nicht, und warum sollen die Länder, die sich am Raub gar nicht beteiligt hatten wie Polen, Rumänien oder Ungarn u.a. dafür bezahlen?

Mit viel, mit sehr viel Geld und sicher nicht schnell kann man das Leben in den betreffenden Ländern lebenswert machen. So könnten wir unsere offene Rechnung  wenigstens teilweise begleichen.


 

 

 

 

 

 

 

Magazin News, 37|2018

 

 

 

 

 

 


Immer wieder der Goldene Westen

 

 

 

 

Man fragt sich in Europa und nicht nur dort, was noch Schlechtes passieren muss, damit wir uns endlich vom mächtigsten – weil reichsten – Staat der Welt distanzieren.  

Ja, ohne den Vereinigten Staaten als Gegner hätte Nazideutschland vielleicht den 2. Weltkrieg nicht verloren. Doch die USA wären nicht in den Krieg eingetreten, wenn sie nicht von den Japanern in Pearl Harbour angegriffen worden wären. „Europe is NOT our deal“ stand überall geschrieben.

In Jalta 1945 hat der schon kranke Roosevelt Stalin alles gegeben, was dieser begehrte. Wegen Rumänien, Polen u.a. machten sich die Amerikaner keine Schwierigkeiten. Und wenn es ihnen etwas bringt, vernichten sie den Irak und nichts lernend aus dieser Katastrophe danach auch Libyen. Gegen Russland erließen sie Wirtschaftssanktionen, denn die Amerikaner wissen am besten, was Recht ist in der weit entfernten Krim. Jetzt vernichten sie den Iran und schaden auch all jenen, die dabei nicht mitmachen.

Europäische Gerichtshöfe erkennen die Amis sowieso nur nach Gutdünken an und im großen Salzamt in der UNO herrscht ja das Vetorecht.

Wenn sich Europa nicht bald gemeinsam wehrt und vor allem im monetären Bereich selbständig wird, kann und wird es für uns immer schlechter werden.


 

 

 

 

 

 

Magazin News, 35|2018

 

 

 

 

 


Über mediale Vorverurteilung

 

 

 

Der humane Begriff der Unschuldsvermutung hat zwar noch immer seine strikt juristische Gültigkeit, doch die mediale Verurteilung hat sie de facto zunehmend ersetzt. Die schon siebenjährigen gerichtlichen Bemühungen gegen Karl-Heinz Grasser samt den begleitenden Berichten in Fernsehen und Zeitungen, bevor es endlich gerichtsanhängig wurde, haben de facto sein Berufsleben vernichtet, obwohl er bis heute nicht schuldig gesprochen ist.

Die beruflichen Konsequenzen für bekannte Personen – derzeit vor allem Dirigenten – enden mit praktischem Berufsverbot, noch bevor eine Gerichtsverhandlung stattgefunden hat. Die Projektionen und Fantasien des Publikums sind so monumental geworden, dass es praktisch kein Entrinnen mehr gibt.

Das persönliche Ausnutzen von autoritären Stellungen in jeglicher Form ist zu verurteilen. Das An- patzen, Verleumden und öffentliche Verbreiten von gerichtlich nicht oder noch nicht bewiesenen Tatsachen ist genauso zu verurteilen.

So sollte es sein, doch so ist es leider nicht. Ein Urteil zu fällen, erfordert keinen Mut, sondern Kenntnis und Erwägung von Tatsachen. Alles andere, warum auch immer es sei, bedeutet Missachtung, Rechtsbruch und Inhumanität.


 

 

 

 

 

 

 

 

Magazin News, 33|2018

 

 

 

 


Spielzeitbeginn

 

 

Noch vor gut zwei Monaten waren Chor und Solisten, Orchestermitglieder, Tänzer, Bühnenarbeiter und technisches Personal froh und glücklich, die Spielzeit beendet zu haben. Das dankbare Publikum sollte auch in nicht weniger dankbare Ferien gehen, möglichst Natur und Familien verbunden, jedenfalls weg vom Alltag, zu dem auch Opern-, Theater- und Konzertdarbietungen während der Saison gehören.

Doch Künstler nützen den ihnen vom Sozialstaat bezahlten Erholungsurlaub generell nicht. Im Gegenteil – Chor- und Orchestermusiker, Tänzer und technische Mitarbeiter sind im intensiven Einsatz bei den immer mehr werdenden Festspielen von Salzburg bis Güssing, wobei das Arbeitspensum im Sommer oft anstrengender ist als während der normalen Spielzeit im Haus. Natürlich ist der pekuniäre Teil entsprechend lohnend. Dann, Anfang September, kehren Sänger mit müden Stimmbändern, lustlose Instrumentalisten und erholungsbedürftige technische Mitarbeiter an ihren Stammplatz zurück.

Und das mit Kunst und Unterhaltung (wobei ersteres meist auch Letzteres ist) in den Ferien -  vom Bodensee bis Kitzbühel - überfütterte Publikum ist wie die Künstler zurück am Arbeitsplatz. Es erwartet aber trotz Saturation erstklassige Aufführungen zum Saisonbeginn. Doch ein Künstler ist auch nur ein Mensch.


 

 

 

 

 

 

 

Magazin News, 31|2018

 

 

 


Schauen wir, dann sehen wir

 

„Schauen wir mal, dann sehen wir schon“: dieser Spruch stammt bekanntlich vom früheren „Fußballkönig“ Franz Beckenbauer. So ähnlich wird die Nichtentscheidung über die Abschaffung der Zeitumstellung gehandhabt. Die in Österreich 1977 vom damaligen Bundeskanzler Kreisky erfundene Energieverwertungsagentur sollte dazu beitragen, den Energiekonsum mit allen Mitteln zu reduzieren. Die Folgen waren die geteilten autofreien Wochentage und nicht zuletzt die neu eingeführte Sommerzeit, damit es abends länger hell ist und man Strom spart. Die teure Umstellung sowie die schädlichen Auswirkungen für Mensch und Tier wurden nicht beachtet.

Die staatlich subventionierte Energieverwertungsagentur wurde längst abgeschafft.  Dass in Österreich eine Änderung von Relikten der Vergangenheit immer besonders mühsam ist, ist bekannt. Was würde geschehen, wenn Österreich einmal für sich etwas entscheiden würde, das nur besser und vorteilhafter ist? Wie schade, dass unsere Außenministerin mit ihrem mächtigen Hochzeitsgast darüber nicht auch konversiert hat. Sie hätte für dieses Anliegen sicher Verständnis und somit den Mut für eine Gleichschaltung und damit eine Annäherung ans große Land ihres Hochzeitsgastes gefunden.

 

 

 

 

 

 

 

 
"Krone"-Talk - 19.08.2018 

Stefan Weinberger, Kronen Zeitung

 

Ioan Holender: „Das ist ein neues Leben!“

Ex-Staatsoperndirektor & ServusTV-Kulturmann Ioan Holender über Tennis, Stress und Kreisky!

 

„Krone“: Sie haben mich zum Tennis eingeladen! Bei der größten Hitze!

Ioan Holender: Ja, es ist eine Droge geworden. Vor allem, wenn man etwas seit 65 Jahren macht so intensiv wie ich: Ich hab ja auch eine Weile davon gelebt - und mir durch meine Doppel-Partien gute Kontakte geschaffen, von Kreisky bis Häupl!

 

War Kreisky gut am Platz?

(lacht) Nein! Er war unglaublich unbegabt!

 

Sie haben gerade gewonnen! Können Sie verlieren?

 

(lacht) Schwer! Verlieren ist im Leben in jeder Beziehung schwierig! Und es gibt kaum größere körperliche Freuden als ein gewonnenes Tennismatch!

 

Wie oft spielen Sie?

3- bis 4-mal in der Woche.

 

Dann sind Sie topfit!

Um topfit zu sein, egal, was Sie tun, müssen Sie es regelmäßig tun! Ich mache zwei Sachen regelmäßig: Früher waren‘s drei (lacht). Jetzt ist es Schwimmen und Tennis spielen.

 

Das heißt, Sie fühlen sich wie ein junger Hund!

(lacht) Sagen wir: Ich fühle mich sehr gut, obwohl ich drei Bypässe und Aneurysma habe! Aber ich gehöre nicht zu denjenigen, die die Krankheit suchen. Das hilft!

 

Die stressigen Zeiten als Staatsoperndirektor sind vorbei! Sind Sie froh darüber?

Ich habe Arbeit nie als Stress empfunden. Stress entsteht ja nur, wenn man Dinge macht, die man nicht machen soll oder die man nicht gerne tut. Dazu gehört für mich in Wien die Society, Einladungen, all dieser Schnickschnack. Das habe ich 19 Jahre lang nicht gemacht, und das mache ich jetzt auch nicht. Aber gefordert bin ich sehr, denn die Sendungen, die ich bei ServusTV mache, sind sehr aufwändig und interessant, da muss ich immer viel dazulernen. Das ist ein neues Leben! Auch beim „Salzburger Festspieltalk“ ist das eine Herausforderung, da muss vieles schnell gehen.

 

Warum schnell?

Der Kopf muss schnell funktionieren! (lacht) Und das geht im Moment noch gut! Zumindest solange ich noch nicht deppert werde, was ja auch nur eine Sache der Zeit ist bei mir. Aber ich hoffe, ich bin einer der Ersten, die das merken werden!

 

Ruhe geben können Sie nicht, oder?

Doch, doch! Ich genieße ja auch die Momente wie jetzt am Tennisplatz, und dann (lacht) kommen Sie mir wieder dazwischen!

 

Tut mir leid! Letzte Frage! Wie bleibt man fit?

Indem man einfach oft Dinge tut, die man nicht gerne macht. Sich überwindet, z. B. nach der Arbeit doch noch Sport zu machen!

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 27|2018

 

 



Massenansturm auf Europas Perlen

 
 
 

 

Erstmals besuchte ich das schöne mittelalterliche Städtchen Cesky Krumlov in Tschechien.  Wie in Salzburgs Altstadt drängen sich die vorwiegend asiatischen Reisegruppen durch die engen Gassen, sich selbst vor jedem hübschen Hintergrund fotografierend. Das mährische Krumau mit seinen 14.000 Einwohnern beherbergt jährlich an die zwei Millionen Touristen. Im Zentrum befinden sich fast nur noch Hotels und Restaurants. Will man sich ein Wasser kaufen, muss man in die Außenbezirke gehen. Noch ist man nicht soweit, dass man Überlegungen zu einem Numerus clausus der Tagestouristen anstellt wie in Salzburg, Venedig oder Barcelona.

Damit es nicht soweit kommt, könnte man  – wie in Hallstadt bereits praktiziert, wo der Ortskern in China ident nachmodelliert wurde – weitere europäische Sehenswürdigkeiten in Asien kopieren. Um Zeit und Weg zu sparen ließe sich die Burg Krumaus neben der Getreidegasse Salzburgs und dem Eiffelturm oder der Rialtobrücke erbauen, damit der Tourist nicht mehr drei Tage für einen Europabesuch benötigt, sondern nur noch einen Vormittag in seiner Nähe. Am Nachmittag böte sich dann eine Pistenfahrt in der gebauten Schneehalle an, wie sie in der Wüste Dubais schon existiert.

 
 
 
 
 
 
 
 
Musikfest in Krumau ( Český Krumlov): Arienabend, „ Trovatore“, Piotr Beczała
 
Ioan Holender | Kronen Zeitung, 28 Juli 2018
 
 

Internationale Klassik- Fest gehört zu den Höhepunkten der Veranstaltungen im südböhmischen Krumau ( heute: Český Krumlov). Ex- Staatsoperndirektor Ioan Holender besuchte das Musikfest im Egon- Schiele- Ort, sah einen „ Trovatore“und staunte über die berühmte drehbare Arena.

Die gepflasterten engen Gassen sind verstopft durch vorwiegend asiatische Besucher, wobei die immer eilig drängenden und überall sich selbst fotografierenden Chinesen in der absoluten Mehrheit sind.

Das große Galakonzert in dem 3000 Menschen fassenden Brewery Garden war der Höhepunkt der von einer Wiener Versicherung als Hauptsponsor unterstützten Veranstaltungen: Verdis „Trovatore“ im Freilichttheater des Schlossparks wurde für mich zur Weltsensation.

Nicht so sehr durch die dankenswerterweise ohne Mikrofone singenden Sänger – besonders interessant Yukiko Kinjo als Leonore –, und wegen des im histori- schen Lustschloss Bellaria verfrachteten Budweiser Opernorchesters, dessen Klang akustisch übertragen wird, sondern wegen der weltweit einmaligen, sich samt rund 600 Zuschauern drehenden Tribüne.

Während die Sänger, Choristen, Tänzer und Statisten um die Tribüne herum – mit in den Park gestellten Dekorationselementen – die komplizierte Handlung begreiflich zu machen versuchen, sitzt das Publikum zwei Stunden (diesmal leider zeitweise bei Regen) fest im Sessel, den sie auch nicht verlassen, denn sonst wären sie quasi im Bühnenbild.

Achtmal findet das Spektakel mit wechselnder Besetzung statt. Daneben werden zwischen Anfang Juni und Mitte September auch Dvořáks „Rusalka“, Schauspiele, Ballett und KinderVorstellungen gespielt. Alles wird vom ambitionierten Budweiser Stadttheater- Ensemble unter der gekonnten Leitung von Lukas Prudek bestritten.

Die beiden auch bei uns geschätzten Sänger Sondra Radvanovsky und Piotr Beczała – drei Tage vor seinem „Lohengrin“- Debüt in Bayreuth! – gestalteten den aus Verdi, Puccini und „Rusalka“ zusammengestellten Abend, der sehr gut gesungen wurde. Zum Finale: das Duett aus Léhars „Land des Lächelns“.

Um 20.30 Uhr begann der vornehme Arienabend, begleitet von den Prager Philharmonikern, eine Stunde später „Il Trovatore“ im nahen Schlosspark. Übrigens, daran, dass es wieder regnete, scheint man sich im prachtvollen mittelalterlichen Český Krumlov gewöhnt zu haben.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 25|2018

 

 



Westen des Ostens?

 
 
 

Rumänien ist der Westen des Ostens: Dieser schöne Satz stammt vom früheren Außenminister Andrei Pleşu, jenem Historiker und Philosophen, der vor einigen Jahren die Eröffnungsrede bei den Salzburger Festspielen hielt. Doch stimmt er wirklich? Das zweitgrößte EU-Land des Ostens scheint Brüssel nicht besonders zu interessieren, denn es ist still, EU-treu, und man hat mit Polen und Ungarn schon genug Probleme.

Der Machtkampf zwischen dem bürgerlichen deutschstämmigen Staatspräsidenten und dem regierenden sozialdemokratischen Parteivorsitzenden Liviu Dragnea, der wegen einer (noch?) nicht getilgten Verurteilung wegen Korruption verbissen gegen die Richter kämpft, wird als Internum betrachtet, was es ja auch ist. Und NATO-Mitgliedsland ist Rumänien auch. Westliche Banken und Investoren verdienen auch noch ganz gut im Land.

Die jahrhundertelang andauernde osmanische Herrschaft scheint, was Bestechung, Korruption und Bakschisch betrifft, ihre Spuren hinterlassen zu haben. Zusammen mit dem Einfluss der immer noch mächtigen Adoranten der Ceausescu-Diktatur prägen sie auch heute noch großteils die Moral. Und das Schlimmste von allem ist, dass die jungen Menschen Politik nicht interessiert und sie massenweise den Westen des Ostens in Richtung Westen verlassen.

 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 23|2018

 

 



Der deutsche Untergang

 
 
 
Die deutsche National-Fußballmannschaft ist bei der Weltmeisterschaft in der Russischen Föderation – früher Sowjetunion – gemeinsam mit Südkorea, Panama, Nigeria und anderen schon bei der Vorrunde ausgeschieden.

Dieses für das Land, den Lebensstandard und das Wohlergehen seiner 82 Millionen Einwohner völlig irrelevante Ereignis wird von sämtlichen Medien nicht nur im besiegten Fußballland als der beginnende Untergang der gesamten Nation beschrieben und kommentiert.

Der Sieg der Deutschen Fußballmannschaft bei der ersten offiziellen Fußballweltmeisterschaft nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 1954 in der Schweiz galt für viele Deutsche – bezeichnet als das „Wunder von Bern“ – als ein Zeichen des Aufbruchs nach dem verlorenen Krieg und der damalige Fußballtrainer Sepp Herberger wurde als Nationalheld gefeiert.

Das frühe Ausscheiden in Russland 64 Jahre später samt der verlorenen Partie gegen Südkorea (!) kann schwerlich als der Untergang des reichsten europäischen Landes Deutschland gewertet werden. Die wahrlich Kabarett-ähnliche Lächerlichkeit von manchen deutschen Medienkommentatoren hilft zusammen mit der Migrationskrise lediglich den Anhängern der AfD.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 21|2018

 

 



Medialer Erfolg und Realität
 
 
 
 

Zweifelsohne war die Begegnung in Singapur für die zwei Protagonisten Donald Trump und Kim Jong-un ein persönlicher Erfolg, der beiden Staatsführern allergrößte Publizität und weltweite Aufmerksamkeit gebracht hat und – einstweilen – ihre Machtposition gestärkt hat.

Ungewollt erinnern wir uns an die Begegnung zwischen Neville Chamberlain und Adolf Hitler, deren Treffen damals weltweit den bleibenden Frieden suggerierte, oder an die Vergabe des Friedensnobelpreises an Rabin und Arafat. Wir können jetzt nur hoffen, dass das Treffen in Singapur keine ähnlichen Folgen haben wird, denn mehr, als dass die Begegnung stattgefunden hat, wissen wir (noch) nicht.

Ich will die viel strapazierte Geschichte nicht noch mehr bemühen, doch die Hoffnung Österreichs vor dem Besuch Schuschniggs in Berchtesgaden war durchaus euphorisch, allerdings nur bis zu seiner Rückkehr.

Wir wollen auch nicht Personen vergleichen, sie sind ja weder menschlich noch historisch gesehen vergleichbar noch von heutiger Sicht aus betrachtet. Trotzdem lernen wir aus der Geschichte, und diese gibt uns wenig Anlass zur Zuversicht. Es ist wichtig, was in Singapur geschehen ist, entscheidend sind aber die Folgen davon.

 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 19|2018

 

 



Sport im Fernsehen
 
 
 
 
Im heutigen Fernsehen haben Übertragungen von Tennis- und Fußballspielen wie nie zuvor in der Geschichte dieses Mediums einen absoluten Vorrang erhalten. Gleichzeitig erlernen und spielen immer weniger Menschen Tennis, und die nicht sehr prominenten Fußballbegegnungen haben stets sinkende Zuschauerzahlen in den Stadien.
Bedingt durch die Fernsehwerbung für alles Mögliche, womit sich ein Tennis spielender Mensch kleiden oder sich abtrocknen kann oder was er isst und trinkt, und durch weitere Produktwerbung auf allen möglichen freien Plätzen rundherum im Fußballstadion und an allen Ecken des Tennisplatzes verdienen vor allem männliche Protagonisten Unsummen und fußballspielende Stars geradezu Unglaubliches, wenn auch beide nur recht kurzfristig.
Die Wettbüros haben Superkonjunktur, und die Vielfalt der Wettmöglichkeit bringt mehr Geld als so manches Spielcasino. Die Hochsaison beginnt in zwei Wochen mit der Weltmeisterschaft in Russland.
Sport ist geboren durch das Bestreben nach einem gesunden Geist im gesunden Körper (mens sana in corpore sano). Verblödung und Unbeweglichkeit sind heute daraus geworden.
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 17|2018

 

 



Das Gehirn und die Zunge


 

 

 

Das „Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien“ behauptete - um enteignete Güter restituiert zu bekommen -, Rechtsnachfolger der nach Kriegsende aufgelösten Naziorganisation „Deutsche Volksgruppe in Rumänien“ zu sein.

 

In der Zeit in der, welche in der Rumäniens Präsident Klaus Werner Johannis Bürgermeister von Sibiu war, ist es gelungen, den Rechtsnachfolger des früheren Vereines unter seinem Vorsitz wieder anzuerkennen und zu entschädigen.

 

Der Präsident des Abgeordnetenhauses und Parteiführer der regierenden Sozialdemokratischen Partei, Liviu Dragnea, und die amtierende Premierministerin, Viroica Dăncilă, haben auf Regierungsebene vorgeschlagen, Rumäniens Botschaft in Israel, so wie die Vereinigten Staaten ihre, nach Jerusalem zu verlegen. Herr Johannis deklarierte darauf mehrmals öffentlich, dass er dagegen sei. Das Treffen der rumänischen Regierungsmitglieder mit den höchsten Würdenträgern Israels kommentierte Johannis im rumänischen Fernsehen als „Geheimniskrämerei mit Juden“.

Nach einer Welle der Kritik und Empörung entschuldigte sich der Präsident für seine Wortwahl. Doch ein rumänisches Sprichwort sagt: „ce-i în gușă și-n căpușă“ – nur was im Gehirn sitzt, fällt auf die Zunge.

 

 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 17|2018

 

 



Foto oder Selfie



 

Ein schöner Fotoapparat war ein sehnsüchtig erwartetes Geschenk des heranwachsenden Sohnes. Unerklärlicherweise eher für den Buben als für das Mädel, und das blieb meistens bei den immer weniger werdenden Berufsfotographen bis heute so.

Leider hat das Selfie – ein digitaler Schnappschuss von sich selbst - die Fotographen verdrängt. Während dieser stets versucht, die von ihm im Bild Porträtierten möglichst vorteilhaft mit der Kamera festzuhalten, ist der oder die mit dem eigenen tragbaren Telefon bemüht, sich selber mit dem Objekt seiner Begierde gut sichtbar aufzunehmen und eine – in der Realität nicht existierende – Nähe zum wehrlosen Opfer vorzutäuschen. Das so erzwungene Ergebnis wird dann medial und gesellschaftlich herumgezeigt und täuscht etwas vor, das zwar vorgefallen ist, doch nicht den wirklichen Tatsachen entspricht.

Alles ist schnell vollbracht und nicht für die Dauer gedacht. Die digitale Droge soll das eigene mehr oder weniger spannende Leben dokumentieren und das Image steuern. Papierfotos, die man später anschaut, sind oft eine kostbare Erinnerung für Vergangenes. Die Selfies aber sind ein Zeichen unserer Zeit, schnelllebig und schnell verschwindend, oberflächlich, kühl und obwohl mit menschlichem Objekt eher unmenschlich.

Schade und traurig.


 

 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 15|2018

 

 



Das Zwangs-Trinkgeld



In der Welt der freien Marktwirtschaft ist das „Trinkgeld“, das als Dank für die besondere Aufmerksamkeit gewährt wird, schon lange keine freiwillige Leistung mehr. Heutzutage - in Amerika ausnahmslos - ist das Trinkgeld ein gewerkschaftliches Muss und keineswegs mehr ein diskretes Mehr, das von einer zahlenden Lady oder einem Gentleman erwartet wird. Wenn noch vor 20 Jahren eine freiwillige Zusatzzahlung von 10-15 Prozent üblich war, sind heute 10 Prozent eine Beleidigung, die böse Blicke oder gar die Rückgabe des Trinkgeldes zur Folge hat. In amerikanischen Restaurants wird der liebe Gast sogar konkret instruiert und in der Rechnung wird es ausgewiesen, ob er dem armen arbeitenden Menschen 18,25 oder 30 Prozent gewähren will.


Das Trinkgeld, der alte Bakschisch, ist keine freiwillige Zahlung des besonderen Dankes für die besondere Arbeit, sondern ein aufgezwungenes Recht des Arbeitenden gegenüber dem Konsumenten geworden.

 

Wenn Leben oder Sterben vom Trinkgeld abhängt und nicht vom Marktwert der verkauften Ware oder der erbrachten Dienstleistung, ist etwas faul in unserer Businesswelt, oder?

 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 13|2018

 

 



Aufrecht stehen, selber denken


 

Man kann zu Recht verschiedener Meinung über die Finanzierung des staatseigenen Fernsehens sein. Ob direkt von den Nutzern bezahlte Zwangsgebühren oder indirekt durch vom Staat einbehaltene Steuergelder, sei dahingestellt. Sinn und Zweck sollte einzig und allein die Qualität der Programme und vor allem die Ausschaltung des Einflusses von politischen Parteien sein.

Das sollte selbstverständlich in Österreich und zum Wohle der Fernsehzuschauer entschieden werden.

Doch man schielt zur Schweiz hin, nach Norwegen und demnächst nach Schweden, wie dort in Bezug auf die Beibehaltung oder Abschaffung der Gebühren entschieden wird, obwohl die Situation teilweise nicht vergleichbar ist. Warum senken wir unseren Kopf wie die Schneeglöckchen, statt aufrecht zu stehen, zu denken und selber zu entscheiden?

So wie wir die halbjährlich wechselnde - für Mensch und Tier schädliche - Zeitänderung nicht eigenständig unverändert lassen, wie es andere Länder bereits tun, machen wir weiter so, wie es andere „wichtigere“ Staaten handhaben. Schade, dass man stets schön brav in der Reihe stehen bleibt und sich nicht traut, zum eigenen Wohl eigenständig zu entscheiden. 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 11|2018

 

 



Über die Herrenmode


 

Die Herrenmode ändert sich zwar nicht so häufig wie die Damenmode, dafür aber radikaler und immer zum Hässlicheren. Seit einiger Zeit hat die Mode sogar die Umgestaltung der Gesichter der modebewussten Herren errichtet. Wer sich heutzutage noch rasiert, gilt als altmodisch, konservativ, gestrig und politisch rechts, aber auch als ältlich, unerotisch, jedenfalls als uninteressant.

Dass junge Menschen aus Bequemlichkeit und der Tendenz nach Gleichgesinnung Stoppelbärte tragen, beleidigt diejenigen, die sie anschauen, nicht. Aber die reiferen bis älteren Herren wollen ja auch jugendlich, potent und heutig, was immer dies auch ist, sein.

Wenn schon die ORF-Redakteure am Fernsehschirm schön rasiert auftreten, so wie dies in der Zeit von Gerd Bachers Intendanz Vorschrift war, so zeigt sich der Gebühren hütende Generaldirektor mit einem wilden Stoppelbart verunstaltet.

Und die Sakkos sollen modisch möglichst kurz und etwas zu eng sein und weit über der wohlhabenden Wölbung geschlossen werden, so wie es uns Herr Vizekanzler vormacht. Macht nichts – hässlicher kann es kaum mehr werden, nur abwarten, bis sich auch diese Mode wieder ändert. 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 9|2018

 

 



"Weltstars" in den Medien


 

Die Werbung ­ früher Reklame genannt ­ ist heute ein wichtiger Wirtschaftszweig. Ziel und Sinn der gesamten Operation ist einzig und allein, dass das beworbene Produkt gekauft wird. Ob es sich dabei um Parfüm, Anziehbares, Essbares oder eine künstlerische Darbietung handelt, ist irrelevant; Hauptsache, das Produkt ­ ob Mensch oder Ware ­ wird konsumiert. Früher meinte man, was Reklame brauche, sei minderwertig. Spätestens seit Coca Cola wurde bewiesen, dass Minderes als gut empfunden wird. Heutzutage werden sogar Schauspieler und Opernsänger, die durch mediale Propaganda bekannt gemacht werden, kurzzeitig berühmt. Die tatsächliche Leistung auf der Bühne ist sekundär geworden, jede Fernsehpräsenz, ob als Stargast bei Bällen, als singende Visualisierungen oder gar Selbstvermarktung als Werbeträger, erhöhen deren Verkaufswert. Das Schlimme und auf längere Zeit hin Tragische daran ist, dass angehende Ausführende einer künstlerischen Tätigkeit glauben, dass dies der Weg zu einer Existenz sei. Sie täuschen nicht nur uns, die gewünschten potentiellen Käufer oder Abnehmer, sondern auch sich selbst.
 

 

 

 

 

Kronen Zeitung | Kultur - Mittwoch, 21. Februar 2018

 

 

 

Da spielt das Orchester maskiert


Teatro La Fenice, Venedig: "Die lustige Witwe" in Damiano Michielettos Regie

 

Das schönste und akustisch beste Opernhaus der Welt, das legendäre Teatro la Fenice – nach achtjährigem Wiederaufbau als Folge des katastrophalen Brandes im Jahr 2003 wieder auferstanden – feiert die Karnevalsaison mit fünf Aufführungen von Franz Lehars „Lustiger Witve“ in Originalsprache.

Ex-Staatsoperndirektor Ioan Holender, der für ServusTV internationale Opernhäuser besucht, schreibt für „Krone“ – diesmal aus Venedig.

Das Fenice und die „Lustige Witwe“: Zuletzt hatte der Komponist hier im Jahr 1905 sein Meisterwerk selbst – in italienischer Sprache dirigiert – mitgesungen. Das von Stefano Montanari geleitete, durchwegs in originaler Karnevalsverkleidung spielende Orchester wurde vom – maskierten! – Publikum in Feierstimmung herzlich akklamiert.

Einer der bedeutendsten Regisseure Italiens steuerte die kluge, modern elegante, auch bunte Inszenierung bei: Sie stammt von Damiano Michieletto, dem auch bei den Salzburger Festspielen und im Theater an der Wien hoch geschätzten Regisseur. Banken, Börsen, und Geld bestimmen intelligent die Welt der „Lustigen Witwe“, die ins Heute umgesetzt wurde. Die Dialoge wurden selbstverständlich gekürzt.

Christoph Pohl, hier schon als „Tannhäuser“ – Wolfram erfolgreich, war der kultivierte singende Danilo, allerdings ohne Charme und darstellerische Präsenz. Nadja Mchantaf war die in der Stimme etwas scharfe, überzeugend spielende Witwe Glawari. Überragend Franz Hawlata – in der Wiener Staats- und Volksoper bekannt – als Baron Zeta. Ebenfalls als Karnevalshit wurde im „Fenice“ Rossinis „Barbier von Sevilla“ gezeigt. Mittelmäßig besetzt! Wobei das von Fortunato Ortombina als Intendant und künstlerischer Direktor gut geführte traditionsreiche „Fenice“ heute mit 21 Werken und etwa 140 Vorstellungen pro Saison neben der Mailänder Scala Italiens erfolgreiches Opernhaus ist.


Die Sängerhonorare sind da längst nicht einmal annähernd so hoch wie zur Zeit von Maria Callas: Aber sie werden sogar pünktlich ausgezahlt!

Ioan Holender

 

 

 

 

 

"Sunt alaturi de intelectualii orasului meu, personalitati precum Tolcea, Ungureanu, Jecza, Vighi, Lupu Hausvater, Babeti, Armanca, Garboni, Murgu, s.a., care din cate am inteles, nu sunt implicati si nici macar consultati in privinta TM 2021.

 

Pe de alta parte, ca Director Artistic al Asociatiei Timisoara - Capitală Europeană a Culturii a fost angajat un cetatean din Suedia, care nu are nicio tangenta cu Timisoara si care nici macar nu cunoaste limba romana.

 

Bineinteles ca nici despre alcatuirea boardului asociatiei nu am fost informat, afland doar deunazi ca si sotul doamnei Neumann este unul dintre membrii cestuia."

 

IOAN HOLENDER 

 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 7|2018

 



Eine Insel der Seligen

 
  

Wenn der nordkoreanische absolute Diktator Kim Jong-un seine im Staatsapparat allmächtige Schwester Kim Yo-jong zusammen mit ein paar Wintersportlern in den noch immer im Kriegszustand befindlichen anderen Landesteil des einst gemeinsamen Landes schickt, ist plötzlich alles eitel Wonne.

Der anwesende US-Vizepräsident Mike Pence reicht ihr zwar nicht die Hand, doch bei der Eröffnungszeremonie marschieren nord- und südkoreanische Sportler gemeinsam in das um 70 Mio. Euro gebaute Stadion ein. Dass in diesem nur vier Veranstaltungen stattfinden und es dann wieder abgebaut wird, interessiert niemanden.

Dr. Thomas Bach, der viel redende und nichts sagende Präsident des IOC, verkündete im Voraus, dass die Olympiade in Pyeongchang ein Geschenk sein werde, an das wir uns ein Leben lang erinnern würden. Und unser pensionierter Bundespräsident applaudierte begeistert neben anderen Honoratioren.

Kim schickte Eishockey-Spielerinnen, 230 Pom-Pom-Girls und Orchester in den verfeindeten Süden. Vergessen sind die Raketen samt atomarer Rüstung, mit denen er seit Jahren die Welt terrorisiert. Vielleicht schlägt man ihn noch für den Friedensnobelpreis vor, auch das sollte heutzutage keinen mehr wundern.

 

 

 
 
 
 
 
 
Magazin News 6 | 2018
 
 
 
 
 

Tu felix Austria - habemus Opernball

 
 
 
Die österreichischen Magazine, Boulevardzeitungen und alles, was in Wien auf Papier gedruckt wird, sind schon Wochen vor dem „Ereignis“ vom 8. Februar voll mit glanzvollen Berichten über das Kommende. Was die jungen Damen – manche Prinzessinnen (!) genannt – am Kopf, am Körper und an den Beinen tragen, wer sie frisiert und manikürt und wie übermenschlich sie sich freuen, dabei zu sein, füllt die Berichterstattung seitenweise, wobei alles, was die Leiterin des Balles von sich gibt, dominant ist. 


Die seit Kurzem zur Parlamentsabgeordneten gekürte Frau Großbauer ist derzeit zum bekanntesten Gesicht der Republik geworden. Darüber, wer nicht oder vielleicht doch zum Ball kommt, wird mehr berichtet als darüber, wer kommt, und der bezahlte Gast eines jeden bekannten Geschäftsmannes erhält mehrfach Titelseiten. Der definitiv grotesk zum Staatsball gewordene ehemalige Künstlerball führt durch die Abwesenheit prominenter Politiker nahezu einer Staatskrise. 


Das pekuniär Positive an der Tanzveranstaltung ist, dass diese durch die unverhältnismäßig hohen Eintrittspreise dem Haus, in dem sie stattfindet, Geld bringt. Zwar viel weniger, als verkündet wird, denn man müsste auch die Arbeitsstunden alles Mitarbeiter, vom Direktor bis zu den technischen Arbeitern, dazurechnen und den Verlust der Einnahmen an den Tagen der verschlossenen Vorstellungen und des lange eingeschränkten Spielbetriebes abziehen. Die Staatsoper wird durch den Steuerzahler erhalten, um Opern- und Ballettvorstellungen zu spielen, und nicht als Vergnügungsort für Ballbesucher. 


Der ORF bekommt ein dreistündiges Programm, in dem alljährlich die gleichen Moderatoren denselben Adabeis die gleichen Fragen stellen und dieselben Antworten erhalten. 


Dass der Bundespräsident und jene Mitglieder der Bundesregierung, die den Ball durch ihre Anwesenheit „beehren“, samt Begleitung in der Mittelloge einquartiert werden, ist selbstverständlich. Dass jedoch der Bundespräsident und der Bundeskanzler samt Anhang nach der Eröffnung auch je eine der größten Ballvergnügen erhalten, konnte schon ich seinerzeit – trotz des Versuches – nicht ändern. Der damals amtierende Kanzler, Alfred Gusenbauer, schrieb mir, dass er nicht komme, falls er zahlen müsse. Das hätte zwar nicht meinen Rücktritt ausgelöst, auch nicht die Absenz des Bundespräsidenten, aber als weisungsuntergeordneter Beamter blieb mein Versuch erfolglos. 


Aber dass jetzt der Schokoladen- und Rüstungsoligarch, besser bekannt als ukrainischer Staatspräsident und jegliche Opposition ausschaltender Machtpolitiker, der edle Staatsgast unseres alles überschattenden Medienereignisses ist, wirft in der Wahrnehmung unseres derzeit wahrlich nicht felix Austria kein gutes Licht. 


  

 
 
 
 
 
 
Magazin News, 5|2018

 



Ist der Ruf erst ruiniert...

 
 
 
 
 
 
Es kam leider so, wie viele es vorhergesagt haben. Wenn man mit Hunden schlafen geht, muss man sich nicht wundern, wenn man mit Flöhen aufwacht.

Ob der Missetäter ein Burschenschafter ist, so wie viele, die jetzt wichtige Positionen innerhalb des Regierungsapparates haben, oder nicht, ist nicht der Stein des Anstoßes. Der Herr war jedoch Spitzenkandidat in der niederösterreichischen F.P.Ö., und diese beharrt weiter auf ihm. Der Koalitionspartner in der Bundesregierung mischt sich nicht ein, der Bundespräsident versucht es erfolglos, denn es liegt nicht in seiner Kompetenz.

Unser kleines, außenpolitisch irrelevantes Österreich ist jedoch in aller Munde. Ich war gerade in Mailand. Sogar die italienischen Zeitungen sind auffallend voll mit negativen Kommentaren über die antisemitischen Äußerungen eines führenden Politikers der regierenden Koalitionspartei.

Es ist längst nicht mehr eine niederösterreichische Lokalangelegenheit, sondern eine, die ganz Österreich betrifft.

Der Gesamtschaden ist vollbracht, der Ruf ist hin, und auch wenn sich keiner geniert, bleibt der Ruf, auch ungeniert, beschädigt.
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 3-4|2018

  

 

  

Jetzt ist der Opernball definitiv ein Staatsball

 
 
 
 
Der erste Ball 1956 in der wiederaufgebauten Staatsoper war als Symbol für das wiedererstandene demokratische Österreich ein lobenswerter Anlass.
Bekannte Schauspieler und Sänger aus Burg und Oper samt der Ikone Herbert von Karajan sorgten anfangs für Glanz beim Opernball, der sich später durch die Präsenz vom König von Spanien bis zum Bayerischen Präsidenten Franz Josef Strauß zum Staatsball entwickelte. Doch blieben diese Staatsgäste mit der Zeit aus, auch wegen der Gegendemonstrationen. Und als der Irak-Iran Krieg ausbrach, wurde der Ball sogar abgesagt. Die Bestrebungen, aus dem Opernball einen Ball der Künstler zu machen, gelangen kaum. Die jeweiligen Damen, die die Ballleitung innehatten und die immer gleichen „Adabeis“ wurden neben den bezahlten Gästen eines geschickten Geschäftsmannes zum medialen Mittelpunkt der Veranstaltung.
Heuer leitet den Ball gar eine Parlamentsabgeordnete einer politischen Partei, und die Tanzveranstaltung wurde als kulturpolitische Zielsetzung der Staatsoper untergeordnet.
Das Jahr 2018 wurde als Gedenkjahr deklariert, vielleicht hätte man dabei - z.B. mit Musik verbotener Komponisten bei der Eröffnung - auch an den 13. März 1938 und dessen tragische Folgen im Haus erinnern können, wenn man dies, wie die Kronenzeitung zu Recht bemerkte, sonst leider nicht macht.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 1-2|2018

  

 

  

Warum spielen Theater keine Theaterstücke mehr?
 
 
 
 
Die Reihe der Dramatisierungen von Romanen, Filmen, Novellen und Umschreibungen von Theaterstücken geht, trotz allgemeiner Misserfolge, schlechten Kritiken und Publikumsschwund unerklärlicherweise weiter. Das leider sowieso kriselnde Volkstheater scheitert mit Kieslowskis erfolgreichem Film „Zehn Gebote“ als Theaterstück genauso wie das Akademietheater mit der Theaterbearbeitung von Verhoevens Film „Willkommen bei den Hartmanns“ oder das Schauspielhaus Graz mit Alexander Eisenachs Bühnenfassung von Thomas Manns wunderbarem Roman „Der Zauberberg“. Wobei der letzte negative Höhepunkt der missglückte Versuch des Burgtheaters war, Joseph Roths Roman „Radetzkymarsch“ zum Theaterstück umzuformen.
Man fragt sich, warum Theatereinrichtungen nicht mehr fürs Theater Geschriebenes spielen. Es gibt nämlich außer den vielen bekannten antiken und klassischen Stücken auch moderne und zeitgenössische Theaterwerke. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Theaterleiter immer öfter auf bekannte Prosa oder gar Filme zurückgreifen. Wahrscheinlich in der Hoffnung, dass vertraute Titel mehr Publikum anziehen werden. Bücher sind zum Lesen geschrieben worden und Filme für das Kino, Theaterstücke hingegen für Schauspieler und die Bühne.
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 48|2017

  

 

  

Oper an der Wien – wohin?
 
 
 
Für das künftige Schicksal der Wiener Staatsoper nach Ablauf der Amtszeit der jetzigen Direktion am 30. August 2020 wurde bereits vor einem Jahr gesorgt, indem man Bogdan Roscic ab 1. September 2020 bestellt hat.
Im derzeit - von Roland Geyer weltweit anerkannt und erfolgreich geführten – kleineren Opernhaus am Naschmarkt, das politisch der Stadt Wien zugeordnet ist, wurde eine Nachfolge-Entscheidung ab der Spielzeit 2020/21 nicht getroffen, obwohl die lange Vorlaufzeit, bedingt durch die häufigen internationalen Koproduktionen des als Staggione-Betrieb geführten Hauses, dies dringlichst bräuchte.
Der in der Klassikbranche weltweit begehrte Teodor Currentzis soll an der Leitung Interesse gezeigt haben. Das wäre eine weit über Wien hinausgehende Entscheidung.
Doch weder der Kulturstadtrat noch der Aufsichtsrat der anonymen Wiener Holding – beide kein Liebespaar jedoch verantwortlich – haben ein Jahr nach der Staatsoper noch immer nichts entschieden.
Jetzt besteht die Gefahr einer kleinen provinziellen Schnellentscheidung mit einer/einem Willigen und niemanden Störenden.
Das wäre ein Reputationsverlust für die Verantwortlichen und deprimierend für das für Wien wichtige andere Opernhaus.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 46|2017

  

 

  

Voll bezahlt doch arbeitslos
 
 
 
 
Am 12. Oktober war die letzte Nationalratssitzung der 183 Parlamentsangehörigen der am 15. Oktober abgewählten rot-schwarzen Regierungskoalition. Am 9. November wurden die von der neugewählten schwarz-blauen Regierung bestimmten Parlamentarier angelobt.
Parlamentarier erhalten einen hohen Monatsbezug, dürfen jedoch auch anderweitig tätig sein. Meine Frage als unwissender Bürger ist, ob zwischen dem Abtreten der einen (12. Oktober)und der Angelobung der neuen (9. November) keine Bezüge bezahlt werden? Wahrscheinlich nicht, doch dann wäre es ökonomischer gewesen, die Angelobung erst dann zu veranstalten, wenn es auch eine neue Regierung dazu gibt!
Der abgewählte Bundeskanzler hingegen samt sämtlicher Minister und Staatssekretäre und Anhang sind weiterhin im vollbezahlten Amt, obwohl sie nicht mehr sind als Statisten. Denn entscheiden können und wollen sie auch nichts, das Parlament tagt ja auch nicht, solange es keine neue Regierung gibt.
Der Herr Bundeskanzler hat zwar noch sein Büro im Parlamentsgebäude und seine im Amt befindlichen Minister ebenfalls, nur tun muss keiner etwas. Somit hat die Zeitspanne nach der verlorenen Wahl doch noch ihre – wenn auch nicht schöne – doch angenehme Seite.
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 44|2017

  

 

  

Kultur ist politisch, doch überparteilich


 
 
 
Die Schlacht ist also geschlagen, die Favoriten sind die Sieger geworden und wirklich verloren, sogar vernichtet, wurde nur einer. Auch eine Farbe hat sich im Kampf verändert, indem schwarz  türkis  wurde.
Jetzt wird gerätselt, gewettet, vorausgesagt und breit diskutiert, wer welchen Teil vom großen Kuchen – sprich die Ministerien samt Anhängseln – bekommt. Man spricht und mutmaßt über alle, nur nicht, wer kulturverantwortlich wird, denn das ist das schwächste und politisch unwichtigste Glied in der teuren Kette. Und dies obwohl sich Österreich vor allem durch seine Kulturdampfer auszeichnet und sich deswegen ausnahmsweise nicht nur selbst lobt, sondern auch international beachtet wird.
Wie gut, wie schön, hilfreich, nützlich, sachgerecht zum Wohle unserer Kultur wäre es, einen oder eine KulturministerIn zu nominieren, der oder die weder schwarz-türkis noch blau und trotzdem nicht farblos ist. Es wäre in vielfacher Weise beruhigend für die Wähler jeglicher Parteien, wenn der schöne, große, gewonnene Kuchen nicht nur untereinander aufgeteilt wird.
Ob die neue „große“ Koalition zu diesem Altruismus fähig ist? Es würde ihr Sympathien und dem Land Nutzen bringen.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 42|2017

  

 

  

Nach dem Match ist vor dem Match


 
 
 
Aus persönlichen Zeitgründen schreibe ich meine Kolumne bereits heute am Freitag, drei Tage vor der Nationalratswahl. Ich denke nicht mehr darüber nach, wer diese gewinnen wird und  wen der Sieger mit ins Boot nimmt. Ich überlege vielmehr, ob es so sein wird wie im Sport zwischen den Gegnern, indem es nach dem Match ist wie vor dem Match. Sogar zwei Boxkämpfer, die sich kurz zuvor blutig geschlagen haben, wobei einer vielleicht sogar bewusstlos wurde, umarmen sich nach der Partie am Ende als Sieger und Verlierer.
Und ich frage mich, ob es nach den erbitterten Grabenkämpfen, Silbersteiniaden und anderen Untergriffen der letzten Wochen des Wahlkampfes auch so sein wird? Wird der Strache die Lunacek fest umarmen und der schöne schlanke Kurz dem nicht weniger schlanken, doch weniger feschen Kern küssend gratulieren, oder umgekehrt?
Schwer zu glauben, dass die im Sport übliche Fairness auch in der Politik ihren Platz finden wird. Es bleibt nur die Hoffnung, dass Sieger und Verlierer in der Zeit, in der Sie diese Zeilen lesen, zueinander finden und gemeinsam versuchen, das zu bewerkstelligen, was sie sich vor dem Kampf vorgenommen haben und uns versprochen haben.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 40|2017

  

 

  

Uniformierung in der Kultur


 
 
 
Als vor etwa 100 Jahren die Erfindung des Fließbandes große Unruhen und Streiks in der Maschinenindustrie ausgelöst hatte, ahnte noch niemand, dass man heute keine Kartenschaffner, kaum mehr Postmitarbeiter und Nahrungsmittelverkäufer braucht, denn die Automatisierung sorgt für alles und jeden. Nur nicht für die arbeitssuchenden Menschen, deren Anzahl überall wächst.
Nur die Kunst, also auch die Theaterkunst, ist unersetzbar, individuell gestaltet und immer schöpferisch. Nun hat der Verkauf und Produktionskapitalismus auch die Theaterbranche erfasst, indem Inszenierungen vielfach weltweit genützt werden – man nennt dies Koproduktionen. Neben der Uniformierung des Gebotenen „erspart“ man sich damit auch viele Mitarbeiter wie Bühnenpersonal, Elektriker, Tischler, Maler, Schneider und viele andere. Es werden keine eigenständigen Inszenierungen für ein Opernhaus mehr gemacht. Sie werden weltweit mit möglichst vielen anderen Theatern zusammen produziert. Absurderweise ändern sich aber die Sängerbesetzungen je nach Ort. Die Sänger und der Dirigent der ersten Einstudierung, also die Schöpfer der erarbeiteten Inszenierung, sind andernorts nicht mehr dabei.
Im Fernsehen, insbesondere im ORF, haben wir uns daran gewöhnt, dass wir das zu sehen bekommen, was überall gesendet wird. Wird das auch in der Oper und im Theater bald soweit sein?
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 38|2017

  

 

  

Über Paradeiser  


 
 
 
Als ich neulich in Sibiu – früher Hermannstadt – war und zum Frühstück die, wie bei uns, großformatigen geschmacklosen Tomaten (früher Paradeiser genannt) serviert bekam, war ich enttäuscht. Auf meine Frage, woher diese seien, sagte man mir, dass sie im Supermarkt gekauft wurden und bedauerte, dass man keine guten echten inländischen Paradeiser habe. Das Problem sei, dass die Bauern am Markt den Käufern keinen Kassabeleg gäben und die Restaurants und Hotels somit keinen Betriebsausgang dokumentieren könnten. Das schlechtere importierte Gemüse aus Spanien ist auch billiger als das aus der heimischen Landwirtschaft.
Noch schlimmer aber sei, dass die aus dem Westen kommenden Konsumgüter qualitativ schlechter seien als die Waren derselben Marke, die man im westlichen Ausland kaufe. Firmen wie Néstle, Persil oder Zigarettenmarken, um nur einige zu nennen, produzieren mindere Ware für die östlichen Länder. Polen hat bereits offiziell dagegen bei der EU in Brüssel Protest eingelegt, und auch das rumänische Wirtschaftsministerium bestätigt den Verdacht des Verkaufsbetruges.
Die ausländischen Paradeiser sind zwar auch bei uns schlechter als die österreichischen, aber wir werden nicht als unterentwickeltes EU-Land eingestuft, das froh sein soll, überhaupt Markenware zu bekommen.
Dann staunt man, dass sogenannte südosteuropäische Staaten nicht mehr begeistert sind über ihre EU-Mitgliedschaft.
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 36|2017

  

 

  

Das Werk oder der Interpret

 

 

 

Das Salzburger Festspielpublikum besucht zwar interessiert auch die drei weniger populären Opern aus dem 20. Jahrhundert, aber alle wollen vor allem – und koste, was es kostet – zu Netrebko gehen. Wohlgemerkt zu Netrebko und zwangsmäßig zur Vorstellung der Verdi-Oper „Aida“. Das Werk, die Produktion und die restliche Besetzung sind sekundär und entfachen weder Neugierde noch Interesse, hauptsächlich man sieht und hört „sie“.
Die Wiener Staatsoper eröffnet diese Spielzeit auch mit einer Verdi-Oper, dem Troubadour, ebenfalls mit Netrebko. Doch sie sagt krankheitshalber zwei Tage davor ab und wird durch eine andere Sängerin ersetzt. Blankes Entsetzen bei den Karteninhabern, manche bezahlten am Schwarzmarkt erhöhte Kartenpreise, viele wollen ihre Karte verkaufen, und alle schimpfen verärgert. Das Werk interessiert kaum, man kaufte den Eintritt ja nicht, um das Werk zu sehen und zu hören, sondern wegen „ihr“.
Ich erlebte ähnliches vor etwa 13 Jahren, als Luciano Pavarotti am Nachmittag des Vorstellungstages „Andrea Chénier“ absagte. Der Druck war so groß, dass ich die Aufführung absagte, und den Kartenbesitzern das Geld zurückzahlte. Es gibt und es gab nie viele Netrebkos und Pavarottis, und natürlich sind sie auch Menschen aus Fleisch und Blut und anfällig wie jeder andere.
Aber! Oper und Sprechtheater sind nicht Unterhaltung. Sie sollen dies auch sein, aber entscheidend ist das Werk. Große Sänger dienen immer dem Werk resp. der Rolle, die sie interpretieren. Der herrschende Wahn der Medien und die kommerzielle Werbung haben dies heute in den Hintergrund gedrängt und der Kunstgattung Herz, Seele und Bedeutung genommen.
Das ist die wahrhafte Enttäuschung mancher Absage, und das ist eine gefährliche Bedrohung der darstellenden Kunst.
 

 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 34|2017

  

 

  

In Salzburg ist der Messias angekommen

 
 
 
 
Nach vielen Festspieljahren, in denen die Qualität des Dargebotenen stets fragwürdiger wurde, ist in diesem Sommer tatsächlich so etwas wie ein Wunder geschehen. Der Salzburger Pianist, Wiener Festwochenleiter und Konzertdramaturg Markus Hinterhäuser übernahm die Salzburger Festspielleitung und reüssierte im Musikbereich auf sehr hohem Niveau.
Ohne den üblichen lauten medialen Vorankündigungen präsentierte Markus Hinterhäuser ein für Salzburger Verhältnisse ganz unübliches Programm mit drei Opern aus dem 20. Jahrhundert sowie Dmitri Schostakowitsch als Schwerpunkt im symphonischen Bereich. Dem nicht genug, engagierte er den international (noch) nicht bekannten griechisch-russischen Dirigenten Teodor Currentzis samt seinem russischen Chor und Orchester für die erste Festspielproduktion mit der letzten Mozartoper und präsentiert bei den Festspielen mutig und wissend drei hervorragende, noch nicht international bekannte Sängerinnen (Marianne Crebassa, Asmik Grigorian und Golda Schultz).
Natürlich ist Markus Hinterhäuser schlau und intelligent genug, auch dem Affen Zucker zu geben, indem auch Domingo, Jedermann und Netrebko dabei sind. Aber alles andere hat uns gezeigt, dass die eigene Überzeugung gepaart mit Wissen und Können sowie Unbestechlichkeit, Bescheidenheit und nicht Wichtigmacherei sogar in Österreich zu Erfolg und Anerkennung führen.
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 32|2017

  

 

  

Sport und Kapitalismus

 
  
 
 
Fußball ist bei weitem nicht die älteste Sportart, aber die populärste und am meisten ausgeübte weltweit. Zum Ausüben - nach Laufen - die billigste, man braucht lediglich einen Ball dazu, da genügt oft auch ein Stofffetzen.
Durch das Fernsehen sind Fußballspieler zu Großverdienern geworden, die populärsten zu Weltspitzenverdienern. Einzig und allein Fußballer gehören zu den Menschen, die einen kommerziellen Preis haben wie früher die Sklaven, und die von ihren Eigentümern verkauft oder vermietet werden. Die Blütezeit der Spieler ist von kurzer Dauer, die Karriere endet allgemein spätestens mit Mitte Dreißig, außer bei den Torhütern, wo es manchmal bis Vierzig geht.
Eigentümer der Fuß(ball)arbeiter sind superreiche Kapitalisten meistens aus Russland, China oder den arabischen Ländern. Die Arbeitsplätze sind europäische Großstädte mit großen Stadien. Mit den Reklamen auf den Banderolen rund um den Fußballplatz erhoffen sich Banken, Uhren-, Automobil-, Öl- und andere potente kommerzielle Weltfirmen noch höhere Gewinne. Mit diesen zahlt man dann über 200 Millionen Euro, damit Herr Neymar aus Brasilien von Spanien nach Frankreich wandert. Dazu erhält er ein Jahres-Taschengeld von 30 Mio. Und der nicht Steuer zahlende Herr Ronaldo bezichtigt sich öffentlich als Genie und die Steuerfahnder als Motten und Ungeziefer, die um das große Licht – also ihn – herumflattern.
Das ist die Welt von heute im Unterschied zu Stefan Zweigs „Welt von gestern“, die allerdings auch untergegangen ist!
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 30|2017

  

 

  

Der Zukunftsjob

 

  
 
Es ist schwer zu glauben, doch in unserem lieben und teuren Operettenstaat ist auch das möglich: Die seit kurzem amtierende Leiterin – eigentlich ist die Beschäftigung kein Amt – der alljährlichen Tanzveranstaltung in sämtlichen Räumlichkeiten der Staatsoper und ihre Vor- Vor-Vorgängerin sind mit großem Pomp und medialem Getöse angekündigte „Kulturvertreterinnen“ einer großen und einer gerne größer werden wollenden Partei geworden.
Das ist natürlich ein beachtlicher und unfairer Vorteil von zwei der vier (sind es wirklich noch vier?) im Herbst zur Wahl antretenden politischen Parteien. Doch dank der oft wechselnden Besetzung der ehrenhalber – sprich unbezahlt - tätigen Leiterin des Staatsballes, die eigentlich nur für die Auswahl der Blumen und Weine zuständig ist (laut Aussage der zurzeit tätigen Organisatorin), gibt es noch zwei freie frühere Leiterinnen des schwierigen ‚Amtes‘. Die eine hatte vor kurzem ein glanzvolles Pferdefest ausgerichtet, die andere wurde soeben für ihre großen kulturellen Meriten von der Republik ausgezeichnet.
Es wäre doch wirklich schade, wenn das so wichtige Ressort der Kultur in der österreichischen Parteilandschaft nicht gleichmäßig verteilt wäre.
Die noch kulturlosen Roten und die Grünen sind also gut beraten schnell zu handeln, um sich die letzten zwei noch freien Ex-Opernball-Mütter zu holen!
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 28|2017

  

 

  

Kunstkritik versus laute Vorankündigung

 

 
 
 
Dem Kulturminister sei es „wichtig, dass in Österreich wieder mehr über Kunst und Kultur gesprochen und geschrieben wird und dies fester Bestandteil unseres Alltags ist“. Deswegen hat er einen Staatspreis für Kunstkritik gegründet. Das ist eine sehr erfreuliche und notwendige Maßnahme und sollte dazu führen, dass die Kommunikationsmedien mehr Platz gewähren, damit stattgefundene Kulturdarbietungen leistungsentsprechend kritisiert werden können. Denn derzeit sind die Kulturmedien dominant von Vorankündigungen beherrscht. Diese sind vor allem von jenen bestimmt, welche zahlungspotent sind: Banken, Liegenschaftsbesitzer, Tourismusveranstalter am Wasser, in Bergen und auf Kirchenplätzen oder pekuniär interessierte Großveranstalter wie die Konkurs gegangene „Aida“ in  Fußballarenen mit Placido Domingo (als was eigentlich? Als Sänger, Regisseur oder Dirigent oder gar alle drei?) füllen seitenweise die Zeitungen, Magazine und den ORF mit zukünftigen Veranstaltungen und dies mit höchsten Vorschusslorbeeren. Sämtliche Mitwirkende sind als absolute Weltstars apostrophiert und das Angekündigte als einmaliges Weltereignis beworben. Ob in Burgenlands antiken Ruinen, Niederösterreichs Schloss und Kirchenplätzen oder in den Tiroler Bergen – einerlei.
Wie die Darbietung wirklich gewesen ist, wäre die Aufgabe der Kunstkritik zu beschreiben. Dafür aber bräuchte es Kunstkritiker und den guten Willen von Herausgebern.
Vielleicht hilft der neue Staatspreis dafür. Hoffentlich.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 26|2017

  

 

  

 

Der Wähler ist leider machtlos 

 
 
 
So lange wir das Verhältniswahlrecht haben, wird der Wunsch des Wählers nie ganz erfüllt. Es ist so wie in einer Ehe, wenn zum oder zur Auserwählten zwangsmäßig noch einer oder eine dazu kommt. In der derzeit hitzigen und unwürdigen Vorwahlzeit spricht man von unappetitlichen und weniger unappetitlichen Koalitionen. Wünscht sich ein wählender Bürger zum Beispiel Sebastian Kurz zur bestimmenden Regierungspartei – ich wünsche es – muss er gleich bedenken, wer mit ihm gleichfalls zur bestimmenden Macht gelangen könnte. In jedem Fall kommt eine andere Partei dazu, die man sich nicht wünscht. Und diese wird dann dafür sorgen, dass meine gewünschte Partei nicht oder nur zum Teil das realisiert, wofür sie gewählt wurde.
Folglich ist es leider wenig relevant, wer die Wahlen gewinnt. Statt der Freude, dass die gewählte Partei gewonnen hat, herrschen Angst und Zweifel über die zwangsweise mitherrschende andere Partei.
Durch das in Großbritannien und Amerika herrschende Mehrheitswahlrecht bestimmt die von der Mehrheit gewählte Partei das politische Geschehen und trägt allein voll und von jedermann klar sichtbar die Verantwortung für die jeweilige Amtsperiode. Somit wissen wir, woran wir sind und können bei der nächsten Wahl die gleiche Partei wieder wählen oder diese abwählen, wenn wir mit ihrer Tätigkeit nicht zufrieden waren.
Wir in Österreich wissen jetzt nicht, wer von den beiden Koalitionspartnern wofür verantwortlich ist und wer Notwendiges verhindert, und nach der nächsten Wahl werden wir es genauso nicht wissen.
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 24|2017

  

 

  

 

 

Thiem gibt uns wieder Hoffnung

 

 

Nein, nicht nur die Hoffnung, dass nach langer Zeit wieder ein Österreicher ein Weltspitzensportler wird, sondern entscheidend viel mehr.
Dominic Thiem ist allein durch seine Leistung ein weltbekannter junger Mann geworden. Ohne aus sich mehr machen zu wollen, als er ist, bleibt er bescheiden, treu zu sich und gegenüber seiner unmittelbaren Umgebung. Sein Vater und sein langjähriger Trainer, Betreuer und Förderer Günter Bresnik sind ihm die wichtigsten Ansprechpersonen. Thiem ist zurückhaltend und höflich distanziert gegenüber jeglichen unnötigen medialen Begleiterscheinungen. Er beschränkt sich in seinen vom Zeitgeist erzwungenen medialen Äußerungen auf das strikt Notwendige. Seine Antworten auf die, auch in seiner Branche meistens dummen und sensationslüsternen Fragen beschränken sich auf das Tennisspiel. Er sucht nicht, durch ein aufgesetztes Lächeln und populistische Sprüche mehr zu scheinen als er ist. Er trägt weder einen modischen Vollbart noch ist er sichtbar tätowiert.
Der junge Dominic Thiem gibt uns wieder die Hoffnung, dass es allein durch Leistung, selbst in unserer korrumpierten Welt, möglich ist, weltberühmt zu werden und sich doch treu zu bleiben.

 

 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 22|2017

  

 

 

 

 

Weltstadt Perm

 

 

Sie ist die Pforte nach Asien, oder wenn man aus dem Uralgebiet kommt, die erste europäische Stadt: In unseren Breitengraden weiß man kaum etwas von der Existenz Perms. Vielleicht, dass Boris Pasternak dort seinen, durch die Verfilmung zu Weltruhm gelangten, Roman „Doktor Schiwago“ geschrieben hat, oder dass Sergej Diaghilev – der wohl berühmteste Ballettchoreograph aller Zeiten – hier bis zu seinem 18. Lebensjahr im prachtvoll erhaltenen Haus seiner Familie lebte.
Doch seit der junge, charismatische, alle Grenzen und Gewohnheiten sprengende Teodor Currentzis die musikalischen Geschicke des 1.020 Plätze umfassenden Theaters und das von ihm geformte Orchester MusicAeterna leitet, ist sein Ruf bis zu den noblen und teuren Salzburger Festspielen gelangt. Denn Teodor Currentzis und seine Musiker aus Perm bestreiten heuer die Eröffnungspremiere der Festspiele mit Mozarts Oper „La clemenza di Tito“.
Es ist erstaunlich und sehr erfreulich, dass ein einzelner Mensch dank seines Talentes, seiner Persönlichkeit, seiner Beharrlichkeit und seines absoluten Willens durch Musik aus einer verschlafenen Stadt am Rande Europas eine Weltstadt der Musik gemacht hat.
Die Uralstadt umfasst heute vom aristokratischen Djagilew –Haus, den Gedenkmonumenten des Revolutionsführers Lenin und dem Militärmuseum der Roten Armee bis zum Status einer weltbedeutenden Musikmetropole alles!

 

 
 
 
 
 
 
 
 
Kronen Zeitung, 16. Mai 2017
von Karlheinz Roschitz

  

 

 

 

 

Holts Domingo. Egal was es kost'! 


 

 
„Aus heutiger Sicht ist Placido Domingo eine Weltmarke!“ ioan Holender, Ex-Direktor der Wiener Staatsoper, der die Weltkarriere Placido Domingos Jahrzehnte lang begleitet hat, spricht von einem „Ausnahmesänger. Exzeptionell, dass er 50 Jahre lang nur Hauptrollen singt, und das mit höchstem Erfolg!“ Freitag feiert Domingo in der Staatsoper sein 50-Jahre-Bühnenjübileum.
„ich habe Domingos Weg von Tel Aviv über Hamburg nach Wien erlebt, vermittelte ein Vorsingen, nach dem er vom damaligen Direktor Reif-Gintl als Don Carlo engagiert wurde.“ Der 19. Mai 1967 öffnete den Weg in die Weltkarriere, 1968 folgten seiner Manrico in „Trovatore“ und „Faust“, 1969 Don Jose in „Carmen“. Er trat in etwa zwei Duzend Partien und als Dirigent an.
In der Direktion Rudolf Gamsjäger war er unter Ricardo Muti als Radames zu hören, unter Egon Seefehlner u.a. als Viscardo in „Il Giuramento“ (mit der Debütantin Mara Zampieri, in „La Gioconda“ oder in „Fanciulla del West“. Holender ist stolz, dass er ihn als „Prophet“, für „Herodiale“, „Hoffmann“ und als Sigmund unter Daniel Barenboim gewonnen hat. „ich werde nie vergessen, mit welcher Disziplin und Professionalität er etwa den „Gioconda“ – Viscardo sang, obwohl von dem furchtbaren Erdbeben in Mexiko auch Verwandte betroffen waren… Apropos, Professionalität: Als Einspringer in der „Carmen“ – Premiere konnte er erst knapp vor der Vorstellung kommen. Dann saß er in Marcel Prawys Zimmer und ließ sich Franco Zeffirellis Regie telefonisch erkläeren. Zwei Proben genügten.“ Und als Franco Bonisolli Karajan im Zorn sein Schwert hinwarf und nicht den Manrico sanf, sagte der damalige Generalsekretär Robert Jungbluth: „Holts den Domingo her. Egal, was das kost‘!“, „Es wurde eine Domingo-Show.“
Am meisten hat der Star-tenor in Wien den „Otello“ gesungen. Nur über den Bariton Domingo („Simon Boccanegra“, „Rigoletto“, „Luna“ u.a.) will Holender nicht sprechen: „Ich habe ihm gesagt: Du warst der Tenor meines Lebens. Das sollst du bleiben!“
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Kronen Zeitung, 14. Mai 2017
von Ioan Holender

  

 

 

 


New York: Gala  mit Weltstars zu 50 Jahren Metropolitan Opera im Lincoln Center 

 


 
 
Eines muss man den Amerikanern zugestehen: Feiern wie das Met-Jubiläum können sie organisieren! Technischer Ablauf und perfekte Videoaufzeichnungen von Bühnenbildern von 59 (!) Produktionene aus Gegenwart und Vergangenheit – das war absolut einmalig!

Der dafür engagierte Julian Crouch – er gestaltete den Salzburger „Jedermann“ – bestätigte seinen Ruf als Regisseur von Großveranstaltungen. 22 Sänger und drei Dirigenten bestritten das Fünf-Stunden-Programm, gefolgt von einer Galaparty im prächtig ausgestatteten Zeltsalon für etwa tausend zahlende Gäste. Mit Verkauf und Sponsoren nahm die Met da acht Millionen Dollar ein.
Höhepunkt war das Gespräch mit der 90-jährigen Operndiva Leontyne Price, einer Legende – sie war u.a. Karajans Lieblings-Leonore. Und sie sang sogar ein Stück aus Samuel Barbers „Anthony und Kleopatra“, mit der sie Met im Lincoln Center eröffnet hat.
Während der Abriss der alten Met samt Bau des Lincoln Centers filmisch exzellent dokumentiert wurde, annoncierte Met-Generalmanager Peter Gelb den überraschenden Auftritt des – schwer kranken – Dmitri Hvorostovsky mit der Arie Rigoletto. James Levine wurde mit einem speziellen Rollstuhl ans Pult gebracht und sorgte für einen weiteren sehr bewegenden Moment. Anna Netrebkos „Lady Macbeth“-Arie, Sonya Yonchevas Mimi. Joyce DiDonato als Semiramide und Javier Camarenas Tonio aus der „Regimentstochter“ waren Höhepunkte, während James Levine, Yannick Nezet-Seguin und Marco Armiliato die kundigen Dirigenten des Abends waren, der das hoch elegante Publikum begeisterte.
An den Tagen davor zeigte man im Lincoln Center das Beste aus Vergangenheit und Gegenwart, wie August Everdings klassische Inzenierung des „Fliegenden Holländers“, sichtbar gut erhalten, und Robert Carsens hervorragenden neuen „Rosenkavalier“. Nezet-Seguin, der endlich definitive ernannte Musikdirektor, dirigierte mit viel Verve Wagners Werk. Auditorium und Orchester feierten ihn demonstrativ – jedes Orchestermitglied brachte ihm eine Rose ans Pult! Michael Volle war ein starker Holländer und Amber Wagner die stimmlich hervorragende Senta. Robert Carsen ist eine exzellente, sehr freie Lesart des „Rosenkavaliers“ gelungen. Die stringente Personenführung wurde durch den jugendlichen, absolut glaubhaften Ochs des Österreichers Günther Groisböck und die stimmlich sowie darstellerisch überragende Elina Garanca eindrucksvoll vermittelt. Renee Flemings Adieu von Rolle der Marschallin wurde laut akklamiert. Sebastian Weigle dirigierte statt James Levine zuverlässig. Und dass Placido Domingo hier sogar die Oper aller Opern, den „Don Giovanni“, dirigieren darf, spricht für sich selbst.
 

 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 20|2017

  

 

 

 

 

Die Marke Plácido Domingo

 

 

In der über 400-jährigne Geschichte der Oper gab es viele unglaubliche Ereignisse und Skurrilitäten. Der Tenor Enrico Caruso und die Sopranistin Maria Callas gelten dank ihrer Leistungen und der Medien und Schallplatten als die bekanntesten Sänger aller Zeiten. Doch in unserer Zeit der Globalisierung und Nivellierung, in der es keine singulären Ereignisse mehr gibt, gelingt Plácido Domingo etwas absolut Einmaliges: Ein halbes Jahrhundert nach seinem ersten Auftritt mit einer Hauptrolle in einem weltberühmten Opernhaus singt er wieder eine Hauptrolle in diesem Haus. Domingo war der begehrteste Operntenor des letzten Drittels des vergangenen und der ersten Dekade unseres Jahrhunderts. Nachdem der biologisch und anatomisch unaufhaltsamen Korrosion der höheren Tenorlage fand Domingo den Weg in die tiefere Lage, um als Bariton weiterhin erfolgreich zu sein. Neben seiner zweifelsohne – schon rein biologisch – außergewöhnlichen Leistung haben die modernen Medien jeglicher Art entscheidend dazu beigetragen, das Unikat entsprechend zu propagieren, und sein altes und neues Publikum und seine treuen Adoranten strömen weiterhin in die Zuschauerräume. Domingo ist die lebendige, aktive Verkörperung einer unsterblichen Marke geworden: der Marke seiner selbst.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 18|2017

  

 

 

 

 

Über Änderung und Zerstörung

 
 
 
Nicht zu Unrecht beansprucht Wien das Prädikat, eine Welthauptstadt der Kultur zu sein. Die Vielfalt der Museen, die drei Opernhäuser sowie die großen und kleineren Schauspielhäuser sind schon allein eine Berechtigung dafür. Doch die Qualität sollte der entscheidende Parameter für deren Existenz sein. Die hohe Verantwortung der Betreiber ist nicht zuletzt durch die Finanzierung mit dem Geld der Bevölkerung zwingend erforderlich.
In letzter Zeit ist die Auslastung das wichtigste Argument für die Feststellung einer erfolgreichen künstlerischen Einrichtung. Doch dieser Parameter sollte nicht allein entscheidend sein. Vereinfacht gesagt sorgen Rubens und Picasso immer für volle Museen und Verdi, Puccini und Mozart, sowie Schiller, Shakespeare und Nestroy für volle Theater. Damit könnte jeder mehr oder weniger erfolgreich diese Institutionen leiten.
In der re-kreativen Kunst sollte die Qualität des Wiedergegebenen entscheidend sein, wobei sich die Auswahl der Schöpfer gleichfalls nach deren Qualität und nicht nur nach deren Popularität richten sollte. Vollkommen unverständlich ist, dass man in Wien eine bewährte Institution wie die Wiener Festwochen, die dieser Stadt Hochwertiges, Spannendes und Unbekanntes näher gebracht haben, praktisch schließt, um statt dessen nur Experimentelles zu gestalten. Die W.F. waren ein Fenster zur Welt und gleichfalls ein Ort, um Außergewöhnliches in höchster Qualität zu zeigen. Eine Attraktion für Heimische und Touristen, das Beste und Interessanteste von hier und anderswo zu erleben.
Nach den erfolgreichen Jahren der W.F. wurde dies alles durch einen Federstrich ausgelöscht und durch etwas ganz Anderes ersetzt. Doch Unersetzliches ist bekanntlich nicht ersetzbar.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 16|2017

  

 

 

 

 

Feiertage

 
 
 
In der benachbarten Schweiz, jenem kleinen Land, bei dem sich ausnahmsweise absolut sämtliche österreichischen Parteien – sogar die Grünen - einig sind darüber, dass der Lebensstandard viel höher ist als in unserem Land der Seligen, wurden fast alle religiösen Feiertage auf Sonntage verlegt.
Bei uns soll jetzt auch der Karfreitag zum arbeitsfreien Feiertag werden. Dazu argumentiert der SPÖ-Bundesgeschäftsführer folgendermaßen: „ Die Österreicher sind ein sehr fleißiges Volk, […] das sich das verdient hätte.“ Gleitende Arbeitszeiten, Öffnungszeiten von Geschäften, an denen das fleißige Volk ihre Freizeit zum Einkaufen hätte, sind bei uns verboten.
Mit dem Karfreitag als zusätzlichem staatlichem Feiertag hätten wir schon vierzehn Kirchenfeste im Jahr. Doch wenn man den rund 300.000 Protestanten und auch den Katholiken so entgegenkommt, soll man doch auch Verständnis zeigen für die offiziell - laut der Volkszählung von 2001- 346.000, heute wahrscheinlich doppelt so vielen Mitglieder der islamischen Glaubensgemeinschaft, indem man das Fest des Fastenbrechens, den Ramadan zum staatlichen Feiertag macht, zumal es ja eh nur knapp einen Monat dauert. Es ist nur eine Frage der Zeit bis die Grünen dies als Gleichheitsprinzip einfordern werden.
Die paar Hundert Millionen, die dies die heimische Wirtschaft kostet, werden wir ja leicht auch noch verschmerzen. Denn wir haben es ja, egal von wo.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 14|2017

  

 

 

 

 

Arbeit und Leistung

 

 

Man könnte meinen, dass das eine zum anderen führe und weiter, dass beides selbstverständlich auch entsprechend honoriert wird. Doch das ist nicht auf allen Gebieten so. Ein amerikanischer Advokat, der auf Erfolgsbeteiligung arbeitet, kann nach viel getaner Arbeit genauso leer ausgehen wie ein Opernsänger, der nach wochenlanger Arbeit, nämlich der Probenzeit für eine Neuinszenierung, diese vor der Premiere wegen Erkrankung oder Indisposition absagen muss. Der eine verliert den Prozess, der andere seine Stimme. In dieser Situation wird er durch einen anderen Sänger ersetzt, der gesund, fröhlich und ungeprobt die Vorstellung singt. Der Einspringer erbringt folglich eine Leistung, für die er bezahlt wird, und die manchmal sogar besser ist als jene des Sängers, der die lange Probenzeit durchgearbeitet hat.
So ist das bei freischaffenden Künstlern ohne Festengagement an einem Opernhaus. In der nahen Vergangenheit waren Gäste die Ausnahme und in Jahresverträgen engagierte Sänger die Gewohnheit. Heute sind Freischaffende, also Ungebundene die Regel, denn sie werden als Gast viel besser bezahlt. Sie arbeiten aber sozusagen als Akrobaten ohne Netz.
Ungerecht? Es ist die kapitalistische Arbeitswirtschaft, die ohne erbrachte Leistung keine Bezahlung ermöglicht. Opernhäuser sind Produktionsstätten geworden mit einem präzisen Zeitplan von Abläufen, nach denen geliefert wird.

 

Was auch immer und wie auch immer.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 12|2017

  

 

 

 

 

Das Gleiche ist nicht dasselbe

 

 

Shakespeares Hamlet ist immer ein großartiges Theaterstück, auch wenn nicht Laurence Oliver oder Oskar Werner die Titelrolle spielen, und Ödön von Horvaths Kasimir und Karoline bleibt ein berührendes, zutiefst menschliches und in der Aussage leider immer noch wahrhaftiges und aktuelles Werk.

Ist dies noch so? Leider fast nie!

Theater lebt von der Stimme des Schauspielers, durch sie wird die Geschichte erzählt und vernommen. Theaterhäuser waren und sind so gebaut, dass sie eine Akustik haben, die die Stimme hörbar macht. In den Ausbildungsstätten wird das Sprechen entsprechend unterrichtet. Doch ist dies obsolet, ja nahezu sinnlos geworden, denn die Schauspieler werden heute mikrofoniert. Je nach technischer Möglichkeit wird das Gesprochene dadurch schlecht vernommen und verstanden. Lautes degeneriert zum unverständlichen Gebrüll und leise Gesprochenes wird meistens unhörbar gemacht. Geschriebene Texte, die die zwingende Vorlage sein sollten, werden verändert und allein durch Phonstärke als Ausdrucksmittel verwendet. Es zählt nicht mehr, wie ein Schauspieler spricht; die technisch gesteuerte Akustik bestimmt im Sinne der Regie das Geschehen.

Damit widerspricht Theater seinem Ursprung, und die Theatersäle verlieren ihren Sinn. Wir bewundern die antiken griechischen Freilufttheater für deren natürliche Akustik desavouieren alle durch verstärkte Anlagen und mikrofonierte Darsteller.

Warum tut man das dem Publikum, den Schauspielern und letztendlich auch den wehrlosen Autoren an? Die stupide Antwort ist, weil Regisseure es wollen und Theaterleiter es zulassen.

Das Theater wird auch das überleben, und das Publikum hat leiden im Theater gelernt.
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 10|2017

  

 

 

 

 

Nicht unsere Sache

 
 
 
Die Mexikaner in den USA und die Türken in Deutschland sind die jeweils größte Bevölkerungsgruppe, die außerhalb ihres Mutterlandes lebt. Die Mexikaner wollen gerne Amerikaner werden – wenn man sie lässt -, die Türken auch im Ausland Türken bleiben. Sie wissen, dass ihr Land das zweitwichtigste in der NATO und der wichtigste Verbündete der USA ist. Der gewählte Staatspräsident, der die Türkei keinesfalls nur mit demokratischen Mitteln regiert, macht eine Volksabstimmung, um das Einverständnis seiner Staatsbürger für eine – für ihn vorteilhafte – Verfassungsänderung einzuholen. Er will auch seine Landsleute in Deutschland überzeugen, für die Verfassungsänderung zu stimmen.

Doch das wollen die deutschen Politiker nicht zulassen und werden dafür sogar von der türkischen Opposition als Heuchler beschimpft, weil das Land der „beispielhaften Demokratie“ Deutschland die Ausübung von demokratischen Rechten anderer Nationen unterbindet.

Ob der Stein des Anstoßes – die Verfassungsänderung – die Demokratie einschränkt, ist nicht unsere Angelegenheit, und wir könnten auch nicht verändern, was andere entscheiden. Also mischen wir uns doch nicht ein, was andere entscheiden.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Magazin News, 8|2017

  

 

 

 

 

Kulturauftrag im Übermaß

 
 
 
 
Wenn die Vorberichterstattung Teil der Kulturberichterstattung ist, da ja der Opernball selber Teil des Kulturauftrages der Staatsoper geworden ist, dann ist folglich die erhöhte Presseförderung ein will-kommener Anlass für Boulevardzeitungen und nicht nur für diese, um seitenweise darüber zu berichten.
Die Leiterin der kalendermäßig einmaligen Veranstaltung ist schon Wochen davor unendlich wichtiger als der Leiter des Hauses. Sie schafft es, mehr und ausführlichere Interviews zu geben als der Staatsoperndirektor in einer ganzen Spielzeit. Ihr Familienleben, ihre Garderobe samt Frisur, Absatzhöhe und Make- up, ihre Schlaf- und Essgewohnheiten sind bundesweit bekannt. Ebenso sehen wir, wie die stets gleichen ORF-Moderatoren in den letzten 22 Jahren ausschauten. Der ORF erfüllt in den Tagen vor dem Großereignis auf allen drei Sendern den, das -übrige Jahr vernachlässigten, Kulturauftrag im Übermaß. Die Zeiten, als gekrönte Häupter, Staatspräsidenten oder ergraute pensionierte Filmstars den Ball besuchten, ist zwar leider vorbei, und die Käufer der über 20.000 Euro kostenden Logen wollen medial unbekannt bleiben. Schämen sie sich, dabei zu sein? Doch wenigstens einer lässt sich
seit einem viertel Jahrhundert ¬ samt seiner immer unbekannter gewordenen Gäste ¬ nicht verleugnen. Das alles und viel mehr ist auf der Welt heute möglich, allerdings nur in unserem geliebten Österreich.
 
 
 
Magazin News, 6|2017

  

 

 

 

 

Druckpapier ist teuer

 

 

 

Man hört es allgemein in journalistischen Kreisen, und man liest es in den immer rarer werdenden Papierzeitungen: Es gibt immer weniger Leser, die eine Zeitung kaufen, aber ständig mehr, die sie im Internet durchgesehen. Folglich ist die Zukunft der Zeitung als Printmedium fraglich und ungewiss. Ursache ist einerseits die neue Technik, andererseits die oberflächliche Bequemlichkeit der Leser allgemein.

Doch wenn man sich anschaut, mit welchen Nebensächlichkeiten die Seiten gefüllt werden, sei die Frage erlaubt, ob nicht auch dies zum Zeitungstod führt. Wer zum Opernball nicht kommen wird und warum nicht, oder was die neue Leiterin tragen wird, ins blatt- und platzdominant, gleichwohl der gute alte Lugner samt teurem Anhang und, als Sensation, diesmal ohne Ehefrau. Und wenn trotz der berichteten Vorhysterie beim Akademikerball der kleine wienerische Bürgerkrieg, den man vermutet hatte, nicht stattfindet, füllt man das Papier mit den Vermutungen, wie es denn gewesen wäre, wenn …

Momentan ist ja Hochkonjunktur in allen Medien jeglicher Art durch die amerikanischen Wahlen und deren trumpische Folgen. Doch im Unterscheid zum Opernball, der dankenswerterweise vorübergeht, bleiben uns der Trumpismus und dessen tägliche Auswünsche erhalten. Der Unterhaltungswert beider ist grenzwertig, doch leider bleibend.
 

 
 
 
 
 
Magazin News, 4|2017

  

 

 

 

 

Der Lockruf des Geldes

 

 

 

Die berühmten, traditionellen Opernhäuser von Neapel, Parma, Palermo, Turin und so weiter leiden unter immer geringerer finanzieller Dotierung, spielen seltener und können sich bekannte Sänger nicht mehr leisten. Diese haben jedoch üppigst dotierte Ersatzauftritte gefunden, wo sie noch dazu vor einem völlig kritiklosen Auditorium singen dürfen. Ich meine einerseits Oman, Dubai, Katar sowie Peking und Shanghai in aufblühenden China. Es geht den Machthabern dieser Staaten, Scheichtümer und Emirate vor allem um eigenen Repräsentationsglamour. Darum, der restlichen Welt zu zeigen, was man sich selbst leisten kann; und darum, damit die ideologische Vorherrschaft zu dokumentieren. Von Netrebko, Kaufmann, Flórez, Fleming bis zu Domingo trifft man Stars allmählich öfter dort als in den alten, traditionellen Opernhäusern Europas oder der New Yorker Met. Die Honorare der Künstler sind im Nahen und Fernen Osten grenzenlos höher als in den Opernhäusern, in denen sie sich ihren Namen gemacht haben.

 

Aber auch gastierende Opernhäuser wandern sehr gut bezahlt in den Fernen Osten. Hauptsache, die Produktionen werden von weltbekannten Veranstaltern hergestellt und gespielt. So wie Wagners „Walküre“, die heuer von den Salzburger Osterfestspielen unter dem Verkaufszeichen „Regie Karajan (†)“ nach Peking verscherbelt wird.

 

Ein Sängerleben ist von kurzer Dauer. Verständlich, dass man sich dort verkauft, wo man am besten bezahlt wird. Doch ob das noch etwas mit Oper oder gar Kunst zu tun hat, ist fraglich.  

 
 
 
 
 
 
Magazin News, 2|2017

  

 

 

 

 

Über Antipathien und Tatsachen

 

 
Die Österreicher mögen die Russen nicht. Das war immer schon so. Die heutige Russische Föderation und die abgespaltenen selbständigen Republiken bilden die Nachfolgestaaten der auseinander gefallenen Sowjetunion. Die meisten von ihnen sind Russland wirtschaftlich und auch politisch verbunden. Die frühere Sowjetunion gehört zu den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs, die uns von Natzideutschland befreit haben. Dies ist eine weltweit akzeptierte Tatsache, unabhängig von und trotz der sowjetkommunistischen Diktatur von Stalin bis zum letzten Machthaber Gorbatschow, und Putin ist deren gewählter Präsidentennachfolger. Der Kalte Krieg zwischen den früheren Verbündeten hat die Welt zu deren Nachteil wieder geteilt.
Der heute größte Feind der Welt ist die radikale terroristische Vereinigung IS. Der syrische Bürgerkrieg und seine Folge, der Flüchtlingsstrom, hat eine Weltkrise ausgelöst. Russland, Iran und der Türkei samt Kurden ist es endlich und allein gelungen, den schuldigen Verursacher IS – natürlich durch Kriegshandlungen samt implizierten Kollateralschäden in Syrien – zu besiegen und somit die hoffnungsvolle Voraussetzung für Stabilität zu schaffen.
Die Vereinigten Staaten schauten griesgrämig, beleidigt und untätig zu, und die Gutmenschvereine jammerten wegen der unschuldigen Opfer. Den USA, durch die Intervention im Irak Hauptschuldiger der Tragödie, gehört weiter unsere Sympathie. Und Russland weiterhin der Böse. 

 
 
 
 
 
 
Magazin News, 50|2016

  

 

 

 

 

Der Fisch stinkt vom Kopf her



Niemand, nicht einmal jene politische Partei, die Alexander Wrabetz mit dem Druck ihrer Vollstrecker im politisch gehorsamen Stiftungsrat – gegen den Wunsch und das Interesse der ORF-Zuseher – durchgesetzt hat, konnte eine positive Veränderung erwarten. Man wusste ja aus zwei Amtszeiten, wie Wrabetz wirkte: als Hüter der jeweils herrschenden Partei, ohne den anderen wehzutun. Das Programm war schlecht und teuer, die Einschaltquoten sinkend, außer man hatte das Glück mit der Fußball-EM oder dem Quotensegen von drei Bundespräsidentenwahlen. All dies war jedoch egal, man war ja abgesichert durch die Zwangsgebühren. Jetzt begehrte man – gewohnheitsmäßig – mehr: bescheidene 45 Millionen Euro. Diesmal wollte man diese Lappalie direkt von den wehrlosen Zwangskonsumenten holen, durch eine saftige Gebührenerhöhung von 7,7 Prozent. Doch so einfach wie früher war es nicht: Es wurden am Ende 6,5 Prozent mehr an Gebühren. Denn es nahen ja neue Wahlen, und man will die Wähler nicht unbedingt verärgern. Man überlegt sogar, den von den Parteien besetzten Stiftungsrat zu entmachten, und erwartet Sparmaßnahmen vom Sender selbst. Doch dieser hat noch nie aus eigener Kraft gespart. Wie wird er das jetzt tun?

 

 

 

 

 

 

Die Presse, 15 Dezember 2016

  

 

  

 

 

In Rumänien ticken die politischen Uhren eben anders

 

 

Gastkommentar. Der jüngste Wahlsieg der Sozialdemokraten kommt nicht überraschend.

(von Ioan Holender)

 

  

In Rumänien ist alles anders: Während in nahezu allen europäischen Ländern und ausnahmslos in allen Staaten der EU bei Parlamentswahlen eine klare Tendenz zu Konservativen und Rechtenparteien geht, haben die Sozialdemokraten (PSD) in Rumänien einen überwältigen Sieg von über 45 Prozent der Stimmen erlangt.

Die Wahlbeteiligung war zwar mit unter 40 Prozent äußerst niedrig, und von den fast 800.000 im Ausland lebenden Rumänen haben nur etwa zehn Prozent gewählt. Doch der eindeutige, klare Sieg des Parteiführers Liviu Dragnea steht außer Debatte. Ebenso eindeutig wird Dragnea der nächste Premierminister sein, trotz der Tatsache, dass er bereits rechtsgültig wegen unerlaubter Parteifinanzierung - auf Bewährung - verurteilt wurde.

Wahlen kümmerten Rumäniens Parteien und Parlamentarier schon immer sehr wenig. Und für die Wähler sind die vielen Parteien (meist nur auf wenige Buchstaben verkürzt wie PNL, USR, UDMR, usw.) nur schwer identifizierbar. Wichtig für die mehrheitliche Landbevölkerung ist vor allem, wer ihr Bürgermeister ist. Denn von diesem hängen ihre unmittelbaren Lebensinteressen ab.

 

Weit verbreitete Korruption

Auch die Person des Staatspräsidenten ist von Interesse, in der breiten Volksmeinung stehen die Staatschefs irgendwie immer noch in der Nachfolgen des früheren allmächtigen Nicolae Ceausescu. Der amtierende Präsident, Klaus Johannis, unterstützte
die von ihm installierte sogenannte Technokratenregierung und hoffte, dass Dacian Ciolos als parteiloser Regierungschef zusammen mit der Nationalen Liberalen Partei (PNL) weiter an den Macht bleibt.

Rumänien ist in der bevorzugten Situationen keine Migranten zu haben. Die Medien berichten auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, dass ein paar Syrer an der serbischen Grenze in Rumänien gelandet seien, und als sie sich dessen bewusst wurden, geweinten hätten.

Aber Rumänien erfreut sich der höchsten wirtschaftlichen Wachstumssteigerung von allen EU-staaten. Der große natürliche Reichtum des Landes und die Tatsache, dass Rumänien nach dem Fall Ceaușescus schuldenfrei war, ermöglicht dies - trotz der verbreiteten Korruption, Bestechlichkeit und der Diebstähle.

 

„PSD wird und nicht wehtun“

Freilich ist das Land 26 Jahre nach der Revolution noch immer unterentwickelt. Riesige Summen aus der EU konnten entweder nicht verbraucht werden oder wurden in hohem Maß gestohlen, wie z.B. für den Bau von kaum existierenden Autobahnen im Land.

Die Sozialdemokratische Partei gibt den nicht wissenden und auch nicht wissen wollenden Wählern wenigstens die Sicherheit, dass sie ihnen nichts wegnimmt. Die PSD äußert sich lautstark und vernehmbar gegen die Auslandsinvestoren - in Rumänien immer noch ein verdächtigter Begriff. Dass der künftige Regierungschef wegen Korruption verurteilt wurde, interessiert genauso wenig wie die oft vorkommende Wiederwahl von verurteilten oder angeklagten Bürgermeistern. Denn korrupt oder bestechlich zu sein ist ja nichts Schlimmes, so eine in der rumänischen Bevölkerung weit verbreitete Meinung – das sind ja sowieso alle, die die Möglichkeit dazu haben.

Kaum jemand im Land glaubt, dass die Lebensbedingungen besser werden und dass die politischen Machthaber korrekt sind. Die Begabten und die Fleißigen gehen ins Ausland, die anderen haben Angst, dass es durch politische Kräfte und Parteien, die sie nicht kennen, noch schlechter wird: „Die PSD gab es immer schon seit 1990. Sie wird uns auch künftig nicht wehtun, also wählen wir sie.“
 

 

 

 

 

 

Magazin News, 48|2016

  

 

 

 

 

Geht Ökonomie vor Demokratie? 


 

Die Uhren sind in Kuba im Jänner 1959 stehen geblieben – im selben Monat, als ich nach Österreich gelangte. So ähnlich wie in Ostdeutschland 1947, wo sie 1989 durch den Fall der Mauer wieder ins Laufen kamen. In Kuba ticken die Uhren noch immer nicht frei, aber hoffnungsvoller. Doch der Tod der neunzigjährigen Revolutionsführers Fidel Castro, welcher Angst und Schrecken, Armut und Missachtung der Menschenrechte in sein Land brachte, macht den lang herrschenden und blutigen kommunistischen Diktator derzeit nahezu zu einem Heiligen. Der bis dato letzte österreichische Bundespräsident sagt, er sei von Castros Persönlichkeit und Ausstrahlungskraft (!) beeindruckt gewesen, und Doris Bures, die gelegentlich auch Bundespräsidentenersatz spielt, meint, der von uns Gegangene wäre für viele Menschen die Hoffnung auf eine auf eine gerechtere Welt gewesen. Ich verstehe zwar, dass die wesentlichen Staaten sich im wirtschaftlichen Wettbewerb darum befinden, im unterentwickelten, doch wirtschaftlich offenen kommunistischen Kuba durch Auslandsinvestitionen rasch viel Geld zu verdienen. Doch muss man deshalb jede moralische Ethik und unsere demokratischen Grundsätze derart außer Acht lassen?
 

 

 

 

 

Magazin News, 46|2016

  

 

 

 

 

Unnötiges vermehrt sich

 
 
 
Immer weniger Menschen fahren Ski. In den letzten Jahren schaffte man auch kontinuierlich die Schulskiwochen ab, und jetzt tummeln sich folglich noch viel weniger Skifahrer auf den heimischen Pisten. Weil die Skiindustrie laut aufschreit, da sie weniger verdient, verpulvert man sehr viel Geld mit der künstlichen Herstellung des weißen Pulvers, und damit die Seilbahnindustrie nicht auch noch jammert, baut man immer neue Seilbahnen für die schwindende Anzahl von Besuchern.
 
Damit der weihnachtliche Schmonzesmarkt, bei dem alljährlich das gleiche Unnötige und längst Erworbene gekauft werden kann, nicht auch noch klagt, verlängert man den vorweihnachtlichen Dezember auf den November. Vorgelegte Geburtstagsfeiern sind in der „Gesellschaft“ ja gelebte Praxis, warum sollte man also Jesu Geburtstag nicht auch schon vorfeiern?
 
Berglandschaften werden zerstört, Tiere gestört und die Klimaerwärmung wird gefördert. Die Plätze, Straßen und Häuser leuchten und strahlen, und der Alkohol fließt unter dem Decknamen Punsch in Strömen auf den Gassen.
 

 

Und all dies mit dem alleinigen Ziel und Zweck, dass der eine mehr Geld ausgibt, damit der andere mehr einnimmt. 

 

 

 

 

 

Magazin News, 44|2016

  

 

 

 

 

Nachgedanken zum 26. Oktober 


 

Es haben in der Vergangenheit schon Bedeutendere ihre kritische Meinung über die fragwürdige Entscheidung geäußert, den 26. Oktober zum österreichischen Nationalfeiertag zu erheben. Unberücksichtigt blieb der 27. April 1945, an dem Österreich von den Alliierten befreit wurde. Am 26. Oktober 1955 trat die Neutralität in Kraft, und die letzten Truppen jener vier Länder, die unserem Staat die Wiedergeburt als Österreich ermöglichten, hatten das Land verlassen. Dank der Geschicklichkeit und Trinkfestigkeit von Außenminister Leopold Figl in den Verhandlungen verließ der letzte Kämpfer der Roten Armee unser Land, und der Auftritt auf dem Belvedere-Balkon wurde Geschichte. Die Absenz eines Oberbefehlshabers, sprich: Bundespräsidenten, hätte heuer die singuläre Gelegenheit geboten, diesen Feiertag einmal nicht mit dem Aufmarsch der Reste unseres glorreichen Bundesheers zu feiern. Aber man behielt auch dies so bei, wie es immer war. Wie wohltuend wäre es gewesen, statt einer Leistungsschau von Bewaffneten und Waffen am selben Platz eine Leistungsschau von Kultur und Kulturtragenden zu veranstalten. Das Kulturland Österreich wäre dadurch gewiss repräsentativer und auch sympathischer abgebildet worden.

 

 

 

 

 

Magazin News, 42|2016

  

 

 

 

 

Der Nobelpreis für Musik

 

 

Das Thema “Prima la musica – dopo le parole” ist nicht neu, doch durch die Vergabe des begehrtesten Literaturpreises an den Sänger Bob Dylan plötzlich besonders aktuell. In Richard Strauss‘ Oper „Capriccio“ wird mit unentschiedenem Ausgang darüber debattiert, ob der Text oder die Musik wichtiger sei. Doch es steht fest, dass in der gesamten gesungenen Literatur die Musik ausschlaggebend ist – unabhängig davon, in welcher Sprache der Text gesungen wird. Verdis Opern werden nie gelesen, sogar Richard Wagners selbst getextetes Œvre wäre ohne seine Musik Makulatur geblieben. Und auch Dylans hervorragende Textdichtungen wurden als solche nie rezipiert und wären ohne die dazugehörige Musik nicht bekannt geworden. Das alles wissen natürlich auch die Personen, die den Nobelpreis vergeben. Aus ihrer Wahl könnte man schließen, Dylans Texte wären wichtiger als seine Kompositionen. Auch Maurice Chevalier, Édith Piaf oder Udo Jürgens haben wertvolle Texte zu ihren Liedern erfunden, und Elton Johns Songtexte sind manchmal von literarischem Wert. Die Literaturverlage werden davon nicht profitieren, die Musikverlage umso mehr. Ganz so, als ob der Nobelpreis für Literatur auch ein Musikpreis wäre. 

 

 

 

 

 

Magazin News, 40|2016

  

 

 

 

Ein würdiger Abschluss

 

 

Nicht ohne Skepsis versuchte ich an der Menschenmenge beim Eingang des Raimundtheaters vorbei in den Zuschauerraum zu gelangen. Fernsehkameras und der rote Teppich für verblasste Starlets versperrten den Weg für „einfache“ Besucher, aber solche waren ja kaum da. Im Musical „Schikaneder“ wird der gefährliche, weil falsche Satz „Wenn man das Geld beim Fenster hinauswirft, kommt es bei der Türe vermehrt herein“ zwar oft gesagt und gesungen, doch die Produktion ist keineswegs opulent. Der mitinszenierte Zwischenapplaus samt Bravorufen begann schon nach der Ansage, doch ebbte diese störende Maßnahme im Lauf der Vorstellung ab. Denn die Geschichte ist gut erzählt. Es war wirklich nicht alles Gold, was die Vereinigten Bühnen Wien auf dem Musicalgebiet so alles herausbrachten, aber diesmal gelang Erstaunliches: Oper, Tanz, Kunst und Schauspiel durchdringen einander, es wird gut gesungen und gesprochen. Das ist doch schon was, dazu hätte man nach der Premiere das große Buffet im Festsaal des Rathauses (!) für alle Rathausnahen vor und hinter dem Vorhang gar nicht gebraucht, auch die Eigenlobreden nicht. Das Produkt „Schikaneder“ hätte genügt für Thomas Drozdas würdigen Abschied von den VBW. 

 

 

 

 

 

Magazin News, 38|2016

  

 

 

 

Nur so ist man richtig wichtig

 

 
Ein wichtiger Mann trägt einen Bart, mindestens einen Dreitagebart. Je älter der Mann, desto wildwüchsiger der Bart, um männliche Potenz vorzutäuschen. Die Kopfhaare sind vorne ganz kurz oder kahl, hinten lang und zu einem Rossschwanz gebunden. Der Mann von Welt trägt einen engen, zu kurzen dunkeln Anzug, wobei der Sakkoknopf den Anschein erweckt, dass er gleich platzen wird; dazu möglichst auffallende Sportschuhe oder wenigstens knallbunte Socken. Natürlich hat man(n) zu jeder Tages- und Nachtzeit eine viel zu große Sonnenbrille auf und würdigt seine Umgebung keines Blickes. Doch das Entscheidende – ohne das gehört man einfach nicht zu den wichtigsten Menschen – ist, dass man Stöpsel in den Ohren hat immer und überall mittels Handy – oder, noch besser, Laptop – Gespräche führt. Am besten in öffentlichen Verkehrsmitteln beim ein- und Ausstieg, um effizienter zu stören. Bevorzugte Gesprächsorte sind auch die Ticketschalter am Flughafen und der Durchgang des Fliegers, wobei die Nachkommenden natürlich warten sollen. Der Nachteil ist nur, dass es von solchen Typen immer mehr gibt. So entsteht das Problem, dass wir nicht mehr wissen, wer unter all den Wichtigen der Wichtigere ist.
 

 

 

 

 

Magazin News, 36|2016

  

 

 

Die Königin, die keine war

 

 

Der Sarg der verstorbenen Gattin des letztes rumänischen Königs Mihai I. wurde gleich an drei verschiedenen Orten verabschiedet. Die gesamte Regierung war jedes Mal anwesend, der 94-Jährige Gatte aber konnte aus gesundheitlichen Gründen an den Zeremonien nicht teilnehmen. Mihai I., der Diktator Antonescu 1944 verhaften ließ und die Allianz mit Hitlerdeutschland aufkündigte, wurde 1947 exiliert, verzichtete auf den Thron und heiratete in der Schweiz die jetzt verstorbene Prinzessin Ana. Sein Vater und königlicher Vorgänger Carol II. starb im Exil in Estoril, nachdem er seine Lebensgefährtin Elena Lupescu-Grünberg geehelicht hatte. Von Mihails Mutter ließ er sich scheiden. Das Kuriose an der auch sonst kuriosen Geschichte dieses Königshauses ist, dass Carol II. im Jahr 2003 exhumiert und in der Kathedrale der rumänischen Könige nochmals begraben wurde, seine jüdischstämige Gattin, wegen der er das faschistische Rumänien 1940 verlassen musste, hingegen im Friedhof dahinter. Königin war weder Elena noch Ana; beide Frauen wurden nur von Ex-Königen geehelicht. Die jetzt Verblichene aber bekam ein königliches Begräbnis, Mihais Stiefmutter nicht. Monarchistische Ränkespiele in der Republik Rumänien. 

 

 

 

 

Magazin News, 34|2016

  

 

 

Ein Ruf, der Tradition hat

 


Über eine Verurteilung des damaligen Präsidenten des Olympischen Komitees, Graf Henri de Baillet-Latour, der mit Hitlers sympathisierte und die NS-Propaganda-Spiele 1936 in Berlin gegen den Protest der freien Welt durchsetzte, haben wir genauso wenig gelesen wie etwas gegen einen seiner Nachfolger, Avery Brundage, der öffentlich bedauerte, dass Hitler die 1940 Deutschland zugeschanzten Winterspiele kriegsbedingt ansagte. Der heutige IOC-Chef Thomas Bach scheint die politisch korrumpierende Tradition weiterzuführen. Vom eher unbedeutender Österreichischen Olympischen Comité haben wir auch noch nie ein bedauerndes oder erinnerndes Wort über die im Jahr 1936 verhinderte Teilnahme der jüdischstämmigen österreichischen Sportler gelesen. Dass Judith Deutschs Schwimmrekord später wieder anerkannt wurde, war nur ein Feigenblatt. Und im Zeichen der politisch korrupten, anpassenden, mutlosen und geldgierigen Weise des IOC wurden die Spiele in Rio, trotz der evidenten und weltweit kritisierten Begleitumstände, unter denen diese stattfanden, genauso kritiklos hingekommen, wir bleiben der Verlogenheit und sem Wegschauen treu, nicht nur, was die mächtige und reiche Olympria-Führung betrifft.
 

 

 

 

 

 

Magazin News, 32|2016

 

 

 

Eine Robe, die alles überstrahlt

 

 

Über die Abendrobe der Titelsängerin der konzertanten Darbietung von Giacomo Puccinis als Bühnenwerk komponiert Geschichte der Manon Lescaut wurde mehr berichtet als über die Aufführung selbst. 40 Meter Seidenrips, 60 Meter Seidenorganza, 120 Meter Tüll und 35.000 Kristalle umfasst das teuerste Kostüm der Festspielgeschichte mit 30 Metern wogendem Saum. Das trägt die „Fanciulla povera“, und ihre Anwesenheit ist laut der Salzburger Festspielpräsidentin „der Höhepunkt des Kultursommers“. Für mehr als drei Konzerte Aufführungen hatte die bestsingende und übermäßig mediatisierte Anna Netrebko für Salzburg keine Zeit. Die Festspiele sind aber stolz, dass sie überhaupt Zeit fand. Man ist sehr bescheiden geworden beim laut Eigendefinition besten Festival der Welt. Meine marginale Randfrage dazu: wer hat das teuerste Kostüm der Festspielhistorie, das kein Theaterkostüm ist, sondern nur die Robe, die die Sopranistin beim Konzert trägt, bezahlt? Nicht die Festspiele, sprich der Steuerzahler, hoffe ich. Und auch nicht Frau Swarowski als Werbung für ihr Privatunternehmen. Oder war es doch die Robenträgerin, der diese jetzt wohl auch gehört? Zweifel ist erlaubt, Aufklärung wünschenswert.

 

 

 

 

 

 

Magazin News, 30|2016

 

 

Viele Festivals, wenig Publikum


 

Die unverhältnismäßige Vermehrung der Sommerveranstaltungen, die Erhöhung der Platzkapazitäten und die Verlängerung der Spielzeit haben die traditionellen klassischen Festspiele Krise katapultiert. Verona und die Puccini-Festspiele in Torre del Lago haben Millionenschulden und wurden mit einem Regierungskommissar zur Sanierung versehen. Die Künstlerhonorare für 2015 sind zum Großteil noch ausständig. Mörbisch kann durch die verfehlte Vermehrung der Zuschauerplätze, gespart mit dem schwindenden Interesse für die Operette, nicht einmal die Eröffnung füllen, während Verona (über 20.0000 Plätze) schon froh ist, wenn die Hälfte der Karten verkauft wird. Für die Salzburger Festspiele gibt es im Internet Tickets für alles außer für die Wiederholung der „West Side Story“. Bregenz schafft die Budgetlatte auch nur, weil nur alle zwei Jahre etwas Neues gespielt wird. Bekannte Sänger treten in Verona kaum mehr auf. Das nur populäre Titel umfassende Programm hilft trotzdem nicht, mehr Touristen anzuziehen. Genauso wenig wie die aggressive, teure Werbung für einen Steinbruch in Burgenland. Die Gier nach immer mehr hat nur immer Schlechteres und Teureres gebracht. 

 


 

 

 

Magazin News, 28|2016

 

 

Die leere Hofburg



Mindestens ein Vierteljahr lang wird die Hofburg leer stehen. Die zahlreichen Protokollbeamten, Sekretärinnen, Berater und das Wachpersonal sind de facto bereits arbeitslos, ob weiter bezahlt oder nicht, zu tun werden sie nichts mehr haben. Das Gehalt des zu Wählenden erspart sich die präsidentenlose Republik jedenfalls für mindestens drei Monate. Der ungültig gewählte VdB kriegt ja  nichts, und die drei Nationalratspräsidenten, die jetzt auch Bundespräsidenten sind, bekommen nichts dazu. Im Not sind nur manche Festspiele geraten, die der Abgetretene Bundespräsident gern eröffnete. Salzburg hat sich als Ersatz die Erste Nationalratspräsidentin geschnappt; wir können jedoch zuversichtlich sein, dass in Bregenz, Ossiach und anderswo auch uneröffnet gespielt wird. Nur die Militärgarde verliert Auftritte. Und sind die bundespräsidentenlosen drei Monate dann glimpflich vergangen – woran niemand zweifelt -, könne man auf die Idee kommen, dass wir den Posten gar nicht brauchen. Wir würden uns sehr viel Geld ersparen, aus der schönen Hofburg könnte man ein unsere „große Vergangenheit“ illustrierendes Museum machen, das sogar Geld bringt. Und das Ausland würde uns zweifellos ernster nehmen als derzeit. 

 

 

 

 

 

Magazin News, 26|2016

 

 

Jetzt beginnt das ORF-Duell

 

 

Der schon lange, viel zu lange amtierende ORF-Chef hat endlich einen Mitbewerber bekommen. Sehr harmonisch war das enge zusammenleben der beiden wohl eher nicht, aber der zweite Mann im Haus sieht und weiß so manches. Würde man evaluieren, was im ORF unter Wrabetz‘ Führung qualitativ geschehen ist, bedürfte es keiner Diskussion mehr um seine weitere Kandidatur. Das bis jetzt Geschehene sagt alles, warum soll es zukünftig anders werden? Aber leider zählt nicht das Ergebnis, sondern die parteipolitischen Sympathien. Christian Kern erklärte Wrabetz bereits zu seinem Kandidaten, und die SPÖ-Stiftungsräte werden ihm wie Schafe bedingungs- und meinungslos folgen. Bei Wrabetz‘ Bestellung war die FPÖ entscheidend, später schwenkte er nach links aus und schluckte brav auch einen roten Pelikan, den er allerdings bald ausspucken musste. Der ORF-Konsument, der seine Gebühren zahlt, versteht nicht, wofür, und schon gar nicht, warum Vorhandenes nicht besser werden kann. Auch ohne Gerd Bachers Bonmot, dass der amtierende stets der schlechteste Chef sei, den der ORF je hatte, wissen wie ORF-Zuschauer, was wir zu sehen bekommen, und hoffen auf Besseres. Interessiert das die Politfunktionäre gar nicht?

 

 

 

 

 

Magazin News, 22|2016

 

Wahrzeichen Militärmusik

 

 

 

Nach seinem Übereifer in Sachen Grenzzaun-Bauen baut der Verteidigungsminister von der SPÖ jetzt auch seine künstlerisch-musikalischen Ambitionen teuer aus. Die zum Teil leer stehenden Kasernen sollen „auf unbefristete Zeit“ erhalten bleiben, und die Zusammenlegung der Militärmusik ist ebenfalls vom Tisch, denn bis zu 47 Musikanten soll jedes Bundesland weiter besitzen. Darüber hinaus soll dieser essenzielle Teil der österreichischen Mentalität – ein Wahrzeichen unseres Musiklandes und unserer Republik – durch die Wiener Philharmoniker geadelt werden, indem der pensionierte Vorstand des Vereins ein inhaltliches Konzept zum Weiterbestand der Militärmusik zwar „kein primäres militärisches Ziel“ sei, sie aber eine „hohe traditionelle Bedeutung“ habe. Na, das wenigstens hören viele freudig. Somit wird versucht, die verlorenen Sympathiewerte des noch schwächeren Koalitionspartners zu Verstärkern, indem man die momentan mit eigenen Sorgen beschäftigten Verbündeten – unter dem Vorwand, zum Wohl des Musiklandes Österreich zu agieren – ausnützt. Wenn wir schon Flüchtlinge dulden müssen, dann doch wenigstens auch staatseigene Militärmusikanten.
 

 

 

Magazin News, 20|2016

  

Salzburger Verharmlosung

 

 

 

Im August 1944 fand bei den Salzburger Festspielen, die nach Goebbels‘ Dekretierung des „Totalen Krieges“ nicht mehr abgehalten wurden, die Generalprobe von Richard Strauss‘ letzter Oper „Die Liebe der Danae“ statt. Der Komponist verdankte diese Ausnahme dem Überredungsgeschick seines Lieblingsdirigenten Clemens Krauss, der dies bei seinen Berliner Parteigenossen durchsetzte. Wilhelm Sinkowicz schreibt in der „Presse“ heute (!) mit offenbar tränenerstickter Feder darüber, dass der achtzigjährige Strauss mit tränenerstickter Stimme dankte und glücklich war, auch diese Oper zumindest einmal noch gehört zu haben. Wie gesagt im August 1944. Und die Salzburger Festspielpräsidentin schreibt heute (!), die Geschichte rund um die abgesagte Uraufführung im Jahr 1944 zeige die Rolle der Festspiele, bei denen Opfer und Täter zusammengekommen seien. „Da saßen die, die gegen Hitler gekämpft haben, und jene, die sich blenden ließen, nebeneinander“. Die Generalprobe fand natürlich als geschlossene Veranstaltung, nur für geladene Gäste, statt. Und jene Menschen, welche gegen Hitler gekämpft hatten, waren damals in den Konzentrationslagern oder meistens bereits tot. Und das sollte doch die Frau Festspielpräsidentin heute wissen.

 

 

 

Magazin News, 18|2016

 

Was wollte das Stimmvolk sagen?
 
 
 

Gar nichts kann und wird der am 22. Mai neu gewählte Bundespräsident ändern können. Er wird genauso irrelevant bleiben, wie alle seine Vorgänger es waren. Aber diese Wahl war wichtiger als je zuvor, indem die wählenden Menschen sehr deutlich den Wunsch geäußert haben, dass sie nicht mehr von den „Großparteien“ regiert werden wollen. Die Unzufriedenheit mit der Verteilung der Prüfende an ihre Sympathisanten im öffentlichen Bereich wurde klar bewiesen. Ob Flüchtlinge, Gesundheit, Bildung, Kultur, Bundesheer, ORF oder EU – wie es ist, will man es nicht weiter haben. Wie die führenden Personen der Regierenden heißen, ist wahrlich nicht das Anliegen jener, die gewählt haben. Weder ein anderer Faymann noch ein anderer Mitterlehner kann etwas verändern, genauso wie diese selbst es auch nicht können. (Auch mit anderen Kandidaten als dem mit der rot-weiß-roten Krawatte oder jenem mit dem traurig-resignierenden Blick wäre das Wahlergebnis nicht anders ausgegangen.) Ob das angenehm ist oder nicht, nur sofortige Neuwahlen wären eine ernsthafte Reaktion und würden Verständnis zeigen für das, was die Menschen in diesem Land ausgedrückt haben. Wer von den beiden Herren dabei der neue Bundespräsident sein wird, ist sekundär.

 

 

 

Magazin News, 16|2016

 

Nicht ohne meine Geige

 

  

Wir werden in den Flugzeugen zwar – ähnlich wie überall – mit Musik berieselt, doch wehe, ein Musiker will mit seinem Instrument reisen. Kontrabässe und Celli kann man nicht als normales Gepäck aufgeben, denn die Versicherungen stufen dies als grob fahrlässig ein und zahlen bei einer Beschädigung nichts. Nimmt der Cellist sein Instrument mit, muss er einen zweiten Sitz kaufen, zuzüglich Flughafensteuer und Gebühren, obwohl Mrs. Cello weder isst, trinkt noch aufs Klo geht. Bucht der Musiker ein Business-Ticket, muss sein Instrument neben ihm sitzen und voll zahlen. Ehepartner könnten in verschiedenen Klassen buchen, das – Cello nicht. Jetzt darf man bei vielen Fluglinien auch keine Geigen mehr mitnehmen – obwohl der Geigenkasten samt Instrument kleiner und viel leichter ist als ein Koffer und selbstverständlich im Gepäckfach Platz findet. Sogar auf Geigenbögen wird Jagd gemacht, denn in manche ist ein drei Zentimeter langes Stück Elfenbein eingearbeitet, dessen Transport den Artenschutz verletzt. Internationale Petitionen der Musiker sind im Laufen, die EU interessiert sich nicht dafür, denn es geschieht in der Luft und nicht am Boden, wie die Krümmung der Gurken. Und was sagt unsere „friendly Airline“ im Musikland Austria dazu? Nichts.

 

 

 

Magazin News, 14|2016

 

Die verhasste Sommerzeit

  

 

Niemand will die sinnlose Uhrenherumdreherei zweimal im Jahr machen, aber wir müssen. Warum eigentlich? Weil es seit 36 Jahren so ist. Damals wurde die Sommerzeit von Kreisky, Androsch und der Energieagentur zum Sparen von Heizung und Licht erfunden, obwohl dies schon damals nicht bewirkt hat – außer Ärger für Mensch und Tier. Ärzte sagen, dass Schlafstörungen oder Stimmungsschwankungen auftreten. Herz-Kreislauf-Patienten sind besonders gefährdet, und Kühe geben mehr oder weniger Milch durch die Störung ihres gewohnten Rhythmus. Eingeführt wurde die Zeitumstellung 1916, im Zuge der energieintensiven „Materialschlacht“. 1919 schaffte Deutschland die ungeliebte Maßnahme ab, um sie 1940, wiederum zu Kriegswecken, auch in den besetzten Gebieten wieder einzuführen. Zwischen der Ölkrise 1973 und 1996 wurde die Sommerzeit hin und her an- und abgeschafft, bis die EU sie überall verordnete. Medizinische Studien zeigen, dass durch die Vorverlegung der Zeit der Hormonspiegel bis zu viereinhalb Monate braucht, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Fazit: Die Zeitumstellung ist schlecht für Mensch und Tier. Wenigstens diesen Unsinn könnte die EU leicht wiedergutmachen.  

 

 

 

Magazin News, 12|2016

 

Eine Gattung wird künstlich beatmet

  

Weine nicht, Steuerzahler, denn es hilft leider nicht. Die Subventionsmillionen für mäßige Unterhaltung mit riesigem Aufwand für immer weniger Menschen werden mit Ihrem Steuerbeitrag trotzdem bezahlt. Das geschieht zwar weltweit nirgends, doch Österreich ist eben anders. Schon bei der extrem teuren Renovation des Etablissements Ronacher warnten Kundige, dass die Gattung Musical nichts Neues mehr bringe. Aus Angst, mit neuen Musicals wieder keinen Erfolg zu haben, spielt man Bekanntes mit inferioren Darstellern, teurer, doch nichtssagender Ausstattung und ohrenbetäubender akustischer Verstärkung der Darsteller und des üppig besetzten Orchesters. Erfolg heißt hier lediglich, wie viele Menschen ins teuer renovierte Ronacher kommen, und nicht, wie viele Eintrittskarten die Besucher zum vollen Preis kaufen. Die Premiere ist ein "Seitenblicke"-Ereignis, bei dem man sogar ein verblasstes Musicalsternchen mit neuer jugendlicher Begleitung bestaunen kann. Doch für die feierliche Zusammenkunft von ehemaligen Berühmtheiten - besser gesagt, solchen, die sich dafür halten - und pensionierten Bühnenleitern, die samt den Musicals gealtert sind, muss man nicht versuchen, eine ganze Gattung künstlich am Leben zu erhalten. 

 

 

 

Magazin News, 10|2016

 

Kleiner Aufwand, ganz große Oper

 

Musiker (Akkordeon, Violine, Kontrabass) die gesamte Partitur von Georges Bizets „Carmen“. Mit bloß vier Sängern und einem phänomenalen Tänzer-Darsteller wird die blutige Liebesgeschichte in hoher Qualität dargeboten, wobei die Sängerin der Titelrolle, Natalia Kawalek, gesanglich und darstellerisch eine echte Entdeckung ist. Nach jahrzehntelangem Dornröschenschlaf ist im Theaterkeller am Fleischmarkt durch die künstlerische Leitung des Duos Geyer-Schwarz in kurzer Zeit ein konkurrenzfähiges Kleinod großer Opernkunst entstanden, welches von alten und sehr vielen neuen, jungen Opernbesuchern überrannt wird. Die drei lauten, in Mark und Bein gehenden Zupfer mit dem Eifersuchtsakkord am Bass machten mehr Wirkung als so manches groß besetztes Orchester. Wodurch wieder mit äußerst geringen Mitteln hohe Kunst ermöglicht werden kann. Sogar in der Oper. Sogar in Wien.

 

 

 

Magazin News, 8|2016

 

Saure-Gurken-Zeit fürs Bundesheer

 

In der Auseinandersetzung für oder gegen das Bundesheer war die Pflege der Militärmusik ein Hauptargument der Befürworter. Andere objektive Argumente gab es ja kaum. Die Gardemusik sei eine Bereicherung der Kulturlandschaft, erklären deren Leiter stolz, sie ermögliche jungen Künstlern den Start in Gesangs- und Musikerkarrieren. Viele ehemalige Gardemusiker spielen heute in Berufsorchestren. So gesehen ist es schade, dass Frauen  nicht zum Bundesheer müssen, sonst hätten die Philharmoniker vielleicht mehr weibliche Mitglieder. Das Orchester der Gardemusik spielt nicht nur in Festsälen diverser Amtshäuser, sondern auch außerhalb der Residenzstadt, etwa in Stainach-Irdning, und bei den festlichen Anlässen des Bundespräsidenten. Für jeden Präsidenten wird eine Hymne komponiert; die Musikwelt wartet schon gespannt auf die Komposition für den nächsten Amtsträger. Das Aufspielen bei namhaften Bällen – Ball der Pharmazie, Ball des Grünen Kreuzes, Ball der Offiziere natürlich – ist aber die Hauptbeschäftigung der braven musikalischen Rekruten. Nach der Ballsaison stehen sie ohne Aufritte da. Zum Glück nicht allzu lang, denn bald wird die Gardemusik zur BP-Wahl aufspielen, Präsenzdiener werden statieren. Wie  gut, dass Österreich noch ein Bundesheer hat. 

 

 

 

Magazin News, 6|2016

  

Die öffentliche Selbstvernichtung
 
 
Bei der Weltklimakonferenz in Paris versuchte Österreich daran mitzuwirken, die Erderwärmung zu senken. Aber im eigenen Land tut man das Gegenteil: Bis zu 176 Millionen Euro lassen wir uns die künstliche Beschneidung pro Saison kosten. Für dieses Geld könnten wie 16.412 Flüchtlinge ein Jahr lang erhalten. Die vier größten Städte in Tirol verbrauchen gemeinsam pro Jahr so viel Wasser wie Tirols Schneekanonen in einem Winter, der jährliche Energieverbrauch für die Kunstschneeerzeugung liegt in Österreich bei rund 15.000 kWh. Das Beschneien belastet auch die Umwelt: Weil Kunstschnee eine andere Struktur als Naturschnee hat, führt er zum Ersticken und Erfrieren zahlreicher Pflanzenarten. Das Wasser wird auch den Bächen entnommen und beeinträchtigt deren Ökosystem. Das und der Lärm der Schneekanonen haben schädliche Auswirkungen auf die Tierwelt. Da die Seilbahn- und Hotelbereiber weiterhin und immer mehr verdienen wollen, die Ausgaben für Kunstschnee aber steigen, wächst der Druck auf die öffentliche Hand, sprich: den Steuerzahler, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Aber was ist wichtiger, die pekuniären Interessen und die Vergnügungssucht Auserwählter – oder das Bewahren und Erhalten von Lebensnotwendigem? 
 

 

 

Magazin News, 2|2016

 

Nur nichts ändern, was immer so war

 

Bei der bevorstehenden Bundespräsidentenwahl kann theoretisch jeder Antretende gewinnen. Ob es erstmals in der nicht langen Geschichte, seit wir einen BP haben, eine Frau wird, die sich immerhin schon in der Neujahrsansprache geübt hat, oder ein Tiroler Politveteran, der Österreich "mag", wissen wir genauso wenig wie, ob ein angesehener Herr Professor der Auserwählte wird, der bereits verkünden ließ, dass "euer Präsident" spreche, wenn er spreche. Mit Sicherheit aber wissen wir, dass sich bei einer Volksbefragung über die Notwendigkeit dieses Amtes die Mehrheit dagegen aussprechen würde. Statt sehr viel Geld dafür auszugeben, dass jemand Auszeichnungen vergibt, diverse mehr oder weniger wichtige Veranstaltungen eröffnet und am Operball und andernorts den Ehrenschutz übernimmt, könnte man die Obliegenheiten des Bundespräsidenten in jährlicher Rotation einem der amtierenden Landeshauptmänner übergeben und den Titel des Oberbefehlshabers des schwindenden Heeres dem sowieso unterbeschäftigten Verteidigungsminister übertragen. Dann würde man auch skurrile Kandidaten a la Rosekranz, Lugner u.a. vermeiden. Damit man auch einem Teil des schwarzen Volkswillens entspricht, könnte der Darling von NÖ nebenbei auch Bundespräsident sein, falls er sich nochmals zum Vater der Niederösterreicher küren lässt.  

 

 

 

Die Presse, 07.01.2015

 

Die Oper blüht in aller Welt, aber nicht die Darbietungen
Gastkommentar: Die Zukunft der Oper kann nicht in versunkener Vergangenheit gelingen
 
Die numerische Anzahl der staatlich, städtisch und kommunal geförderten Operndarbietungen in geschlossenen Häusern und in Freilichtaufführungen steigt weltweit ständig.
Durch den freien Reiseverkehr in Europa ist einerseits eine große Anzahl von gut ausgebildeten Sängern aus den früheren Ländern hinter dem Eisernen Vorhang überall präsent, und andererseits sind neue Auftrittsmöglichkeiten in den südosteuropäischen Opernhäusern inklusive jene der früheren Sowjetunion entstanden. Im prosperierenden, immensen und reich gewordenen China entsteht ein großes Opernhaus nach dem andern, und sogar in arabischen Ländern, die nicht strikt islamisch geführt sind, entstanden und entstehen  Opernhäuser, siehe Oman, Dubai und bald auch Katar.
 
Was den Kartenverkauf bzw. die Karteneinnahmen betrifft, also den wirtschaftlichen Teil des Unternehmens, kann man ruhig sagen, die Oper blüht weltweit. Die Anzahl der verkauften Karten ist in unserem staatlichen Opernhaus sehr hoch, und dass man die Kartenpreise stets erhöht, hat keinerlei negative Auswirkung auf den Besuch.
Was hingegen die Qualität der Operndarbietung betrifft, befindet sich diese stets und überall auf fallendem Niveau. Sowohl in den so genannten Spitzenhäusern aus auch in den – für die Kunstgattung lebensnotwendigen – mittleren und kleineren Stadttheatern.
 
Das Repertoiretheater, also jenes, welches in einer Spielzeit eine große Anzahl von verschiedenen Werken spielt, ist im Aussterben oder wird nur noch in wenigen Häusern mit hohen finanziellen Opfern als Touristenattraktion künstlich und mit immer schlechterer Qualität erhalten.
Die unverzichtbare Bedingung für das Repertoiresystem ist ein Sängerensemble, ein hohes Niveau von wenigen Dirigenten, die dieses Ensemble gut kennen und eine kundige künstlerische Leitung des Betriebes.
Alle diese drei existenziell notwendigen Faktoren sind kaum noch zu finden. Ein guter und vielversprechender junger Sänger bleibt nicht lange in einem Ensemble, denn er bekommt Gastierangebote um mehr Geld und für größere Rollen, die er im Ensemble nicht oder wenn überhaupt nur unter schlechteren Bedingungen, bekommt.
Eine behutsame Führung von kundigen Dirigenten findet so gut wie nirgends statt, denn auch diese ziehen das erträglichere weltweite Gastieren vor. Keinen seriösen Dirigenten interessieren zudem Vorstellungen ohne entsprechende Proben.
Stimmkundige und interessierte Opernleiter gibt es kaum mehr. Direktoren sind nur an kurzfristigen Erfolgen interessiert, die mediale Aufmerksamkeit entfalten und vordringlich durch das Engagement von neuen und Sensation auslösenden Regisseuren ermöglicht werden. Wie überhaupt eine der Ursachen des sinkenden Gesamtniveaus von Opernvorstellungen das Primat des Szenischen zum Nachteil des Vokal-Musikalischen ist.
 
Der verzweifelte Versuch von manchen Musikjournalisten die versunkene Vergangenheit mit einem großen kundigen Sängerensemble, welches das Publikum kennt und schätzt ist eine Chimäre und nicht mehr herstellbar. Gastsänger waren die Ausnahme, heute sind sie die Regel geworden. Reisen ist kein Hindernis mehr und alle wollen jeden und jeder will überall sein. Sängerleben sind durch die Mehrbeanspruchung viel kürzer geworden und reichen nicht  dazu aus, dass diese bekannt werden.
 
Ein rasches und radikales Umdenken und die Neugestaltung der großen Repertoirehäuser mit wenigeren Titeln, vielleicht auch weniger Vorstellungen ist der einzige Weg, damit diese kaum noch als Spitzenhäuser zu bezeichnenden teuren Einrichtungen überleben können. Besetzte Stühle in einem Theater können nicht ein Gegenargument für Mittelmäßigkeit sein.
 
 
 
Die Presse, 11.12.2014
 
 

Der Deutsche macht …

 

Gastkommentar: Wie die Sozialdemokraten dem deutschstämmigen Klaus Johannis zum rumänischen Präsidentenamt verholfen haben

Victor Ponta, der wieder amtierende Ministerpräsident, führte nach dem ersten Wahlgang um die Präsidentschaft Rumäniens mit satten 10 % vor allen anderen Konkurrenten und unterlag im zweiten Wahlgang seinem Gegenkandidaten Klaus Johannis - gegen alle Wahlprognosen - mit 43 zu 57 Prozent.
Vor zwei Jahren gelangte die sozialdemokratische Partei (P.S.D.) zur absoluten Macht, indem innerhalb des Parlaments zahlreiche Abgeordnete die Parteizugehörigkeit wechselten. Seitdem regiert die P.S.D. – zusammen mit der kleinen Ungarnpartei – mit dem 42jährigen Victor Ponta als Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten. In der Nachfolge seines aus dem Amt scheidenden Intimfeind Traian Băsescu war Victor Ponta der einzige und vermeintlich sichere Kandidat zur Erlangung der – gemäß der rumänischen Verfassung - wichtigsten Stellung im Land. Pontas Bekanntheitsgrad, vor allem auch in der ländlichen Bevölkerung im sogenannten Altrumänien (also der Walachei und Moldawien), war unvergleichlich größer als jener von Johannis.
Aber die regierenden Sozialdemokraten wussten schon nach der großen Niederlage ihres Kandidaten Mircea Geoană bei der letzten Wiederwahl des Präsidenten Băsescu, dass die sich im Ausland befindenden rumänischen Staatsbürger – und es gibt derer mehr als eine Million in Spanien, Italien und Deutschland oder den Vereinigten Staaten – mehrheitlich nicht die als korrupt und ineffizient eingestufte Linke wählen werden.
Und somit machten sie den Kardinalfehler, die Anzahl der Wahllokale außerhalb Rumäniens derart einzuschränken, dass die Menschen sich viele Stunden in endlosen Schlangen anstellen mussten und der Großteil trotzdem nicht mehr zur Wahlabgabe kam. Das löste in den letzten Wahlstunden auch im Inland eine äußerst heftige Reaktion aus und sehr viele, insbesondere junge Wähler, fühlten sich veranlasst jetzt erst recht in Rumänien von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen: gegen Ponta und somit für Johannis.
Gegen den Wahlverlierer Ponta und seine P.S.D. demonstrieren jetzt immer mehr Menschen wegen der Wahlbehinderung und der Oberstaatsanwalt überlegt eine Anklage gegen den Ministerpräsidenten Ponta und seinen Außenminister wegen Behinderung eines von der Verfassung garantierten Bürgerrechts.
Die Ungarische Partei ist schon aus der Koalition ausgetreten und es ist nur noch eine Frage der Zeit bis Ponta seinen Posten und seine Partei die Regierungshoheit verliert.
Klaus Johannis, der tüchtige deutsche Mann aus Sibiu, sprich Hermannstadt, der nicht als ein Parteimann angesehen wird, spricht wenig und wenn auch nicht ein besseres Rumänisch als Ponta, doch eine ehrlichere und glaubhaftere Sprache und symbolisiert das rumänische Sprichwort „neamţul tace şi face“ – „der Deutsche schweigt und macht“.
Und somit ist der Erste Mann im Staat, so wie anno 1881 der erste König des neu gegründeten Rumäniens Carol der Erste von Hohenzollern-Sigmaringen, wieder ein Deutscher. Und er verkörpert allein die Hoffnung der Rumänen, 24 Jahre nach dem Sturz der kommunistischen Diktatur Nicolae Ceaușescus, endlich die vielstrapazierte Übergangsperiode (Perioada de tranziţie) zu verlassen und wieder ein besseres und würdigeres Leben zu haben.
 
 
Salzburger Nachrichten, 13.12.2014
 
 
Drei Tage in der Kulturhauptstadt Riga
 
Ganz Lettland hat mit seinen knapp über 2 Mio. Einwohnern in etwa so viele Einwohner wie Wien. Doch allein die Kulturgeschichte Rigas mit ihrer Anzahl an weltbekannten Künstlern, die hier tätig waren und sind, ist überwältigend und in der Tat beeindruckend. Richard Wagner war im alten Stadttheater als Mitarbeiter engagiert und Bruno Walter hatte hier seine erste Anstellung. Leo Blech war Chefdirigent, nachdem er 1933 die Berliner Oper als Jude verlassen musste und die heutigen – zur absoluten Weltspitze gehörenden - Dirigenten Mariss Jansons und Andris Nelsons haben ihre Karriere an der Rigaer Oper begonnen.
 
Wenn das Renommee eines Opernhauses von der Berühmtheit der Sänger abhängt, die hier groß geworden sind und sich international etabliert haben, dann ist die Nationaloper von Lettland eine der bedeutendsten der Welt heute. Kristine Opolais, Elina Garanca, Inese Galante, Aleksandrs Antonenko oder Egils Silins gehören zu den Weltstars des internationalen Opernbetriebes. Beim Besuch der Nationaloper, ein prachtvolles klassizistisches Gebäude aus dem Jahr 1863, empfängt mich Zigmars Liepins, der Generaldirektor des Hauses. Im Opernsaal fällt mein Blick auf die Zuschauerplätze, die mit Namen versehen sind. Zigmars Liepins erklärt mir, dass es sich dabei um die Namen von Sponsoren handelt, die in den neunziger Jahren des 20. Jh. in die Restaurierung des Hauses investierten.
 
Mit Mikus Čeže, dem Historiker und Dramaturg der Nationaloper, erkunde ich weiter die Stadt. Die Keimzelle der Altstadt, die seit 1997 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört, bildet der „Konventhof“, ein mittelalterlicher Gebäudekomplex, der renoviert wurde und heute das romantische Hotel „Konventa Seta“ beherbergt. Der weltberühmte Dom mit seinem neugotischen Portal, dessen Grundstein im 13. Jh. gelegt und nach einem Brand 1590 fertig gestellt wurde, besitzt eine Orgel mit 6718 Pfeifen. Sie zählt zu den größten und akustisch besten der Welt. Franz Liszt komponierte für dieses Instrument. Das 1334 entstandene, von deutschen Truppen gesprengte und 1999 wieder aufgebaute „Schwarzhäupterhaus“ am Rathausplatz mit seiner auf die holländische Renaissance zurückgehenden Fassade ist heute das meist fotografierte Gebäude der Stadt.
 
Die Architekten des beginnenden 20. Jahrhunderts prägten die Stadt mit ihren Jugendstilbauten. Rund 800 Gebäude aus dieser Epoche haben sich im Stadtzentrum erhalten, das sind mehr als in anderen europäischen Städten.Die prächtigsten Jugendstilbauten in Riga finden sich in einem Viertel rund um die Alberta iela und in der Neustadt. Viele dieser Häuser wurden vom Architekten Michail Eisenstein, dem Bruder des weltberühmten Filmemachers gebaut. So auch die 1903 fertig gestellte berühmte Häuserzeile der Elizabetes iela 10. Überreicher Fassadenschmuck, eine originelle Farbgebung und die typischen Omega-Fenster charakterisieren diesen Baustil. Gemeinsam mit Mikus Čeže besuche ich das Jugendstilmuseum, das in einer Wohnung untergebracht ist. Alle Räume sind mit authentischen Gegenständen aus dem Jugendstil bestückt. Es erinnert mich an meine Jugendzeit in Rumänien, ein Stil, den meine Mutter als „kitschigen Operettenstil“ bezeichnet hätte. Wert hatte nur, was Antik oder Barock war. Heute ist hingegen Jugendstil nahezu nicht weniger gesucht.
 
Im Jahr 1921 wurde Riga Lettlands Hauptstadt, als das Land nach der deutschen Besetzung zu Ende des 1. Weltkrieges seine Unabhängigkeit erklären konnte. Es folgte die Blütezeit der Stadt bis Lettland durch Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Pakts im Jahr 1939 unter Einfluss der Sowjetunion geriet. Mit dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im zweiten Weltkrieg wurde Lettland von der Wehrmacht besetzt. Bei der Rückeroberung 1944 rollten die Panzer der Roten Armee durch die Stadt. Lettland wurde erneut von der Sowjetunion okkupiert und blieb auch nach Kriegsende sozialistische sowjetische Republik. 1991 erkannte die Sowjetunion die Unabhängigkeit Lettlands an, Riga wurde wieder die Hauptstadt eines souveränen lettischen Staates.
 
Mikus Čeže führt mich zum hoch aufragenden Freiheitsmonument - das bedeutendste politische Symbol der lettischen Unabhängigkeit. Das aufwändig gestaltete Denkmal wurde 1935 geschaffen. Die Reliefs auf dem Freiheitsdenkmal symbolisieren das Selbstverständnis der Letten. Der Wunsch des lettischen Volkes nach Unabhängigkeit und Freiheit, dargestellt durch 56 Skulpturen. Eine zentrale Figur ist der lettische Sagenheld Lāčplēsis, der einen gefährlichen Bären mit bloßen Händen tötete. Eine Aufforderung, sich gegen feindliche Mächte zur Wehr zu setzen. Čeže erklärt mir, dass diese skulpturale Heldentat einer der Gründe dafür war, dass man die Freiheitsstatue während der Stalin Zeit abreißen wollte, weil der Bär als Symbol für den Russen ausgelegt wurde.
 
In Kipsala am Rande der Stadt ist das Memorial für den lettischen Waldarbeiter Zanis Lipka, der 56 Juden während des 2. Weltkrieges hier versteckte und rettete, während 75.000 jüdische Bürger in Riga und den benachbarten Wäldern von Letten und Deutschen gemeinsam ermordet wurden.
 
Weiter geht es zur Nationalbibliothek am linken Ufer der Daugava: sie ist das überwältigende Neubauprojekt der letzten Jahre. Wie eine gigantische Installation aus Glas und Aluminium wirkt das als multifunktionelles Kultur- und Bildungszentrum 2014 eröffnete „Lichtschloss“. Die Umsiedlung der Bücher vom Jugendstilviertel durch die mittelalterliche Altstadt in den modernen Glaspalast bewerkstelligten mehr als 2.000 Menschen, die bei minus 14 Grad auf einer Strecke von über 2.000 Metern die Bücher von Hand zu Hand reichten. Die Bücherkette sollte an den Baltischen Weg 1989 erinnern, an die 600 km lange Menschenkette, die damals für Freiheit und Unabhängigkeit demonstrierte.
 
In kaum einer europäischen Stadt ist die Vergangenheit und Gegenwart architektonisch so präsent, so gut erhalten wie in Riga heute. Und nirgends ist die dramatische wechselseitige Geschichte eines Landes so prägend sichtbar wie hier.
 
 
Die Presse am Sonntag, 23.11.2014
 
 
„Mein Cluj“
Als ich mit 22 Jahren aus politischen Gründen von der Universität meiner Geburtsstadt Timisoara ausgeschlossen wurde, ist es mir gelungen im entfernten Cluj – zu deutsch Klausenburg, ungarisch Kolozsvár – unterzuschlupfen. Ich war glücklich und zutiefst zufrieden, in dieser berühmten Universitätsstadt Student an der alten, hochanerkannten Babes-Universität zu sein.
 
Cluj war die einzige europäische Stadt, die neben der eigenen Nationaloper ein Opernhaus für die - ungarische - Minderheit führte. Beide Opernhäuser unterhielten ein eigenes Ensemble, das in täglichen Vorstellungen ihr Repertoire in der rumänischen Landessprache und in der Minderheitensprache spielte.
 
Mein Dasein in dem von der noch jüngsten Geschichte dramatisch geprägten Cluj dauerte jedoch nur drei Monate, bis mein Kaderdossier der Partei auch die zweitgrößte Stadt Rumäniens erreichte. Dann blieb mir wirklich nur noch die Tätigkeit als Tennistrainer zum Überleben in Rumanien übrig. Umso größer war nun meine Freude und Begeisterung für die Stadt am Fuße des Feleac-Hügels, wo ich für ServusTV einen Kulturbeitrag gestalten durfte.
 
Die zwei Opernhäuser, wovon das rumänische noch immer mit seinem prachtvollen Jugendstilgebäude nach den Plänen des Wiener Architektenbüros Fellner & Helmer beeindruckt, spielen noch immer: wenngleich die Aufführungen heute in Originalsprache gegeben werden. Ein Drittel der knapp 90.000 Studenten, die an der inzwischen europaweit renommierte Babes Bolyai Universität studieren, kommen aus dem Ausland. Mit ihrem hochanerkannten Rektor durfte ich ein Fernsehinterview in der prachtvollen Aula Magna führen - wie auch mit den beiden Operndirektoren auf der Bühne ihrer Häuser.
 
Cluj überrascht mit einer Vielfalt an Kirchen; Religionen existieren nebeneinander, u.a. rumänisch-orthodox, reformiert, griechisch-katholisch, römisch-katholisch, Baptisten, unitarisch und jüdisch.
 
Auch die alte jüdische Synagoge ist prachtvoll wieder hergerichtet, nur die einstigen Gläubigen und ihre Nachfahren gibt es nicht mehr. Denn während der Zeit, als Nordsiebenbürgen mit Cluj durch das Wiener Diktat von 1940 an Ungarn abgetreten werdenmusste und mit der deutschen Besetzung Ungarns direkt unter ungarische Verwaltung geriet, wurde die jüdische Bevölkerung Clujs nahezu ausgerottet.
 
Die einstigen tiefen Spannungen zwischen den rumänischen und den ungarischen Bewohnern haben sich in der Zwischenzeit gelegt. Das Denkmal von Matthias Corvinus– Symbol der Ungarn - und des rumänischen Nationalhelden Mihai Viteazul strahlen mächtig nebeneinander. Die zwei Opernhäuser kollaborieren freundschaftlich und die Einwohner unterhalten sich auf den weitläufigen Plätzen und Boulevards in ihrer Muttersprache. Nur die Synagoge ist nahezu ohne Besucher geblieben und die deutsche Bevölkerung verließ das Land sobald dies möglich war.
 
Napoca hieß die Stadt in alter römischer Zeit, welche auch im heutigen Stadtbild noch sichtbar ist. Heute heißt sie Cluj Napoca und man sollte nicht versäumen, diese Stadt, die im Glanz der vergangenen Habsburger Monarchie - ergänzt durch ihre neuere Geschichte - erstrahlt, zu entdecken. Wenigstens einstmals auf der Mattscheibe zuhause!
 
 
Kulturzeitung 80, November 2014
 

Ioan Holender im Interview


DIE KRAFT DES SINGULÄREN EREIGNISSES

 

 

Der ehemalige Staatsoperndirektor spricht mit der Kulturzeitung 80 über Intendanten, die wichtiger sind als ihre Festivals; eine Überdichte an Kulturangeboten vor allem in den Sommermonaten, wer dieses wirklich zahlt und warum es keinem Auftrag bedarf, um Dinge umzusetzen.

 

 

Wenn man dem Kulturprotagonisten Ioan Holender gegenübersitzt, dann ist von seinem stolzen 80-Jahres-Jubiläum 2015 kaum etwas zu spüren. Der ehemalige und längst amtierende Direktor der Wiener Staatsoper ist nach wie vor voller Tatendrang und wartet gefasst auf die Interviewfragen zur Lage der Kulturnation Österreich. Er bemerkt gleich vorab, dass er den Medien gegenüber immer schon zurückhaltend war, Kulturberichterstattung sehe er kritisch. Im Gespräch ist von dieser Zurückhaltung wenig zu spüren, denn seine Meinung vertritt er unverblümt.

 

 

Wie würden Sie als Protagonist der Kulturszene die Lage der Kulturnation Österreich bestimmen?

Wir gehören zu einer der vielen Kulturnationen der Welt bzw. Europas. Bezeichnungen wie DIE Kulturnation oder DIE Musikhauptstadt sind Sebstdeklarationen. In Österreich ist in Bezug auf seine Größe aber von einer besonderen kulturellen Dichte zu sprechen. Vor allem im Sommer, da ist es übermäßig dicht: Festspiele gibt es überall dort, wo ein Wässerchen fließt und Bäume wachsen und alle wollen sie monetäre Unterstützung.

 

 

Wie stehen Sie zur aktuellen Förderpolitik? Welche Strategie brachte Ihnen den Ruf „Sparmeister“ ein?

Jeder der ein Kulturprodukt herstellt, braucht dazu Geld und dieses Geld – das darf man nicht vergessen – kommt von den Steuerzahlern. Sponsoren... – lassen wir diese kapitalistische Erfindung. Die Kunsteinrichtungen in Österreich leben größtenteils von Subventionen, die der Steuerzahler zahlt. Wenn zu viel produziert wird, wird es keine Abnehmer geben. Dann wird es sinnlos Geld in etwas zu investieren, das niemand konsumiert. Deswegen gibt es auch hier Grenzen, denn es gibt unverhältnismäßig viel von allem, das produziert und unterstützt werden will. Es ist nicht der Politiker, der unterstützt, nicht der Staat, es sind die Steuerzahler. Es muss also wohl überlegt sein, wofür wir dieses Geld ausgeben. Ich bin nicht dafür jede Initiative mit Fremdgeldern zu fördern. Das klingt sehr hart, nicht „in“, aber man muss dreimal überlegen, wofür das Geld ausgegeben wird. Zu meinem Ruf als Sparmeister: Ich habe nie gespart, ich war nur nie bereit Geld auszugeben für Dinge, die ich moralisch nicht verantworten konnte.

 

 

Was könnten Sie zum Beispiel nicht verantworten?

Nehmen wir ein Festival aus der Steiermark als Beispiel: Die Styriarte hat eine überlokale Bedeutung erlangt über nur eine Person, den Dirigenten Nikolaus Harnoncourt. Er wird das aber auch nicht ewig machen. Wenn sich die Styriarte nur durch die Einwirkung eines Künstlers diesen Ruf erworben hat und daraus seine Daseinsberechtigung bezieht, dann ist die Politik des Festivals in Frage zu stellen, dann war sie falsch. Was macht man dort, wenn er nicht mehr dirigiert? Schließt man es? Das ist beispielhaft für die österreichische Kunstszene. Der Interpret wird wichtiger als das Werk. Das ist sehr gefährlich. Und bei der Styriarte habe ich Dinge erlebt, die unverhältnismäßig waren, wie, zum Beispiel, eine Carmen-Produktion in der Helmut-List-Halle, die dann schnell wieder von der Bildfläche verschwunden ist.

 

 

In welcher Form können sich Festivals wie die Styiarte auszeichnen?

Festspiele haben den Anspruch auf Singularität, während man in der Oper 20 Jahre lang den gleichen Titel spielen kann. Der Gedanke der Kooperationen ist „in“, aber der Anspruch sollte in Richtung Eigenproduktion gehen. Künstlerische Arbeit ist eine kreative Arbeit und eine eigenständige Inszenierung, die nicht überall herumgeschickt werden soll. Man sollte ja auch nicht Werke des steirischen herbstes an vier anderen Orten sehen. Es ist aber so wie in der Wirtschaft: Immer weniger gehört immer mehr. Immer weniger wird produziert und ökonomisch verteilt. Das ist schlecht.

 

 

Welche Rolle spielt das Fernsehen für die mediale Präsenz?

In öffentlichen Leben Rumäniens bin ich sehr präsent, weil es ja einen eigenen Kulturkanal gibt, in dem ich öfters auftrete. Auch in Russland spielt das Fernsehen als Kulturmedium eine wesentliche Rolle. Im Hauptabendprogramm wird aktuell ein Opernwettbewerb von Sängern ausgetragen. Der ORF hat vielleicht auch einen Bildungsauftrag, aber der wird nicht eingehalten. Als ich noch die Oper geleitet habe, habe ich mich furchtbar aufgeregt. Am Ende von Zeit im Bild sollte immer ein kurzer Kulturbeitrag kommen, aber der blieb oft aus. Und es gab Opernübertragungen zu Zeiten, wo kein normaler Mensch zuschaut. Und ich sagte, ich will das nicht, lassen wir das. Ich kann zwar nicht über die Sendezeit bestimmen, aber meine Ware lass’ ich nicht in Zeitungspapier einpacken und irgendwo in das hintere Eck der Vitrine stellen. Die schlechte Quote fällt mir auf den Kopf. Bei ServusTV gibt es diese Form der Aufträge nicht, da investiert man wirklich. Wenn sie anfangen nur für Einschaltquoten zu arbeiten, wird es nur schlecht. Wenn es gut ist, spricht es sich schon herum.

 

ÖMZ, Österreichische Musikzeitschrift 05/2014

 

„Zusammengewachsen – 25 Jahre nach der Wende widmen“

 Den Studenten aus Rumänien, Bulgarien oder Polen heute verständlich zu machen, dass sie in einer unendlich besseren und vorteilhafteren Lebensausgangslage sind als jene vor dem Ender der Achtzigerjahre bzw. vor dem Fall des „Eisernen Vorhanges“, ist nicht leicht. Denn Menschen, die in einer freien Welt aufgewachsen sind können nicht nachvollziehen, dass sie nicht aus ihrem Geburtsland ausreisen durften, dass ein Studium oder ein Arbeitsplatz außerhalb des Staates, dessen Bürger sie sind, undenkbar gewesen ist.
Derzeit findet sich in nahezu allen bedeutenden und weniger bedeutenden Orchestern der westlichen Welt kaum eines, in das nicht auch Musiker aus den früheren kommunistischen – oder was man eben dafür hielt – Staaten gekommen sind. Und ohne Gesangskünstler aus dem „Osten“ – wie vor allem Wiener diese nennen – gibt es kaum noch einen Chor oder Solisten in einem hiesigen Ensemble. So gesehen war die vor rund 25 Jahren eingetretene Wende für die musikalische Welt gedeihlich und vorteilhaft.
Weniger gut hingegen ist die Tatsache, dass wo immer man in der kapitalistisch regierten Welt ein billiges Orchester braucht, dieses aus den früheren sozialistischen Staaten holt, weil diese unendlich billiger zu haben sind. Tourneen von verkaufsträchtigen Solisten werden meistens von billig eingekauften Orchestern aus den östlichen Umgebungen begleitet und manche „Festspiel“ genannten Veranstaltungen, wie in Österreich z.B. Margarethen oder Erl wären ohne diese Orchestermusiker gar nicht möglich.
Durch den Arbeitsfluss Richtung Westen, wo auch immer dies sei, werden die heimischen Musikinstitutionen – ob Opernhäuser oder Konzerthäuser – geschwächt und immer weniger bespielt. Denn kaum kommt ein Angebot von außerhalb wird dieses begeistert angenommen. Denn schon die Summierung der Tagesdiäten in Euro bringt viel mehr als das Monatsgehalt zu hause. Während bis zur Wende vor 25 Jahren große Orchester aus Warschau, Prag oder Budapest mit staatlicher Unterstützung im Westen gastierten und allesamt ein hohes Niveau hatten, besaßen die Opernhäuser von Sofia, Bukarest oder Budapest, was die Solisten und den Chor betrifft, auch international erste Qualität. Heute sind diese leider bedeutungslos geworden, denn wer auch immer im Westen eine Stellung bekommen kann geht weg.
Es ist schön und gut, dass die Menschen heute in ganz Europa sich mehr oder weniger frei bewegen können. Aber es ist weniger schön, dass auch heute, ein viertel Jahrhundert nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“, der soziale Abgrund so groß ist und die Folgen vom gewesenen Unrecht noch immer prägend sind.

 

Profil, September 2014

 

Salzburg sollte die Gelegenheit nutzen

Warum, weshalb und weswegen Franz Welser-Möst die Wiener Staatsoper verlassen hat soll jetzt nicht weiter durchgekaut werden, da dies das Haus am Ring nicht weiter bringen wird.
Aber die Salzburger Festspiele könnten davon Nutzen haben, wenn sie jetzt schnell agieren und neben den im Salzburger Musik- und Musiktheaterleben unkundigen Direktoriumsmitgliedern Helga Rabl-Stadler und Sven-Eric Bechtolf den versierten Kapellmeister und Opernchef Franz Welser-Möst dazu nehmen. Das wäre bei den gegebenen Umständen eigentlich ein Gebot der Stunde und die Politik in Wien und Salzburg ist dabei gefordert, rasch zum Wohle des der Welt immer wieder als die wichtigsten Festspiele deklarierten Spektakels einzugreifen.
 
Kurier, 16.07.2014
 
 
Vorgestern vor zehn Jahren starb Carlos Kleiber, heute vor 25 Jahren starb Herbert von Karajan.
Während bei Kleibers Abgang von dieser Welt die Medien an jenem 13. Juli 2004 unsicher herumfragten, ob denn ich vielleicht wüsste, ob der verstorbene Karl Kleiber bei Ljubljana vielleicht der bekannte Dirigent Carlos Kleiber sein könnte, stand bei Karajans Abgang die mediale Klassik-Welt und nicht nur diese an allererster Stelle.
Und dies hat sich bis heute nicht geändert.
Carlos Kleiber, der stets einsame, solitäre Kämpfer für das Absolute in der musikalischen Wiedergabe war jener, der dem Unerreichbaren am nächsten kam. Keiner vor ihm und nach ihm konnte uns Menschen von Menschen komponiertes so unmittelbar, so tief empfunden, so aufwühlend und berührend wiedergeben. Carlos Kleiber wollte in seiner Laufbahn nie eine Position, er gab Zeit seines Lebens nie ein Interview und sprach überhaupt wenig und mit Wenigen. Am häufigsten nur schriftlich per Postkarte. Dass ich in den letzten Jahren seines Daseins zu diesen wenigen gehörte, ist für mich eine hohe Gnade. Carlos Kleibers Lebenskampf für die Wahrheit in der Kunst und allem, was dies möglich macht, ohne Rücksicht auf alle und alles, welche dies verhindern, war sein Lebensinhalt.
Nicht nur mein Leben wäre ärmer, hätte es Carlos Kleiber nicht gegeben.  

 

Salzburger Nachrichten, 02.05.2014

 

Ioan Holender gebietet Einhalt

 

Die Salzburger Festspiele wollen einen „Millionenbetrag“ an zusätzlicher Subvention von den staatlichen Geldgebern. Der einstige Direktor der Wiener Staatsoper erwidert energisch.

 

Hedwig Kainberger Das jüngste Ersuchen der Präsidentin der Salzburger Festspiele hält Ioan Holender für „unmäßig“. Helga Rabl-Stadler hat die Geldnot ausführlich argumentiert: So seien steigende Preis- und Gehaltsniveaus mit Subventionen in der gleichen Höhe wie 1998 nicht zu finanzieren.

Daher drängt sie für 2015 auf Erhöhung der Zuwendungen um einen „Millionenbetrag“. Ioan Holender, früher Direktor der Wiener Staatsoper, ermahnt hingegen zu „Verzichtbereitschaft für das Unwesentliche“. Was meint er damit?

Halten Sie diese Forderung für richtig? Holender: Ich hielte es für richtig, wenn in allen Kulturinstitutionen – auch in Salzburg – die obligatorischen Bezugserhöhungen über Subventionen ausgeglichen würden. Allerdings sind viele Mitarbeiter auf Bühnen und in Werkstätten der Salzburger Festspiele woanders angestellt und haben nur für den Sommer in Salzburg befristete Zusatzverträge. Die sind frei verhandelbar. Auch Künstlergagen sind an keine Kollektivverträge gebunden.

Daher betrifft die Salzburger Festspiele der unausweichliche Kostenzuwachs für Festangestellte nur in geringem Ausmaß.

Ein „Millionenbetrag“ als Erhöhung wäre zu viel? Ich will mich nicht auf Zahlenspiele einlassen, aber ich fordere Verständnis für die allgemeine Lage im Land. Und ich frage: Wie groß ist die moralische Rechtfertigung von mehr Geld für Opern, Konzerte und Theater im Sommer, wenn Schulklassen vergrößert und Lehrer schlechter bezahlt werden, wenn Ärzte in Spitälern zu viel arbeiten und die Zahl der Polizeistationen reduziert wird?

Aber problematisch ist auch die Inflation. Die Festspielsubvention hat deswegen seit 1998 ein Drittel an Kaufkraft verloren. Aber wenn es stimmt, dass eine Opernproduktion der Salzburger Festspiele eine Million Euro kostet (wie dies Intendant Alexander Pereira im Zuge der Verkäufe nach Mailand erläutert hat, Anm.), dann ist das ungeheuerlich.

Wie viel kostet Ihrer Erfahrung nach eine Opernproduktion? In der Wiener Staatsoper oder anderen großen Häusern liegt das bei 400.000 bis 500.000 Euro. Wenn ein Intendant den Regisseuren und Bühnenbildnern alles gibt, was sie fordern, wird es halt teuer. Diese Kosten sind steuerbar. Außerdem: Nicht alles Neue und Teure ist gut.

Was macht eine Oper gut? Vor allem die Besetzung (Sänger, Anm.) sowie der künstlerische Ertrag der Vorstellung, der nicht unbedingt größer wird, wenn alles immer neu inszeniert wird.

Wenn man nicht Anna Netrebko engagierte, könnte man einen Polizisten retten? Ach was! Zu meiner Zeit betrug die Höchstgage pro Sänger und Auftritt 13.200 Euro, die war viele Jahre unverändert und wurde an der Wiener Staatsoper nie überschritten. Ich weiß nicht, ob das noch hält. Aber ob einer der vier oder fünf Weltstars 14.000 oder 15.000 Euro bekommt, ist nicht entscheidend, weil es künstlerisch enorm viel bringt.

Das heißt: Die Salzburger Festspiele sollten weniger neu produzieren und mehr wiederaufnehmen? Genau. Zudem ist bei neuen Inszenierungen mehr als bisher auf Qualität zu achten. Denken Sie zurück an die „Zauberflöte“ in der Felsenreitschule, die wurde über 100 Mal gespielt, oder den „Figaro“ von Ponnelle, der war von 1972 bis 1988 immer gut verkauft. Ich sehe keinen Grund, warum das heute anders sein sollte. Allerdings: In Salzburg muss man auch Modernes machen. Man muss hier das Ungewohnte wagen, was nicht von vornherein und mit Sicherheit gut verkäuflich ist. Denn das gehört zum Wesentlichen der Salzburger Festspiele. Was gehört noch zum Wesentlichen? Dass sie künstlerisch hochwertig in Darbietung und Leitung sind. Allerdings fordere ich mehr Verzichtbereitschaft für das Unwesentliche. Was meinen Sie damit? Zum Beispiel Spielorte, die nicht den Salzburger Festspielen gehören. Wenn das Geld knapp wird, kann man sich halt ein paar Jahre den Residenzhof nicht leisten. Und wenn die Pernerinsel nicht bespielt wird, geht die Welt auch nicht unter. Ich erkenne kein Unglück für die Salzburger Festspiele, wenn sie sich auf ihre Festspielhäuser konzentrieren. Wenn man sich’s leisten kann, solche besonderen Orte zu bespielen – bitte sehr! Aber heutzutage dafür mehr Geld vom Staat zu fordern, das ist unmäßig.

Aus Sicht der Staatsoper reden Sie sich leicht. Diese hat etwa 55 Prozent Subventionsanteil, die Salzburger Festspiele haben 20 Prozent. Die Ausgangssituation zwischen einem Ganzjahresbetrieb und einem Sommerfestival ist radikal anders. Und was die Salzburger Preise betrifft, ist das auch fraglich. Die sind mit 420 Euro für eine Opernkarte zutiefst asozial.

Sie nennen nur die teuerste Kategorie. Zudem: In der Wiener Staatsoper wird eine Karte mit rund 90 Euro subventioniert, bei den Salzburger Festspielen mit etwas über 50 Euro. Genau Ihr „zutiefst asozial“ spricht doch für mehr Subvention! Mein Aufruf lautet: Schauen wir in diesem Land auf das, was alles nicht finanziert werden kann. Wir sind nicht eine Insel der Kunst, die sich erlauben darf, alles zu fordern. Ich verlange mehr Konzentration auf Qualität und auf das Vorhandene.

Bisher haben Alexander Pereira und Helga Rabl-Stadler die Geldnot mit immer mehr Geld von Sponsoren und Mäzenen wettzumachen versucht. Ich halte das für keine gute Entwicklung. Denn für wen sollen wir den Zugang zu Kunst ermöglichen? Vor allem für jene, die Neugierde und Interesse haben, und nicht für Kunden von Sponsorfirmen.

Seit 2012 ist der Anteil von Sponsoren und Mäzenen höher als jener der staatlichen Subvention. Erachten Sie diesen Privatanteil als zu hoch? Ja – und gefährlich, weil unsicher.Auch dies spricht für mehr Subvention. Damit wäre das Sponsoring zu verringern. Jede Institution soll nur ausgeben, was sie hat. Und für die Festspiele sehe ich da die Misere nicht in dem Maß, wie sie dargestellt wird. Sie sollen Wichtiges und neugierig Machendes bieten, sich aber auf die eigenen Spielstätten konzentrieren. Man soll Kosten pro Neuproduktion drosseln, weniger neu inszenieren und mehr wiederaufnehmen.

Folgte man Ihrem Rat, gäbe es weniger Vorstellungen, weniger Beschäftigte, weniger Besucher. Dann würde der Staat weniger an Steuern und Abgaben einnehmen, als eine zusätzliche Subvention kostet. Diese total kapitalistische Denkweise! Dass wir nur Kunst produzieren, damit andere Geld scheffeln, ist so etwas von gegen den Urgedanken Hugo von Hofmannsthals und Max Reinhardts! Mit diesen Überlegungen, womit wir Geld machen, entfernen wir uns immer mehr von der Kunst. Immer nur Geld, Geld, Geld.

 

Salzburger Nachrichten, 13.01.2014:

Burgtheater: Holender drängt auf rasche Aufklärung

Immer neue Details über etwaige Malversationen im Burgtheater seien "schlecht für alle", warnt Ioan Holender, einstiger Direktor der Staatsoper.

 

Ioan Holender, der einstige Direktor der Wiener Staatsoper, drängt auf rasche und umfassende Aufklärung von etwaigen Malversationen im Burgtheater. Was bisher in Medien kursiere, sei "sehr verwirrend". Und wenn jeden Tag in einem anderen Medium neue angebliche Fakten, Vermutungen oder Gerüchte auftauchten, sei das "schlecht für alle", sagte Ioan Holender auf Anfrage der "Salzburger Nachrichten". Vor allem Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) sei aufgerufen, "dass man den Bürgern möglichst bald Klarheit gibt" über Vorgänge in Österreichs größtem und am höchsten subventionierten Sprechtheater.

Öffentliche Aufklärung sollte es möglichst rasch insbesondere darüber geben, welche Fehler in der Geschäftsführung des Burgtheaters passiert seien, welche Folgen dies habe und wie viel Geld davon betroffen sei, sagte Ioan Holender. Aufklärungsbedürftig seien auch die Gründe der Entlassung von Silvia Stantejsky. Diese war nur bis März 2013 kaufmännische Direktorin, ab dann allerdings nur noch als Vizedirektorin die Stellvertreterin von Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann und somit nicht mehr unmittelbar in der Geschäftsführung.

"Warum ist sie jetzt (im Dezember, Anm.) entlassen worden?" Zum Zeitpunkt der Entlassung sei Silvia Stantejsky ja längst nicht mehr kaufmännische Leiterin gewesen. "Wurde sie für etwas entlassen, was sie gar nicht mehr war? Warum?"

Erachtet er für diese Aufklärung eine mehrwöchige Analyse durch externe Wirtschaftsprüfer als erforderlich? Nach dem, was bisher bekannt geworden sei, gehe er davon aus, "dass die Involvierten wissen, was passiert ist", erwidert Ioan Holender. Und "die Involvierten" müssten nun deutlich, ausführlich und stichhaltig über die Ursachen und Folgen der Entlassung aufklären.

Wer sind "die Involvierten"? Er wolle niemandem in den Rücken fallen und nicht den Richter spielen, versichert Ioan Holender. Aber primär sei dies die Aufgabe der Burgtheater-Direktion, insbesondere also von Direktor Matthias Hartmann. Wenn dieser allerdings sage, sein Anwalt habe ihm geraten, nichts zu sagen, "müssen wir halt warten". Allerdings: Wenn ein Anwalt Derartiges rate, "schaut es eher nach Gericht aus".

Müssten nun publik gewordene Unregelmäßigkeiten oder Schlampereien in der kaufmännischen Geschäftsführung nicht längst einem betriebsinternen Controlling, der Revision, der Bundestheater-Holding als Eigentümerin sowie dem Aufsichtsrat aufgefallen sein? "Als Direktor brauche ich keinen Aufsichtsrat, um zu wissen, wie es läuft", kontert Ioan Holender. "Ich halte nicht viel von diesen außen stehenden Kontrollen. Im eigenen Betrieb müssen die beiden, die das leiten, am besten wissen, was geschieht."

Jedenfalls: Wenn da ein Angestellter dem Theater Geld borge oder vorstrecke, "ist das sehr bizarr". Wäre dies in der Staatsoper unter seiner Direktion möglich gewesen? "Nein. Das schließe ich aus", versichert Ioan Holender. "Dass mein kaufmännischer Leiter, Thomas Platzer, derartige Kontobewegungen gemacht hätte ohne mein Wissen, das schließe ich aus - egal in welcher Größe."

Erstens hätten er und Thomas Platzer "immer volles Vertrauen" zueinander gehabt. Zweites erinnert Ioan Holender daran, dass Burgtheater wie Staatsoper ausgegliederte Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) seien, und für jeden Geschäftsführer einer GmbH gälten strenge Haftungen - "egal ob das eine Fabrik ist, die ÖBB oder eine Oper oder ein Theater; da gibt es keine Unterschiede". Daher trage jedes Mitglied einer Geschäftsführung Gesamtverantwortung. "Man weiß, was man hat und was man ausgibt. Ich hätte nie mehr ausgegeben als das, was ich hatte."

Was Holender als "sehr bizarr" bezeichnet, basiert auf einer Meldung von "profil". Demnach soll Silvia Stantejsky, die über dreißig Jahre im Burgtheater gearbeitet hat, aus ihrem Privatvermögen dem Staatstheater eine fünfstellige Summe vorgestreckt haben, die dann auf ihr Privatkonto rücküberwiesen worden sei. Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann versicherte am Montag im ORF-"Mittagsjournal", er habe das nicht gewusst und auch nicht unterschrieben. Er verlasse sich auf die Kaufleute in seinem Büro. "Ich hab mit Buchungen nichts zu tun."

 

 

Der Standard, 19.12.2013:

 

Neujahrskonzert: Steuergelder unterstützen Turbokapitalismus

Auf der Online-Ticketbörse „viagogo“ kann man also noch Karten für das ausverkaufte Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker in nahezu allen Preislagen kaufen. Eine Stehplatzkarte, welche im normalen Verkauf 30 Euro kostet, wird um 999 Euro angeboten und ein Sitz im Parterre um 30.000 Euro (mehrere Hundert Prozent Aufschlag). Die Preise werden laut der Online-Ticketbörse „vom Verkäufer bestimmt“.

Das gewinnbringende Geschäft wird aber auf dem Rücken der Wiener Philharmoniker getätigt. Diese treten zwar als Privatverein auf, deren sämtliche Mitglieder sind jedoch vom Steuerzahler erhaltene Mitglieder des Staatsopernorchesters. Als solche werden deren Lebenserhaltungskosten gesichert und als solches beruht das als Folge des Turbokapitalismus entstandene fragwürdige Geschäft auf Steuergeldern.

Das ist der saure Beigeschmack des populären Neujahrskonzerts, welchen man durch Identitätskontrollen der Kartenbesitzer  – so wie es bei den Bayreuther Festspielen gehandhabt wird – verhindern könnte, wenn man wollte. Die Frage ist nur, ob man es auch will.

 

 

 

Die Welt, 24.4.2013:

Lock-Arie des Geldes

Vor knapp zwei Wochen schrieb "Welt"-Redakteur Kai Luehrs-Kaiser an dieser Stelle über sich mehrende Vorwürfe von Intendanten und Dirigenten, die gegenwärtige Generation von Opernsängern und -sängerinnen sei zu schwach. Ein derartige Häufung von Absagen, wie man sie derzeit erlebe, sei früher undenkbar gewesen. "Domingo hätte auf dem Totenbett liegen müssen, bevor er eine Vorstellung abgesagt hätte!", wurde etwa Antonio Pappano zitiert, Chefdirigent des Royal Opera House in London. Nun antwortet einer, der es eigentlich auch wissen muss, Ioan Holender, der erst selbst lange sang und anschließend, von 1991 bis 2010, die Wiener Staatsoper leitete.

Während der Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts begannen die wichtigsten Opernhäuser des deutschsprachigen Raumes, bedeutende Hauptrollen immer häufiger mit Gastsängern zu besetzen und ihre eigenen Ensembles entsprechend zu verkleinern.

Die Ursachen der Entscheidungen, welche allmählich zum heute üblichen, allgemeinen "freien Sängerleben" führten, sind zweierlei: einerseits die ebenfalls nur noch gastierenden Regisseure und deren immer wichtiger gewordene Tätigkeit sowie die ebenfalls als Gäste engagierten, sogenannten Stardirigenten – und andererseits die Sänger selbst. Dass diese sich allerdings jetzt öffentlich über den von ihnen selbst hervorgerufenen Zustand beklagen, ist neu und unbegründet.

Das berufliche Leben eines Sängers ist bekanntlich kurz und die notwendige Vorbereitung dafür lang. Statistisch gesehen dauert ein Sängerleben rund zwanzig Jahre. Ab dem vierzigsten Lebensjahr baut die physische Leistung des menschlichen Körpers allmählich ab, um die fünfzig auf jeden Fall – und zwar in sehr hör- und sichtbarer Weise. Die wenigen und bekannten Ausnahmen bestätigen nur diese anatomisch bedingte Tatsache.

Die Anzahl der subventionierten Opernhäuser und der sich jeden Sommer vermehrenden "Festspiel" genannten Veranstaltungen hat stark zugenommen und steigt weiter. Die Spieldauer der traditionellen, etablierten Festspiele wie Verona, Bregenz oder Salzburg hat sich beträchtlich verlängert. Freiluftkonzerte auf großen Plätzen in Städten und in touristischen Orten mit allerlei Starsängern und sogenannten Freunden – hoch bezahlt und viel beworben durch Bankinstitute und Firmen – werden auch immer mehr.

Festengagierte Ensemblemitglieder werden immer schlechter, gastierende Sänger immer besser bezahlt. Jeder Sänger versucht folglich, so schnell wie möglich aus einem Festvertrag wegzukommen und als Freischaffender zu wirken, um keine der sich bietenden Auftrittsmöglichkeiten zu versäumen. An einem organischen, langfristigen, gefestigten Aufbau seiner Existenz und am Erlernen eines für seine Stimme vorteilhaften Repertoires ist weder der Sänger noch dessen Arbeitgeber – sprich der Intendant – interessiert.

Die einen haben es eilig, rasch möglichst viel Geld zu verdienen und berühmt zu werden, die anderen, also die Theaterleiter, wollen stets neue Attraktionen, um ihre Positionen zu festigen beziehungsweise zu Höherem aufzusteigen. Und die Medien benützen beide Seiten, um möglichst mit stets neuen Sensationen ihre Blätter zu füllen.

Äquidistante, sachliche und kundige Musikkritiker gibt es kaum mehr, die meisten – in der Musikstadt Wien mehr als irgendwo anders – lassen sich durch diverse Vorberichte, Interviews, Reiseempfehlungen und sogar Bücherschreiben über die Protagonisten von diesen selbst bezahlen. Wie kann ein Musikkritiker Negatives über ein Opernhaus schreiben, wenn er ein bezahltes Buch über dessen Direktor schreibt?

Die Sänger sind nicht unzuverlässiger als früher, sie haben nur viel mehr Möglichkeiten, sich auszusuchen, wo sie auftreten, und trotz der allgemein langfristiger gewordenen Planung ergeben sich auch öfter kurzfristige Gelegenheiten, rasch sehr viel Geld zu verdienen. So erhalten auch schnell plötzlich ein bisschen bekannt gewordene Sänger und Sängerinnen für Freiluftveranstaltungen zum Beispiel in der Berliner Waldbühne oder dem Linzer Domplatz oder gar auf einer der viele Seebühnen bis zu zehn Mal höhere Honorare als für die Interpretation einer Rolle auf der Bühne eines Opernhauses. Darüber hinaus singen sie bei solchen Gelegenheiten, was sie wollen, also was ihnen leicht fällt und bequem ist.

Proben für Neuinszenierungen sind heutzutage naturgemäß wichtiger und länger geworden. Dadurch, dass meist überall die gleichen Werke gespielt werden, versucht man, diese durch andersartige Visualisierung attraktiv zu machen. Regisseure sind entscheidende Faktoren für die Wahl der Besetzungen geworden, und sie wünschen sich naturgemäß immer die Sänger, die sie kennen. Theaterleiter machen, was die Regisseure von ihnen verlangen, weil diese ihnen am wichtigsten sind – und so entsteht der langweilige Teufelskreis des immer Gleichen, in letzter Zeit auch durch Koproduktionen zur totalen Gleichmachung degradiert.

Dass dabei manche keine Probenvergütung zahlen, dafür aber entsprechend höhere Abendgagen, ist auch nicht gut und richtig, aber in Anbetracht all der Möglichkeiten und Vorteile, welche Sänger heute weltweit haben, ist dies bei Weitem nicht so arg wie die Gesamtentwicklung des ganzen Systems, verursacht von beiden Seiten.

Die Presse, 5.1.2013:

Die Verachtung sollte Zudecker, nicht Aufdecker treffen

Replik auf Harald Walser. Aggression über die verschwiegene NS-Vergangenheit der Philharmoniker sollte sich gegen die Richtigen richten.


Zum wiederholten Mal wird derzeit nicht nur in den österreichischen Medien über die bei Weitem nicht gebührend bewältigte beziehungsweise bekannt gemachte Tätigkeit der Wiener Philharmoniker während und nach der NS-Herrschaft diskutiert.

 

Dass die feierliche Übergabe des Philharmoniker-Ringes an den Kriegsverbrecher Baldur von Schirach im Jahr 1967(!) erst jetzt allgemein bekannt wurde, obwohl der Verantwortliche des Historischen Archivs der Philharmoniker (Clemens Hellsberg, Anm.) –gleichzeitig auch Vorstand des Orchesters – dieses genauso wie manch anderes Relevante in dem 1993 erschienenen Buch „Die Demokratie der Könige“ nicht vermerkt hat, ist doch berichtenswert.

Zudem behauptet er bis heute, es sei alles gesagt und nichts mehr zu forschen.

Wobei dies für jedermann schwierig bis unmöglich ist, weil der Zugang zu besagtem Archiv erschwert oder gar verwehrt wird, was auch medial seit Langem bekannt ist und immer wieder kritisiert wird.

Unbegründet aggressives Verhalten gegenüber Personen, die mehr Licht in die Vergangenheit bringen wollen – sei es seitens der Informationsintendantin unseres öffentlichen Fernsehsenders, sei es von Journalisten –, sollte sich, wenn überhaupt in dieser Form, gegen den Zudecker und nicht gegen den Aufdecker richten, von wo auch immer dieser kommt.

Die Israelitische Kultusgemeinde wäre gut beraten gewesen zu überlegen, wofür sie eine an Friedrich Torberg erinnernde Medaille vergibt, selbst wenn dies zu den dortigen Wahlzeiten geschehen ist.

Obstruktion und Intransparenz verursachen immer Verdacht – und möglicherweise auch Unterstellungen. Diesem die Mitglieder des besten Opernorchesters der Welt und des Philharmonischen Vereins auszusetzen schadet unberechtigterweise nicht nur diesen, sondern auch unserem Land, das zu Recht stolz auf die Qualität dieses Klangkörpers ist.

Auch wenn ich mich bei vielen damit unbeliebt mache, meine ich, dass wir noch mehr Grund für das Stolz-Sein hätten, würde man den unseligen kriegerischen Radetzky-Marsch, der noch heute für sehr viele Menschen mit tragischen Erinnerungen an die kriegslustigen Habsburgerzeiten verbunden ist und dessen musikalischer Wert bekanntlich gering ist, endlich aus Programm des Neujahrskonzerts eliminieren.

Doch damit übt sich wohl der Vorstand im gewohnten Bewahren von genauso fragwürdigen wie beliebten Traditionen.

 

Kurier, 4. Juli 2012:

Teuer und unnütz ist nur die Evaluierung

Rund 550.000 Euro wurden bezahlt, damit man erfährt, was alle Involvierten immer schon wussten. Durch die Geheimniskrämerei über die von einer Wirtschaftskanzlei gestaltete Durchleuchtung in den drei Bundestheatern haben die involvierten Personen nichts Neues erfahren. Die nicht involvierte und naturgemäß unwissende Öffentlichkeit hingegen wurde nicht zuletzt durch die populistischen Kommentare der Boulevardzeitungen gegen Burg und Oper aufgehetzt. Stupid Die Zeiten von "Wollen Sie wirklich Peymann, Bernhard, Scholten" scheinen sich zu wiederholen. Durch stupide, unnötige und nichtssagende arithmetisch-buchhalterische Rechnungen von Durchschnittsbezahlungen - wobei jeder Volksschüler weiß, dass extrem hohe Werte die Durchschnittssumme subjektiv beeinflussen - entstehen als Folge reißerische Zeitungstitel: Dass ein Gastdirigent in der Oper 50 Euro pro Minute erhält und jeder "singende Gast" 10.000 Euro. Sowohl die drei Direktionen in der evaluierten Zeit 2006-2009 als auch die Holding wussten selbstverständlich, was, wie und wem bezahlt wird. Nichts Neues haben wir erfahren. Dem Burgtheater ist es dankenswerterweise gelungen, viel Geld zu sparen: durch höhere Festbezüge für die technischen Mitarbeiter, welche eine strukturell und künstlerisch höhere Effizienz erreichende Arbeit ermöglichen. Die gehaltsmäßigen Vergleiche zwischen Ensemblemitgliedern eines Sprechtheaters und eines Musiktheaters sind irrelevant, nichtssagend und irreführend. Schon die Kosten pro Auftritt zwischen der Volksoper und der Staatsoper zu vergleichen, führt zu lächerlichen Ergebnissen ohne jede Berücksichtigung der künstlerischen Zielsetzung. Dass ein Gastsolist in der Staatsoper sich mit 9840 Euro pro Vorstellung zu Buche schlage und ein Ensemblemitglied mit 1755 Euro, ist arithmetisch vielleicht richtig, sachlich total falsch - nicht nur, weil Probenzeiten und Coververpflichtungen naturgemäß unbeachtet bleiben. So kostet in der Volksoper laut Evaluierung ein Auftritt eines Ensemblesängers um über 200 Euro mehr (1755 zu 1998,60 Euro) als in der Staatsoper. Jedoch bestreitet die Volksoper ihren Spielplan vornehmlich durch das Ensemble. Folglich ein vollkommen irreführender Vergleich. Die Schlussfolgerung, dass das Augenmerk auf die Steigerung der Erlöse gelegt werden soll, da die Einnahmen pro Karte geringer seien als die "theoretisch erzielbaren", zeigt uns, dass die Evaluierung das Grundprinzip, auf welchem der Erhalt und die Funktionalität eines Theaters oder eines Opernhauses ruht, nicht berücksichtigt oder sich nicht für dieses interessiert. Der Steuerzahler erhält durch die Subvention die Bundestheater. Diesen noch einmal zu schröpfen, indem man die Kartenpreise, die der Steuerzahler auch zu zahlen hat, maximiert, beweist eine Verachtung dessen, für den man das Gebotene möglichst zugänglich macht und dem man versucht, durch höchste Effizienz künstlerische Qualität zu bieten. Das Fragwürdige, Unnötige, Entbehrliche und nur Neid und Verwirrung Stiftende der Evaluierung entstand nur durch diese selbst. Sie schadet jedem und nützt niemandem.

Salzburger Nachrichten, 2. Juli 2012:

Mit 550.000 Euro sei etwas bezahlt worden, „was alle Involvierten immer schon wussten“. Und durch die „Geheimniskrämerei“ sei nur „die naturgemäß unwissende Öffentlichkeit“ gegen „Burg und Oper aufgehetzt worden“. Derart scharf kritisiert der ehemalige Staatsoperndirektor Ioan Holender die über die SN publik gewordenen (bis dahin geheim gehaltenen) Ergebnisse der Evaluierung der Bundestheater. Dafür hatte die Beraterfirma Ernst & Young im Auftrag von Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) die Bundestheater von Mitte 2006 bis Mitte 2009 durchleuchtet; damals war Ioan Holender noch Direktor der Wiener Staatsoper. Zu den Bundestheatern gehören Holding, Staatsoper, Burgtheater, Volksoper und die Werkstättenfirma „Art for Art“.

„Durch stupide, unnötige und nichtssagende arithmetisch-buchhalterische Rechnungen von Durchschnittsbezahlungen“ entstünden nur reißerische Zeitungstitel, etwa dass ein Gastdirigent in der Oper 50 Euro pro Minute erhalte, stellt Ioan Holender in einem Schreiben an die SN fest. Ebenso „irrelevant und irreführend“ seien die gehaltsmäßigen Vergleiche zwischen Ensemblemitgliedern eines Sprechtheaters und eines Musiktheaters. „Schon die Kosten pro Auftritt zwischen der Volksoper und der Staatsoper zu vergleichen, führt zu lächerlichen Ergebnissen ohne jede Berücksichtigung der künstlerischen Zielsetzung.“

Dass in der Wiener Staatsoper ein Gastsolist mit 9840 Euro pro Vorstellung zu Buche schlage und ein Ensemblemitglied mit 1755 Euro, sei „arithmetisch vielleicht richtig, doch sachlich total falsch“. Denn in diesem Vergleich blieben Probenzeiten und Coververpflichtungen von Ensemblemitgliedern unbeachtet.

Die Schlussfolgerung im Evaluierungsbericht, dass das Augenmerk auf die Steigerung der Erlöse gelegt werden solle, da die Einnahmen pro Karte geringer seien als die „theoretisch erzielbaren“, zeige, dass die Evaluierung ein Grundprinzip missachte, kritisiert Ioan Holender. Auf diesem Grundprinzip beruhten Erhalt und Funktionalität eines Theaters oder eines Opernhauses. Neid und Verwirrung stiftend „Der Steuerzahler erhält durch die gewährte Subvention die drei Bundestheater. Diesen noch einmal maximal zu schröpfen, indem man die Kartenpreise, die der Steuerzahler auch mitzufinanzieren hat, kommerziell maximiert, beweist eine Verachtung dessen, für den man das Gebotene möglichst zugänglich macht, und versucht durch höchste Effizienz künstlerische Qualität zu bieten.“

Holender resümiert: „Das Fragwürdige, Unnötige, Entbehrliche und nur Neid und Verwirrung Stiftende der über eine halbe Million Euro teuren Evaluierung entstand nur durch diese selbst. Sie schadet jedem und nützt niemandem.“

 

Kurier, 29. Dezember 2011

Keiner liebte die Oper mehr als Prawy
Als ich 1959 vierundzwanzigjährig nach Wien gelangte, ermöglichte mir die Flüchtlingsorganisation American Rescue Committee (A.R.C.) den Kontakt zu Ernst Haeusserman und Marcel Prawy . Prawy war damals schon an der Volksoper tätig, und durch ihn gelangte ich zum Volksoperndirektor Franz Salmhofer, welcher mir die Regieassistenz bei "Gianni Schicchi" in der Inszenierung seines Vizedirektors Otto Fritz ermöglichte. Musical Prawy versuchte das in Wien vollkommen unbekannte Genre Musical im Spielplan zu integrieren, was ihm trotz heftigstem und aggressivem Widerstand seitens der Belegschaft und vor allem des Betriebsrates schlussendlich auch gelang. "Kiss me, Kate", von Prawy übersetzt als "Küss mich, Kätchen", mit Fred Liewehr als Petruchio war ein echter Erfolg, und viele andere, auch weniger erfolgreiche Musicals folgten. Seine Gestaltung der Programmhefte, bis dahin in dieser Form genauso unbekannt wie Einführungsvorträge, veranlasste den 1970 designierten Staatsoperndirektor Rudolf Gamsjäger, Prawy das Angebot zu machen, an die Staatsoper zu wechseln. Ich erinnere mich gut an mein Gespräch mit Marcello im Volksoperncafé gegenüber dem Bühneneingang und seine Frage: "Holenderchen, du bist ja so gut mit dem Gamsjäger, glaubst du, dass er ein Antisemit war, er war doch bei der Luftwaffe?" Ich antwortete Prawy , dass dies doch vollkommen irrelevant sei - ich wusste es auch wirklich nicht. Einzig relevant sei doch, dass er jetzt die Chance habe, endlich an die von ihm geliebte Staatsoper zu gelangen. Doch lange dauerte sein Glück dort nicht. Prawy schlug Gamsjäger den großen Erfolg der Staatsoper vor dem Krieg, Meyerbeers "Prophet", mit Christa Ludwig als Fides vor. Doch der Tenor dazu wurde leider nicht gefunden und aus dem "Prophet" wurde "Luisa Miller" mit der Ludwig in einer Nebenrolle. Das Verhältnis zwischen dem Staatsoperndirektor Gamsjäger und dem nun auch offiziell Dramaturg genannten Marcel Prawy verschlechterte sich dadurch drastisch. Schlussendlich konnte Prawy außerdem seinen Freund und Mentor Leonard Bernstein nicht dazu bewegen, an das Pult des Hauses zurückzukehren. Prawy wurde wegen überhöhter und im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit beim Österreichischen Fernsehen als "Opernführer" zu häufiger privater Telefonnutzung gekündigt. Eine gemeinsame Bekannte von Bruno Kreisky und Prawy bewirkte bei Kreisky über den Kulturminister Sinowatz die Rücknahme der Kündigung. Doch Prawy landete auf Wunsch Gamsjägers in einem Büro im Hanuschhof und durfte nicht mehr in der Direktionsloge weilen. Gamsjägers Nachfolger Egon Seefehlner holte ihn dann zurück ins Haus. Auch wenn das Publikum bei seinen Matineen einen ziemlich hohen Altersdurchschnitt hatte, waren die Jahre mit Seefehlner als Staatsoperndirektor doch seine glücklichsten. "Möge der Waldheim nur noch lange Bundespräsident bleiben, denn er kommt wegen seinem schlechten Gewissen immer zu meinen Vorträgen", war eines seiner Bonmots. Prawy , der nie regelmäßig aß, die ganze Nacht jederzeit telefonisch erreichbar war, denn er schlief immer wieder "nur dazwischen", wie er sagte, hatte gar kein Verständnis für "Essengehen", Schlafen oder gar Sportmachen. Eigentlich hat er am liebsten und immer Kastanienpüree gegessen - wie oft ging ich mit ihm in den verbogensten Konditoreien und Gasthäusern und zu den unmöglichsten Uhrzeiten Kastanienpüree essen. Immer ohne Schlagsahne! Und jedes Mal ging ich nachher reicher, wissender und irgendwie immer froher weg. Tennis Unzählige Male sagte er mir, er könne nicht verstehen, dass ich mit Tennisspielen und Skifahren meine kostbare Zeit vergeude. Als ich Staatsoperndirektor wurde, schrieb er mir zur Gratulation "und jetzt musst du auch nicht mehr mit Wichtigen Tennis spielen"... Er war das letzte Ehrenmitglied, das im Haus aufgebahrt wurde, und ich durfte die Trauerrede halten. Ich kannte keinen, der dieses merkwürdige Etwas, das wir Oper nennen, mehr liebte als er.
 

 

Kurier, 8. Juni 2011

Die Osterfestspiele und die Globalisierung

Werden in der nahen Zukunft Operninszenierungen an den großen Bühnen einander so ähnlich sehen wie die Automobilmarken? Ein Gastkommentar von Ioan Holender.

Wenn die Dresdner Staatskapelle und ihr Musikchef Christian Thielemann den Berliner Philharmonikern und Simon Rattle ab 2013 bei den Salzburger Osterfestspielen folgen, das heißt, diese nach ihrem Abgang nach Baden-Baden ersetzen, ist dies kein gutes Zeichen für unsere Opernlandschaft.

Ganz im Gegenteil zum Gebot, stets Neues zu schaffen, noch nicht beschrittene Wege zu gehen, neugierig zu sein und neugierig zu machen, bedeutet dies eine neuerliche Gleichstellung, Uniformierung, Nivellierung, kurz eine auf künstlerischer Ebene nachteilige Globalisierung.
Die Osterfestspiele dürften zu einer zweiten Spielstätte für die Dresdner Semperoper werden und selbstverständlich mit dieser, also de facto mit sich selbst, koproduzieren.
Die Dresdner Inszenierungen dürften folglich auch in Salzburg zu sehen sein und vielleicht auch noch anderswo. Werke der Opernliteratur, welche in Wien und München gespielt werden, werden nun wohl auch dazwischen, sozusagen auf halbem Wege, in Salzburg zu Ostern zu hören sein.

Schon 2013 soll in Salzburg ein neuer "Parsifal" kommen. Und "Carmen", 2012 die letzte Salzburger Premiere der Berliner, steht auch in Wien und in München auf dem Spielplan. Wenn auch nicht - und dies aus gutem Grund - mit derselben Sängerin in der Titelrolle, jedoch mit dem gleichen Partner.

Die paar Hundert Förderer, die noch aus Karajans Zeiten übrig geblieben sind, Bankdirektoren und finanzstarke Wirtschaftstreibende vornehmlich aus Deutschland, wollen einen "Namen". Jener, für welchen sie gerne bereit waren, eine Sonderzahlung, eben den Förderbeitrag zu leisten, ist lange tot. Nun haben sie auch einen "Sir" als seinen Nach-Nachfolger verloren, jetzt wollen sie wenigstens Thielemann, zweifellos ein meisterhafter Dirigent. Wenn schon nicht mehr in München, dann gelegentlich in Salzburg.

Weltreisen

An musikdramaturgische Überlegungen denkt niemand. An Musikwerke, die aus dem Ostergedanken inspiriert und entstanden sind, natürlich auch nicht. In Leipzig werden von Konwitschny Bachpassionen und Kantaten szenisch realisiert, in Salzburg spielt man zu Ostern "Carmen". Und "Arabella", wenn es nach Thielemann geht.
Der neue Wiener "Rigoletto" aus dem Theater an der Wien geht an die MET und an die Scala, die New Yorker "Tosca" kann man jetzt auch in München und Mailand sehen. Dass diese "Weltreiseproduktionen" m eist auch medioker sind, ist Pech, doch prinzipiell nur sekundär.

Werden in der nahen Zukunft Operninszenierungen an den großen Bühnen einander so ähnlich sehen wie die Automobilmarken? Und werden die Salzburg Osterfestspiele dann auch eine dieser werden?

Der ehemalige Staatsoperndirektor erhielt soeben den hohen japanischen "Orden der aufgehenden Sonne".

 

 

Bühne April 2011

Freunde erkennt man in der Not

Ioan Holender. Der ehemalige Staatsoperndirektor ist Artistic Adviser des Spring Festivals in Tokio.

Seit Jahrzehnten ist das Japanische Kaiserreich der größte Importeur österreichischer klassischer Musik. Kein anderes Land in der Welt hat für Japan, was die Musik betrifft, einen ähnlich hohen Stellenwert. Als Folge dessen treten aus keinem anderen Land, sei es Europa oder Übersee, mehr Musiker in Japan auf als aus Österreich. Andererseits wird, was logisch daraus folgt, auch kein anderes Land der Welt von japanischen Musikfreunden zahlreicher besucht als Österreich.

Die finanziellen Bedingungen samt Nebenbedingungen für Japan-Gastspiele waren allesamt höher und besser als irgendwo anders. Angefangen von der Staatsoper über den Wiener Philharmonikern, den Wiener Sängerknaben bis zu vielen anderen heimischen Orchestern, Instrumentalisten, Opern-, Konzert- und Operettensängern – sie alle waren froh und dankbar, nach Japan fahren und dort für gutes Geld Musik machen zu dürfen. So manche staatliche, aber auch private, musikalische Institution rechnete Auftritte in Japan zu ihren wichtigen Einkünften, für machen waren sie sogar von existenzieller Bedeutung.

Jetzt ist in tragischer und unerwarteter Weise diesem Zustand Einhalt geboten. Bei unseren japanischen Freunden geht es jetzt ums nackte Überleben – und alles andere ist vorerst kein Thema mehr.

Wir wissen aber, über welch heroische Kräfte dieses Volk verfügt, um sich selbst beim Schopf aus dem Sumpf rauszuziehen. Es wird ihm auch diesmal gelingen, wenn auch um den Preis vieler schmerzlicher Opfer. Hoffentlich wird man sich in Tokio, Osaka und andernorts bald wieder nach Musik und nach unseren Musikern sehnen. Doch ich fürchte, man wird noch lange keine Mittel haben, diese so zu honorieren wie bisher. Es wird keine „japanischen Gagen“ mehr gegeben.

Und dann kommt es eben darauf an, dass wir uns dafür bedanken, was dieses Land und die Menschen dort uns – so lange sie konnten – gegeben haben. Und wir alle, große und kleinere Ensembles und Künstler, sollen dann, diesmal ohne „japanische Gagen“, ja vielleicht sogar ganz ohne, nach Japan fahren und dadurch unseren Freunden zeigen, dass wir tatsächlich ihre Freunde sind.

Kurier, 15.3.2011, Gastkommentar: Riccardo Mutis "Nabucco"-Triumph in Rom

Der wieder genesene Meisterdirigent protestierte nach dem Gefangenenchor mit spontanen Worten gegen den Kultur-Kahlschlag in Italien.

Der absolute Höhepunkt dieser Neuinszenierung von Verdis, hierzulande viel geliebtem und viel gespieltem Erfolg "Nabucodonosor" - wie man die Oper in Rom wieder nennt - war, was nach dem Gefangenenchor im 3. Akt des überlangen Abends (zwei lange Pausen und noch eine Lichtpause im 3. Akt) vor sich ging.
Bis dahin war man zu Recht hocherfreut über Mutis alles überragende musikalische Kompetenz und Persönlichkeit gerade auch für dieses Frühwerk Verdis, aber auch darüber, dass er wieder genesen ist, wenn auch seine Gesichtszüge noch leicht lädiert sind.

Über die Nichtinszenierung und die mit herumgeschobenen Wänden ausgestattete Bühne (Jean Scarpitta) ist beim besten Willem nichts zu berichten, außer, dass man staunt, dass so etwas heute noch möglich ist.
Die Sängerbesetzung war ausgewogen, man hörte manch junge neue Stimme, wie die in den dramatischen Koloratur-Teilen leicht bewegliche und mit sicheren, nicht schrillen Höhen, schön singende Abigail der ungarischen Sopranistin Csilla Boros und den jungen russischen Bass Belosselsky mit schöner Stimme, viel Höhe und wenig Tiefe - er ist auch der Banquo in der "Macbeth"- Produktion in Salzburg. Die Titelrolle sang der altbewährte Leo Nucci mit großer Persönlichkeit in der letzten Premiere seiner langen Karriere am Teatro dell'Opera in Rom.

Als der von Muti mit spürbarer innerer Anteilnahme geleitete Gefangenenchor endete und sogar das bekannt kühle und zurückhaltende römische Publikum endlich heftig applaudierte, drehte sich der engstens mit der Situation des heutigen Italien als zerfallener Kulturstaat sich verbunden fühlende Muti zum Auditorium und sprach spontane Worte über die im gesungenen Chor beklagte "Patria perduta" - die verlorene Heimat -, indem er sagte: Wenn Italien die Kunst und die Musik verlöre, sei das Land verloren. Und er wiederholte die Musiknummer, indem er das Publikum zum Mitsingen aufforderte. Das Auditorium und die Orchestermitglieder erhoben sich dabei von ihren Sesseln, und von der Galerie flogen Flugzettel mit Protesten gegen den Kultur-Kahlschlag.

Es war eine hoch emotionelle Atmosphäre im gesamten Auditorium an diesem Abend, rund 150 Jahre nach dem gerade dieser Chor Verdis als ein Symbol der Erreichung von Italiens Unabhängigkeit galt. Die Verschmelzung zwischen Publikum und Ausführenden war ein deutlicher Beweis dafür, was Musik politisch auch heute noch bewirken kann. Muti als Italiener und als Musiker war der große Held dieser Opernaufführung. Und Italiens derzeitige politische Führung deren Antiheld!

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Kurier, 25.1.2011, Gastkommentar: Plácido Domingo zum 70er

Der König im Königshaus: Noch nie in der Geschichte der Oper wurde ein Interpret dermaßen in der ganzen Welt gefeiert wie Plácido Domingo. Aber es gibt auch kein zweites Beispiel für einen Sänger, dessen Leistungskraft und Qualität über 40 Jahre dauert. Kaum jemand, und am wenigsten er selbst, ahnte, dass der am 21. Jänner 1941 in der Calle de Ibiza 34 in Madrid geborene Sohn mexikanischer Zarzuela-Interpreten so berühmt werden sollte, dass noch zu seiner Lebzeit eine Tafel an seinem Geburtshaus angebracht wurde.

Keine Sängerin und kein Sänger hat je so viele Partien gesungen wie er, für keinen wurden vier eigene Opern komponiert - und es könnten noch mehr werden -, kein Sänger bestritt ein Repertoire, welches er genauso gut bei den Bayreuther Festspielen wie auch an der Mailänder Scala oder an der Metropolitan Opera in New York gesungen hat.

Niemand trat öfter als Domingo bei der Eröffnungsvorstellung der Met auf und kein Sänger wurde 100-mal im Laufe einer vollen Stunde nach einer Opernvorstellung auf die Bühne der Wiener Staatsoper gerufen.
Als er am Abend seines 70. Geburtstages neben der Königin von Spanien bis zur Balustrade der Königsloge schritt, das gesamte Auditorium sich erhob und zur Königsloge gewandt ihm applaudierte, trat die feinsinnige Königin Sophia einen Schritt zurück.

Und er, der König der Oper, der von bereits drei Generationen vergötterte aller vergötterten Tenöre, stand da mit Tränen in seinen Augen. Und wir alle im Teatro Real auch.
James Conlon dirigierte ganz hervorragend ein Programm, in welchem dem Jubilar von Angela Denoke bis zu Deborah Polaski und von Bryn Terfel bis zu Erwin Schrott große Kollegen nebst Gewinnern des von Domingo ins Leben gerufenen und weltbekannten Wettbewerbs Operalia mit einem von Gerard Mortier sensibel ausgesuchten Programm die Ehre erwiesen.

Am Ende erschien die spanische Opernikone Teresa Berganza, sozusagen die spanische Christa Ludwig, und würdigte das Geburtstagskind. Als dann Domingo selbst den Ovationen nachkam und von der Königsloge auf die Bühne schritt, wo er kluge, bescheidene Worte sprach und ein paar Takte aus "Ich bin in Madrid geboren" sang, kannte der Jubel kein Ende.
Am übernächsten Tag verkörperte er in einer von Thomas Hengelbrock musikalisch ganz ausgezeichnet gestalteten "Iphigenie auf Tauris" von Christoph Willibald Gluck den Orest.

Neben einer hervorragenden Leistung von Susan Graham in der Titelrolle kehrte er wieder in die derzeitigen Bariton-Fußstapfen zurück, wobei er diese Partie demnächst auch an der New Yorker Met singen wird.
Und so endeten die Feierlichkeiten für wahrlich den allergrößten der großen Opernhelden unseres Zeitalters in seiner Geburtsstadt - natürlich in Anwesenheit seiner drei Söhne, neun Enkelkinder - und seiner Marta.

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Kurier, 20. September 2010, Seite 14. Thema Ausländer in Wien

Die Künstler sind noch am wenigsten betroffen

Der Albaner Alexander Moissi wurde als „Jedermann“ und nicht nur als solcher genauso akzeptiert, bewundert und geliebt wie der mit unüberhörbarem slawischem Akzent singende Leo Slezak. Von der aus Czernowitz kommenden Maria Cebotari bis zur bulgarischen Sopranistin Ljuba Welitsch waren die Idole der Wiener Hofoper und Staatsoper meistens Ausländer, heute würde man sie als Migranten kategorisieren.
Ich könnte mit den Beispielen bis zur Bulgarin Krassimira Stoyanova und zum Südafrikaner Johan Botha fortfahren; Anna Netrebko allerdings passt hier nicht dazu, denn sie ist ja Österreicherin geworden.
Die Zuneigung beziehungsweise die Akzeptanz der Wiener und der Österreicher für Ausländer, für Menschen, die von „da unten“ kommen, ja sogar für jene, die eine schwarze Hautfarbe haben (Olive Moorefield, Reri Grist, Leontyne Price …), war und ist grenzenlos, weil diese Menschen außerordentliche Leistungen bringen.

Antisemitismus

Die Vertreibung und Verfolgung von vormals hochverehrten Künstlern nach dem 13. März 1938 dürfen und sollen nicht mit Ausländerfeindlichkeit verwechselt werden, sie fallen in eine andere Kategorie, jene des rassischen Antisemitismus.
Die Sympathie der Österreicher gegenüber vom Ausland kommenden Dirigenten, Instrumentalisten, Sängern und sogar Regisseuren (von Strehler bis Ponnelle und Zeffirelli) ist also nicht vergleichbar mit der derzeit herrschenden Antipathie gegenüber Migranten. Dass man mit dem Schüren und Erwecken der gemeinsten Gefühle der Menschen je nach Neigung Wählerstimmen lukrieren kann und die Politik gegenüber Ausländern für manche Parteien durchaus Ersatz für eine Ideologie ist, betrifft die in künstlerischen Bereichen Tätigen wenig.
Anders verhält es sich in sogenannten künstlerisch administrativen Leitungsfunktionen. Gustav Mahler wurde sowohl in Budapest als auch später in Wien nicht zuletzt, weil er Jude war, sekkiert und schlussendlich zur Aufgabe der Position des Hofoperndirektors gezwungen. Bei Karl Böhm war es sozusagen umgekehrt: Obwohl Österreicher, wollte man ihn nicht mehr, weil er zu viel im Ausland war. Die feindseligen Stimmen gegen Claus Peymann wurden wiederum vor allem von seinem Preußentum hervorgerufen, was in eine andere Kategorie der Ablehnung von Ausländern in Österreich fällt, die Piefke … Denn es gibt vielfältige Variationen, weswegen sich jene, die von anderswo hierhergekommen sind, in Österreich feindlicher Ablehnung gegenübersehen.

Hilfsbereit

Was mich betrifft, wurde ich vor 50 Jahren als armer rumänischer Flüchtling hilfsbereit in Österreich aufgenommen. Zu dieser Zeit waren auch noch viel weniger Ausländer da als jetzt, und es gab den Eisernen Vorhang. Als man mich jedoch in die Operndirektion holte, waren plötzlich auch meine Abstammung und mein Geburtsland ein für mich spürbares und auch in manchen Medien nachlesbares Manko. Bei vielen Entscheidungen und Veränderungen, die ich später getroffen habe, von der Umbenennung des Gobelin-Saals in Mahler-Saal bis zur Neugestaltung des Eisernen Vorhangs der Oper, kamen immer wieder laute, kritische bis fremdenfeindliche Äußerungen gegen mich.
Im Allgemeinen jedoch betrifft sowohl die von einer Partei zwecks Gewinnung von Wählerstimmen propagierte Ausländer-Raus-Politik als auch die von anderer Seite übertriebene Umarmung der Migranten um jeden Preis am wenigsten das Gebiet der Kunst. Zum Wohle dieser kann ich nur hoffen, dass das auch so bleibt.

 

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